Retro der Woche 25/2025

Bleiben wir noch einmal im Jahr 2015, schauen aber noch einmal in den Beweispartie-Preisbericht der Schwalbe dieses Jahres, der unglaublich stark war. So kam der erste Preis (Retro der Woche 33/2019) mit glatten 12 Punkten ins FIDE Album, den dritten Preis habe ich hier im Retro der Woche 52/2020 vorgestellt.

Heute möchte ich auf den vierten Preis eingehen, der mit seiner weißen Homebase-Stellung erst einmal ganz harmlos daher kommt – aber das wissen wir ja zwischenzeitlich, dass dem nicht unbedingt so sein muss, speziell nicht bei Aufgaben von Silvio Baier.

Silvio Baier
Die Schwalbe 2015, 4. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (11+15)

Bei Weiß fehlen fünf Bauern, bei Schwarz drei Bauern, von denen zwei durch umgewandelte Springer ersetzt sind. Wir sprechen hier sicher über [Ba7] sowie zwei der drei Bauern [Bf7], [Bg7] oder [Bh7]. [Bb7] und [Be7] haben natürlich zu dem schwarzen Klumpen auf der c- und d-Linie geschlagen – aber davon höchstens einen Bauern.

Also müssen wir in der Lösung auch mit weißen Umwandlungen rechnen – das ist aber auch sehr beruhigend, da wir von den 29 weißen Zügen im Diagramm keinen einzigen sehen.

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Retro der Woche 17/2025

20.04.2025: Kleine Textkorrekturen

Für den heutigen Ostersonntag hat Silvio Baier ein schönes Osternest vorbereitet, das ich euch natürlich nicht vorenthalten will: Wo hat er hier wohl die Eier versteckt — was vermutet ihr beim ersten Blick aufs Diagramm, was könnten die Themasteine sein? Viel Spaß beim Suchen!

Silvio Baier
Die Schwalbe 2024 (Version), nach Nicolas Dupont, Reto Aschwanden gewidmet
Beweispartie in 32 Zügen (13+13)

 

Wie üblich schauen wir hier erst einmal nach sichtbaren Schlagfällen: Auf beiden Seiten fehlen drei Bauern; alle Offiziere sind an Bord. Und auf beiden Seiten sehen wir zwei Bauernschläge: Bei Weiß entstand der Doppelbauer auf der d-Linie durch zwei Schläge fxe und exd.– oder Weiß hatte drei Bauernschläge a2xb3xc4xd5?!

Bei Schwarz können wir die beiden sichtbaren Schlagfelder angeben dxe6 und gxf6.

Mit den sichtbaren Schlägen können “kaum” Bauern geschlagen worden sein: Bei der [Ba2]-Alternative kann Weiß den [Bb7] und schwarz auf f6 den [Bf2] geschlagen haben. Dann müsste Schwarz [Ba7] auf a1 sowie [Bh7] auf g1 (den [Bg2] schlagend) umgewandelt haben, Weiß schlagfrei seinen [Bh2]. Vielleicht ist überraschend, dass dieser Ansatz nicht funktioniert, weil Schwarz dafür zu viele Züge benötigt!

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Retro der Woche 14/2025

Ofer Comay baut, da kann man sich drauf verlassen, stets strategisch anspruchsvolle und interessante Aufgaben, und so habe ich mich sehr gefreut, im Rahmen der Bewertung der Einsendungen zum 12. WCCI mit wieder einige Stücke von ihm intensiver anschauen zu können, die ich bisher noch nicht kannte. Eines davon möchte ich euch heute zeigen.

Ofer Comay
Variantim 2023
Beweispartie in 33 Zügen (14+14)

 

Ein recht langes Stück, und sicherlich kein leicht zu lösendes! Schauen wir zunächst einmal nach offensichtlichen Schlagfällen: Da sehen wir auf bei Weiß einen: axb. Und beide fehlenden weißen Steine wurden von Bauern geschlagen, wir sehen dxe6 und gxf. Bei Schwarz fehlt [Ba7] sowie [Lc8], bei Weiß [Bg2] und [Bh2]. Was bedeutet das für unseren weiteren Vorüberlegungen zur Lösung — was passierte vor allen Dingen mit den fehlenden Bauern? Kann vielleicht Schwarz auf der f-Linie den [Bg2] geschlagen haben?

