Reto Aschwanden 50

Einer der bedeutendsten Beweispartie-Komponisten dieses Jahrtausends ist Reto Aschwanden, dem ich zu seinem heutigen 50. Geburtstag herzliche Glückwünsche in die Schweiz schicke. Reto baut meist strategisch tief gehende, stets originelle Beweispartien, hat aber schon mit 17 Jahren erste ausgezeichnete Zweizüger, anschließend auch höchst komplexe Märchenschach-Aufgaben veröffentlicht. Für die extrem hohe Qualität seiner Aufgaben spricht, dass er der jüngste Kompositionsgroßmeister aller Zeiten ist.

In der letzten Zeit hat er uns mit seinem leistungsfähigen Beweispartie-Prüfprogramm Stelvio das Leben erleichtert — ich bin sicher, ich hoffe, dass dort wie bei seinen Kompositionen das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist, dass wir noch jede Menge toller Aufgaben von ihm sehen werden.

Nachdem ich im Retro der Woche 39/2024 bereits eine frühe Beweispartie von Reto vorgestellt hatte, folgt nun eine weitere, etwas kürzere. Ich lade euch herzlich ein, sie selbst zu lösen, auch wenn wir hier sicherlich das “zwischendurch” zeitlich nicht ganz so knapp ansetzen sollten.

Reto Aschwanden
Problemesis 2001, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 15,5 Zügen (14+14)

 

 

 

 

Make&Take

Heute möchte ich euch „zwischendurch“ eine kleine Märchenschach-Beweispartie zeigen, die uns die ziemlich dynamische „Make&Take“ Bedingung näherbringt: Alle Steine ziehen schlagfrei ganz orthodox, für einen Schlag mus jedoch zunächst ein (schlagfreier) Zug in der Art des intendierten Schlagopfers erfolgen, bevor das dann mit einem „normalen“ Schlagzug des Schlagtäters beseitigt wird. In einer Stellung Kh1 Ba2 – Kb7 Le8 wäre also etwa möglich: 1.Ba2-f7xe8=S Kb7-d8xe8.

Michael Barth hat uns dazu einen Urdruck zur Verfügung gestellt, der in vier Zügen gleich zwei Lösungen präsentiert. Der erste weiße Zug ist in beiden Lösungen identisch, danach unterscheidet sich das Spiel. Im Hilfsmatt würde man das notieren „1.2;1.1…“

Michael Barth
Urdruck
Beweispartie in 4 Zügen, 2 Lösungen, Make&Take (14+15)

 

Versucht euch einmal daran! Und wenn es nicht klappt: In einer Woche erscheint hier die Lösung.

Retro der Woche 41/2024

Am gestrigen Samstag hat auf der Mitgliederversammlung der Schwalbe, deutsche Vereinigung für Problemschach e.V. deren bisheriger Vorsitzende Bernd Gräfrath nach zehn Jahren im Amt nicht erneut kandidiert.

Ich hoffe, dass er nach einer verdienten Ruhe- und Erholungspause in Zukunft wieder vermehrt speziell Beweispartien komponiert, da ich seine Aufgaben sehr mag – besonders seine Märchen-Beweispartien, die häufig bei eingängigen Bedingungen einen „Kampf gegen die Forderung“ zeigen: Manchmal werden Märchenbedingungen genutzt, um Aufgaben korrekt zu bekommen – Bernd nutzt sie hingegen, um eben die naheliegenden Möglichkeiten der Bedingungen außen vor zu lassen, im Gegenteil die Schwierigkeiten zu betonen, die sich durch Zugeinschränkungen oder andere “Störungen des Betriebsablaufs” aufgrund der Bedingung ergeben können.

So auch in unserem heutigen Beispiel: Beim Längstzüger muss Schwarz den geometrisch längsten legalen Zug ausführen; bei mehreren gleichlangen hat er freie Auswahl. Die Länge eines Zuges wird von Feldmittelpunkt zu Feldmittelpunkt gemessen – und das zeigt zum Beispiel „nach Pythagoras“, dass a1-f6 länger ist als a1-a7. Bei der Rochade werden die Längen beider Teilzüge addiert.

