Retro der Woche 25/2024

Vor zehn Wochen habe ich hier eine nicht-eindeutige) Beweispartien vorgestellt, bei der eine Anzahl letzter Züge retroanalytisch eindeutig ableitbar waren. Generell ist das bei „normalen“ Beweispartien ja nicht der Fall: Da wird die Zugfolge wesentlich durch die zeitliche Beschränkung ableitbar. Hier soll ohne diesen limitierenden Faktor „Zeit“ eine möglichst hohe Anzahl an eindeutigen letzten Zügen erreicht werden, dabei soll dann eine mögliche Beweispartie, die zu der „u.s.w.-Stellung“ führt, möglichst kurz sein.

In dem im April erwähnten „Schachmatt“ Artikel ging es zunächst einmal um das „Füllen der Tabelle“, später hat sich dann speziell Hugo August weiter mit dem Thema beschäftigt und deutlich komplexere Aufgaben dazu gebaut; aus dem von Karl Fabel ausgeschriebenen einschlägigen Thematurnier möchte ich euch heute den 4. Preis vorstellen, bei dem der „Last-Moves?“ Teil interessant und die Beweispartie dorthin alles andere als trivial ist.

Hugo August
Šahovski vjesnik I/1951, 1. Thematurnier, 4. Preis
74 Einzelzüge, 31 ableitbar (12+16)

 

Das ergibt bei der hohen Zügezahl den erstaunlich niedrigen Koeffizienten von 74/31=2,39.

Der weiße König steht im Schach, also muss Schwarz mit der Rücknahme beginnen. Betrachten wir aber zunächst die Schlagfälle: Weiß konnte nicht schlagen, bei ihm fehlen ein Springer sowie [Bb2], [Be2] und [Bh2]; wLa8 ist offenbar der umgewandelte a-Bauer. Offenbar Entstand sLb1 aus [Ba7], er schlug dabei den fehlenden [Bb2]. Zwei Schläge erfolgten auf der g-Linie, darunter auch der des [Bh2], der sich also auf h8 umgewandelt haben muss. Und dann ist [Be2] irgendwo auf seiner Linie von einem Offizier geschlagen worden.

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Ausschreibung Champagne-Turnier 2024

Michel Caillaud schreibt wieder das traditionelle Champagne-Turnier zum WCCC aus: In zwei Abteilungen (Beweispartien und andere Retros) ist als Thema zum Gedenken an Peter van den Heuvel gefordert: “Ein Stein folgt einem Stein der anderen Farbe auf mindestens zwei Felder”. Details können der Ausschreibung entnommen werden.

Das Turnier ist auch für Nicht-Teilnehmer des WCCC offen; Einsendeschluss ist der 30. Juli 2024 20:00 Uhr. Für jede Abteilung sind maximal zwei Aufgaben pro Autor (Co-Autorschaft zählt voll) zugelassen, es darf maximal eine nicht Computer-geprüfte Beweispartie eingesendet werden. In beiden Abteilungen sind Märchenbedingungen erlaubt.

Viel Spaß und Erfolg beim Komponieren!

Retro der Woche 24/2024

Heute möchte ich mir mit euch mal wieder einen Verteidigungsrückzüger anschauen: Bei dem versucht sich Schwarz ja (natürlich mit legalen Mitteln), gegen die Vorwärtsforderung zu verteidigen. Bei Typ Proca entscheidet die rücknehmende Partei, ob ihr Zug schlagend war und wenn ja, welcher Stein entschlagen wurde.

Gerade der Typ Proca (der Name geht zurück auf den Erfinder, den Rumänen Zeno Proca 1906-15.2.1936) ermöglicht „neudeutsches“ Plangefüge – wenn die Motive auch noch „retro-spezifisch“ sind, ist das um so erfreulicher.

Joaquim Crusats & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2018, 1. ehrende Erwähnung
#1 vor 18 Zügen, VRZ Proca (13+13)

 

Betrachten wir zunächst die Schlagbilanz, um mit diesem Wissen nach dem Hauptplan, dessen Widerlegung und dem damit notwendigen Vorplan(gefüge) schauen zu können.