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Wiederholte Pronkins

Update 29.12.24: Kleiner Fehler in der Forderung der 2 korrigiert.

Wenn sich zwei Koryphäen wie Andriy Frolkin und Michel Caillaud zusammentun, um ein Thema zu erforschen, kann man hervorragende Ergebnisse erwarten. Und so auch hier:

Die beiden haben sich mit dem Pronkin-Thema beschäftigt: ein nicht allzu ungewöhnliches Thema — zumindest nicht in Beweispartien. Hier aber haben sie sich auf klassische Auflöse-Aufgaben konzentriert, und dabei auf die Darstellung des Themas so, dass der “Pronkin-Stein” sein Ursprungsfeld mehrfach betritt; dies ist auch in Beweispartien nicht allzu häufig zu sehen.

Auf dem Gebiet der klassischen Retroanalyse ist das Pronkin-Thema noch ziemlich wenig erforscht; irgendwann wurde beiden klar, dass das “intensivierte Pronkin-Thema” neue Horizonte öffnen könnte. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellen sie uns hier vor.

Andriy und Michel herzlichen Dank dafür — und euch allen viel Spaß beim lesen und studieren!

Retro der Woche 49/2024

Nach dem Glückwunsch hier an Thierry Le Gleuher zu seinem Geburtstag am letzten Donnerstag möchte ich euch heute eine meiner Lieblings-Beweispartien überhaupt zeigen – ihr ahnt jetzt den Autor sicher schon?!

Bevor ich mit euch zusammen die Aufgabe genauer anschaue, will ich ausnahmsweise vorab das Thema verraten, das für das Turnier gefordert war: „Unsichtbarer Platzwechsel“. Ratet doch einmal, welche zwei Steine diesen Platzwechsel durchführen?

Thierry Le Gleuher
Lois-60-Geburtstagturnier 2007, 1. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (14+15)

 

Bei Weiß fehlen die beiden Zentralbauern, bei Schwarz die Dame. Die Bauernstellung verrät recht wenig – sie sagt uns nur, dass auf c6 keiner der beiden fehlenden weißen Bauern geschlagen werden konnte: Wenn, könnte es sowieso nur [Bd2] gewesen sein, der hätte dxD auf der c-Linie spielen müssen. Aber da stand [Bd7] noch zu Hause, also konnte die Dame sich noch nicht „draußen“ opfern. Also muss mindestens ein weißer Bauer umgewandelt haben, um das Schlagopfer auf c6 zu ersetzen – das Phoenix-Thema haben wir also schon erkannt.

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Retro der Woche 48/2024

In der letzten Woche haben wir einen Blick zurück auf die Schwalbe geworfen, haben wir uns eine Aufgabe angeschaut, die dort vor 100 Jahren nachgedruckt wurde. Heute will ich euch eine Aufgabe zeigen, die in der Schwalbe vor 30 Jahren erschienen ist, die dort eine hohe Auszeichnung erhalten hat in einer Zeit, als die eindeutigen Beweispartien zu ihrem Siegeszug durch die Retrowelt angetreten hatten.

Moderne Thematik in schon sehr ausgeklügelter Form, als noch nicht daran zu denken war, so etwas per Computer auf Korrektheit zu prüfen.

Unto Heinonen
Die Schwalbe 1994 2. Preis
Beweispartie in 31,5 Zügen (14+14)

 

Schon beim ersten Hinschauen aufs Diagramm stellen wir fest, dass beide Seiten weit davon entfernt sind, mehr als 30 offensichtliche Züge gemacht zu haben. Also haben wir schnell die Vermutung, dass wir es hier mit Umwandlungen zu tun haben könnten?