Bernd Gräfrath
König & Turm 2011, 4. Preis
Beweispartie in 13 Zügen, Längstzüger (16+10)

 

„Thematisches Lösen“ kann auch die ursprüngliche Veröffentlichungsquelle berücksichtigen, und der Titel der Zeitschrift, die Hanspeter Suwe lange Zeit als „Einzelkämpfer“ herausgegeben hat, sagt schon eine Menge über deren thematischen Schwerpunkt aus: Die Rochade. Und auch der Blick aufs Diagramm zeigt die „Lange-Rochade-Stellung“ bei Weiß, und Schwarz steht spungbereit – dazu müsste Weiß nur die Überdeckungen von d8 und c8 beseitigen?

Weiterlesen

Schwalbe-Treffen

Heute beginnt in Essen das jährliche Schwalbe-Treffen, in dessen Mittelpunkt in diesem Jahr selbstverständlich der 100. Geburtstag der Vereinigung (gegründet: 10. Februar 1924 in Essen) steht. Allen Teilnehmern wünsche ich eine gute Zeit dort, zunächst eine gute Anreise!

Und wer die vielleicht mit der Bahn oder als Beifahrer im Auto macht — oder gar den heutigen Feiertag zuhause verbringt, hat vielleicht Lust, “zwischendurch” eine hübsche kleine Beweispartie zu lösen?

Mark Kirtley & Michel Caillaud
StrateGems 1999, Lob
Beweispartie in 7 Zügen, zwei Lösungen (15+13)

 

Viel Spaß beim Lösen! Der Hinweis, dass hier in einer Woche die Lösung erscheinen wird, ist eigentlich überflüssig, stimmts?

 

Lösung


Tempozug von Weiß bzw. Schwarz, unterschiedlich Ceriani-Frolkin-Umwandlungen — sehr hübsch, wie ich finde!

Retro der Woche 40/2024

Auch wenn ich erst vor drei Wochen hier ein Auflöse-Retro von Luigi Ceriani (23.1.1894–8.10.1969) vorgestellt habe, so ist er hier im Blog bezogen auf die Qualität seiner Aufgaben und seiner Bedeutung für die Entwicklung der Retroanalyse im mittleren Drittel des 20. Jahrhunderts stark unterrepräsentiert. Daher will ich heute und in der kommenden Zeit noch einige „Cerianis“ vorstellen.

Ja, manche seiner Stücke sind hochkomplex und würden den üblichen Raum- und Zeitrahmen dieses Blogs sprengen, aber natürlich gibt es auch leichter zu verstehende und einfacher zu lösende Stücke von ihm – die sich trotzdem nicht unbedingt für eine Drei-Minuten-Löse-Pause eignen würden.

Ich hoffe, dass euch das Stück, das ich für heute ausgesucht habe, euch ebenso wie mir gut gefällt – und es auch ein wenig die „Angst, einen Ceriani zu lösen“ nimmt!

Luigi Ceriani
32 personaggi e 1 autore 1955
Wer ist am Zug? (11+11)

 

Das heutige Stück entstammt einem seiner beiden im Selbstverlag veröffentlichten Bücher: Das Monumentalwerk „32 personaggi e 1 autore“ aus dem Jahre 1955 sowie die Fortsetzung (auch mit vielen Korrekturen und Ergänzungen zu den „32 personaggi“) aus dem Jahr 1961 „La Genesi delle Posizioni“. Beide Bände sind in blauem Leinen gebunden und überraschen optisch beim ersten Blick hinein durch den deutlich sichtbaren Schreibmaschinensatz und die ins Manuskript eingestempelten Diagramme. Der Text ist in italienischer Sprache verfasst: Stimmt, hier ist vielleicht derjenige im Vorteil, der in seiner Schulzeit Lateinunterricht genossen hat, aber „zur Not“ helfen auch ein Scanner (etwa im Smartphone) und Übersetzungsprogramm.

Aber worum geht es im heutigen Stück? Allein die gestellte Frage zu beantworten – dafür hat man ja schon den „50:50 Joker“ – ist natürlich zu wenig; mit dieser simplen Forderung will Ceriani selbstverständlich nicht ein „Weiß“ oder „Schwarz“ haben, sondern der folgende, mit „weil“ eingeleitete Teil, ist viel wichtiger!

Beginnen wir wie üblich mit der Schlagbilanz: wBg4 und f3 kommen von e2 und f2, wBg6 von d2, und damit sind alle fünf fehlenden schwarzen Steine erklärt. Bei Schwarz kommt sBe6 offenbar von d7 und einer der beiden Bauern auf der f-Linie von h7, was drei Schläge erklärt – zusätzlich muss Schwarz noch [Bb2] und [Bc2] auf deren Linien geschlagen haben.