Offensichtlich sind wBxc6 sowie zwei Schläge des [Bg7] bis e2. Wenn [Ba2] auf c8 umgewandelt hat, muss er dazu auch [Bh7] geschlagen haben – bzw. den Umwandlungsstein, der aus diesem Bauern auf g1 entstanden ist. Damit wären alle weißen und schwarzen Schläge erklärt. Wenn [Bh7] allerdings nicht umgewandelt hat, muss [Ba2] auf der a- oder b-Linie geschlagen worden sein, und für Schwarz bleibt kein Schlagobjekt mehr übrig.

Nun wollen wir nach dem Hauptplan schauen, der, wie es sich für ein gutes neudeutsches Problem beinahe gehört, nicht allzu schwer zu finden ist:

R 1.Kg5-h6 Th7-g7 2.Lh6-f8 & v: 1.Sxe7#, aber Schwarz kann ich besser mit R 1.– Kh7-hg! Verteidigen. Das allerdings erzwingt 2.h5xSg6+ nebst wBgxsBh, und auch bei Weiß sind drei Schlagfälle zwingend erforderlich.

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Retro der Woche 23/2024

Vor ein par Tagen bin ich im Internet, konkret bei facebook in der Gruppe „Chess Endgames and Compositions“ über eine Beweispartie gestolpert, die sich, wie ich meine, hervorragend für unsere Serie eignet: Da kann ich gleichzeitig noch eine Frage „jenseits der eigentlichen Aufgabe“ mit euch diskutieren.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2016, 4. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 22,0 Zügen (14+14)

 

Beginnen wir mit der Analyse der Schlagfälle: Bei Schwaz fehlen [Lc8], der zuhause geschlagen werden musste, sowie [Bh7], der auf der h-Linie sterben musste. Bei Weiß fehlt {Be2], der selbst nicht schlagen konnte, sowie [Dd1], die auf b6 oder b5 vom schwarzen a-Bauern geschlagen wurde.

Das hilft nur bedingt weiter, drum betrachten wir die sichtbaren Züge: Bei Weiß haben wir 3+2+3+3+2+4=17 – erschreckend wenig, gerade weil wir wissen, dass sich kein Bauer umgewandelt haben kann: fünf Züge sind noch frei. Das Zählen bei Schwarz ist aber zunächst noch frustrierender: 4+1+0+1+0+3=9 !!

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Retro der Woche 22/2024

Wie schon angekündigt möchte ich heute noch einmal auf den Retro-Preisbericht Probleemblad 2021-2022 von Hans Gruber und Dirk Borst zurückkommen; vor drei Wochen hatte ich bereits den ersten Preis demonstriert, vor zwei Wochen dann ein Buchstabenproblem – und heute möchte ich auf das zweitplatzierte Stück, wieder eine orthodoxe Beweispartie, eingehen.

Eric Pichouron, Michel Caillaud & Nicolas Dupont
Probleemblad 2021-2022, 2. Preis
Beweispartie in 19,0 Zügen (15+16)

 

Nur [Lf1] fehlt, der offenbar auf a6 geschlagen wurde. Ansonsten fallen im Diagramm besonders die Türme auf der achten Reihe auf: Den weißen auf b8 kann man sich noch gut von h1 kommend vorstellen, wie allerdings Tg8 – wahrscheinlich von a8 kommend – hier gelandet sein könnte, ist nicht so offensichtlich. So viel sei verraten: Das ist das eigentliche Thema dieser Beweispartie.

Doch zunächst zählen wir einmal die sichtbaren Züge von Weiß: 3+2+5+3+0+5=18 – hinzu kommt noch Lf1-a6, sodass alle weißen Züge erklärt sind. Damit ist auch das Zählen von 3+2 Zügen für König und Tc2 korrekt: Mit Rochade würden die beiden Figuren nur 2+2 Züge brauchen, das aber würde Platz machen des Sb1 und dessen Rückkehr, also in Summe einen Zug mehr, erfordern.