Dieser Verdacht wird noch gestärkt, wenn wir sehen, dass beiden Parteien exakt zwei Bauern fehlen und sonst nichts. Zwei Umwandlungen könnten natürlich für eine Menge zusätzlicher, nicht direkt sichtbarer Züge sorgen.

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Retro der Woche 29/2024

Sonntag, 14. Juli – französischer Nationalfeiertag UND Nicolas Dupont hat heute Geburtstag: Genz herzlichen Glückwunsch – und natürlich ein hervorragender Anlass, von Nicolas eine Aufgabe vorzuführen.

Wir alle kennen und schätzen ihn als einen der wichtigsten und besten „Proofgame of the Future“ Komponisten; vielleicht weniger bekannt ist, dass er gelegentlich gern und höchst erfolgreich auch Märchen-Beweispartien komponiert.

Eine davon habe ich für heute ausgesucht, sie nutzt die Bedingung „Immunschach“, die recht leicht zu erklären ist:

Ein Stein (auch Könige) kann nur geschlagen oder bedroht werden, wenn dessen Circe-Wiedergeburtsfeld frei ist, sobald der Schlagtäter sein Zielfeld erreicht hat. Ansonsten ist der Stein “immun”.
So steht es im Märchenschach-Lexikon der Schwalbe.

(Hinweis Wenn ihr Immunschach-Probleme mit Popeye oder Jacobi testen wolltt, nutzt die Bedingung RexInclusive, weil dort im Gegensatz zur Definition prinzipiell “Rex exclusive” gilt.)

Nun wollen wir uns anschauen, was Nicolas mit dieser Bedingung zaubert.

Nicolas Dupont
Weihnachtsturnier 2009, Retros 2. Preis
Beweispartie in 21 Zügen, Immunschach (15+12)

 

Beim Immunschach bleibt die Analyse der Schlagbilanzen „orthodox“; wir sehen also, dass [Ba7], [Bg7] und [Bh7] nicht von weißen Bauern geschlagen worden sein können. Zusätzlich ist noch [Be7] verschwunden, und damit sind alle fehlenden schwarzen Steine identifiziert. Bei Weiß hingegen fehlt ein Bauer, nämlich der [Bf2] oder [Bg2].

Nun zählen wir noch rasch die sichtbaren weißen Züge (bei Schwarz ist nicht viel zu zählen, was aber auch nicht so verwundert, da ja auf schwarzer Seite Umwandlungen geschehen sein müssen).
Da kommen wir auf 1+1+3+4+3+8=20 Züge – nur einer ist also noch frei.

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Retro der Woche 28/2024

Vor zwei Wochen hatte ich euch hier den zweiten Preis aus dem allerersten Israel-Ring-Turnier für Beweispartien der Jahrgänge 2022 und 2023 vorgestellt, der im Heft 92 (April 2024) von Variantim veröffentlicht wurde. Nun möchte ich fortfahren mit dem dritten Preisträger; dieses Stück ist gleichzeitig das bestplatzierte orthodoxe.

Silvio Baier
Variantim 2022-2023, 3. Preis im IRT
Beweispartie in 29 Zügen (14+14)

 

Bei Silvio können wir ja von moderner und gleichzeitig origineller „Proofgame of the Future“ ausgehen: Also zwei Themen, die „irgendwie“ miteinander verknüpft und jeweils doppelt gesetzt sind. Der Begriff – siehe dazu das immer noch äußerst lesenswerte Sonderheft der SchwalbeFuture Proof Games – A challenging new concept“ von Silvio Baier, Nicolas Dupont und Roberto Osorio – ist abgeleitet von Chris. Feather’s „Helpmate of the Future“, der entsprechend für Hilfsmatts definiert ist.

Übrigens weckten die drei Autoren mit dem Untertitel Part one: Classical FPGs die Hoffnung auf einen märchenhaften zweiten Teil, die aber bisher (noch?) nicht erfüllt ist.

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