Weiterlesen

Bei Weiß und Schwarz

Ich bin kürzlich über eine Beweispartie gestolpert, die ich ziemlich attraktiv fand, weil dort ein klar erkennbares Thema sowohl bei Weiß als auch bei Schwarz dargestellt wird — und das in sehr geringer Zügezahl, sodass es sich anbietet für kleinere Löseaktivitäten zwischendurch.

Dabei wünsche ich euch viel Spaß — und wie immer findet ihr die Lösung in etwa einer Woche hier.

Mark Kirtley & Gianni Donati
Probleemblad 2001
Beweispartie in 7 Zügen (14+12)

 

 

 

Lösung


Hübsche Häufung von Rückkehren — acht thematische Züge von insgesamt nur 14 finde ich bemerkenswert!

Retro der Woche 39/2024

Zu Beginn des Jahrtausends tauchte plötzlich ein junger Stern aus der Schweiz am Beweispartien-Himmel auf, der schon zehn Jahre zuvor als Teenie mit orthodoxen Zwei- und Dreizügern aufgefallen war, dann ein paar Jahre später mit extremen Märchenschach-Aufgaben auf sich aufmerksam machte, und nun rasant mit seinen Beweispartien begeisterte: Reto Aschwanden, der vor einiger Zeit das sehr schnelle und auf quasi allen Rechnerplattformen laufende Prüfprogramm Stelvio für Beweispartien vorgestellt hatte, das er fleißig weiterentwickelt.

Heute will ich seine Debüt-Beweispartie in der Schwalbe in Erinnerung rufen:

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2001
Beweispartie in 19,5 Zügen (15+14)

 

Bei Weiß fehlt ein Springer, bei Schwarz die e- und f-Bauern. Der einzig sichtbare Schlagfall ist b2xXc3. Dort kann keiner der schwarzen Bauern direkt gefallen sein – dafür hätte etwa [Be7] zweimal schlagen müssen, wofür die weißen Schlagopfer fehlen. Also muss sich einer der beiden schwarzen Bauern umgewandelt haben, um dann selbst geschlagen worden zu sein oder einen Original-Offizier zu ersetzen. Der andere Bauer ist dann auf seiner Linie geschlagen worden. Damit haben wir alle Schlagfälle geklärt, denn der Umwandlungsbauer muss ja, um hinter die weiße Bauernkette zu kommen, den weißen Springer geschlagen haben.

Weiterlesen

Retro der Woche 38/2024

Bleiben wir heute doch bei den klassischen Auflöse-Aufgaben – heute ein Stück komplexer als in der letzten Woche, ein klasse Task. Nikolai Beluchow hatte das Stück „prinzipiell“ gebaut und dann an Henrik Juel und Andrej Frolkin geschickt, die jeweils ein paar Korrekturen und Verbesserungen vorschlugen – und schwupps war ein bemerkenswertes Drei-Männer-Werk entstanden, das dann im Schwalbe Jahresturnier sehr hoch ausgezeichnet wurde. Und auch der erste Preisträger des Turniers ist einen zweiten Blick wert.

Nikolai Beluchow, Henrik Juel & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2010, 2. Preis
Letzter Zug? (14+12)

 

Sofort fallen einige Umwandlungssteine auf: Zwei weiße Damen sehen wir auf dem Brett, ebenso zwei weißfeldrige weiße Läufer. Und auch der sLa1 muss durch Umwandlung entstanden sein.

Betrachten wir die Schlagbilanz, stellen wir zunächst fest, dass das nahe liegende sBc4xd3 und sBb3xc2 nicht funktionieren kann, da bei Weiß neben einem Springer auch der schwarzfeldrige Läufer fehlt. Also kommt sBc2 von c7. Also schlug Weiß auf c/d überkreuz und sBd3 kommt von e8. Weiß musste dann nach axb in einen Läufer und schlagfrei auf e8 in eine Dame umwandeln. Damit sind zusammen mit gxf7 alle weißen Schläge verbraucht, sodass [Bh7] nur verschwinden konnte, nachdem dieser sich auf g1 umgewandelt hatte – und damit sind auch alle schwarzen Schläge erklärt.

Weiterlesen