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7. Murfatlar Turnier

Das 66. WCCC in Jūrmala vom 27.7. bis zum 3.8.2024 (Anmeldung möglichst bis zum 27.5.!!) wirft seine Schatten voraus: Das traditionelle Murfatlar-Retro-Kompositionsturnier ist angekündigt: Gefordert sind Beweispartien mit der Bedingung “Anticirce”. Einsendeschluss ist der 15. Juli 2024, die Ausschreibung enthält alle wesentlichen Detailinformationen.

Viel Spaß und Erfolg beim Komponieren! Und sicher werde ich auf das Turnier nach Vorliegen des Preisberichts hier eingehen!

Retro der Woche 21/2024

Wie üblich gab es beim Andernach-Treffen am Himmelfahrt-Wochenende wieder ein Kompositionsturnier, und wie üblich wurde es in zwei Abteilungen gerichtet: Beweispartien und „Rest“, also alle Vorwärts-Aufgaben 😉

Gefordert waren Aufgaben mir der Bedingung Equipollentscirce: „Ein geschlagener Stein wird auf dem Feld wiedergeboren, das sich ergibt, wenn man den Zugvektor des schlagenden Steins an das Schlagfeld legt, also dem tatsächlich zurückgelegten Weg des schlagenden Steins bis zu seinem Zielfeld (selbst wenn dieses nicht mit dem Schlagfeld übereinstimmt). Ist das Wiedergeburtsfeld besetzt oder außerhalb des Brettes, verschwindet der geschlagene Stein endgültig.“ (Märchenlexikon der Schwalbe)

Der vorläufige Preisbericht beider Abteilungen kann dem Andernach-Bulletin entnommen werden. In der Zwischenzeit hat Preisrichter Hans Gruber die Beweispartien ausführlich kommentiert und dabei “Andernach-traditionell” auch noch nachtrgliche Verbesserungen berücksichtig; hiervon übernehme ich zumindest die Ideen seiner Kommentare.

Michel Caillaud
Andernach 2024, 1. Preis (Version)
Beweispartie in 7,5 Zügen, Equipollentscirce (16+15)

 

Michel Caillaud hat sich den ersten Preis nicht nur durch eine hervorragende Aufgabe gesichert, sondern auch dadurch, dass er immer wieder Fassungen von Dirk Borsts anspruchsvoller Idee weggkocht hat…

Im Gegensatz zum „klassischen“ Circe ändern geschlagene Bauern möglicherweise ihre Linie, sodass das Auszählen von Bauernschlägen bei Equipollentscirce noch schwieriger ist als sonst. Auch können Türme, Läufer und Springer im Rahmen der Wiedergeburt ihre Feldfarbe ändern. Dennoch gelang es dem „Richterkollektiv“ in der Nacht von Samstag (Abgabeschluss: 23:59) auf Sonntag (Frühstück ab 8:00), die ursprüngliche Fassung vollständig ohne Computer-Unterstützung (beide Fassungen sind Co+) zu lösen. Hans warnt aber – und motiviert damit gleich zu eigenen Versuchen): Aber Achtung: Es gibt immer neue Hürden, die sich beim ‘Das spiele ich doch einfach herunter’ hartnäckig in den Weg stellen. (Wie konnte der [Bd7] nach a5 gelangen?) Eine zündende (zunächst paradox wirkende) Idee ist nötig.

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R.I.F.A.C.E. 2024 — Retro-Turnier

So wie viele automatisch das Himmelfahrtswochenende mit Andernach verbinden, verbinden viele das Pfingstwochenende mit R.I.F.A.C.E., dem traditionellen Treffen der französischen Problemisten.

Wie üblich gibt es dort wieder ein Retro-Kompositionsturnier, dieses Mal mit Carrera Chess 408, einer schon 400 Jahre (sic!) alten Variante des normalen Partieschachs mit Märchenfiguren und liberalisierter Anfangsstellung. Die (französische und englische) Erklärung mit Beispielsaufgaben findet ihr natürlich im Netz.

Schickt eure Aufgaben bitte bis Pfingstsonntag (19.5.24) 15:00 Uhr MESZ an retro.riface(at)gmail.com.

Viel Spaß und Erfolg!