Zdravko Maslar (26.10.1932 – 24.04.2022)

Heute Morgen habe ich erfahren, dass Zdravko Maslar am Sonntag nach kurzer Krankheit in Belgrad verstorben ist. Mein tiefes Mitgefühl gilt Sohn Milan mit Familie.

Über „Pile“, wie er für alle Freunde hieß (nach seinem serbischen Geburtsort Pilatovići) muss ich sicher nicht viel Allgemeines schreiben: Viele kennen ihn als großartigen Gastgeber der Andernacher Märchenschachtage, die er 1975 zusammen mit Peter Kniest aus der Taufe gehoben und bis zur Schließung seines Balkan-Pik in Andernach so wunderbar wie ein Familien- und Freundetreffen organisiert hatte. Ich selbst kann mich noch sehr gut an meinen ersten Andernach-Besuch vor 40 Jahren (!) erinnern; für mich waren die Tage in Andernach bei Pile mit seinen/meinen Freunden immer wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen.

Darüber hinaus war Pile ein begnadeter Komponist, der großartige Hilfsmatts und Serienzüger, das waren seine wichtigsten Kompositionsgebiete, speziell mit Häufungs- und Rekordthemen gebaut hat. Immer wieder faszinierend, wie er solchen Aufgaben in bemerkenswert eleganter Form aufs Brett zaubern konnte – wodurch man leicht übersehen konnte, dass solche Aufgaben häufig monate- oder jahrelange Arbeit bereitet haben.

In Atelier 64 (EDITIONS FEE=NIX) hat er im Jahr 2016 seine 180 eigenen Lieblingsaufgaben veröffentlicht – „Ausgewählte Schachaufgaben, kommentiert von meinen Freunden“. Hieraus möchte ich – über den Zaun blickend – zur Erinnerung an Pile eine der Aufgaben zitieren, die ich für das Buch kommentieren durfte.

Viel Freude beim Lösen im Gedenken an einen großen Problemisten und Freund!

Zdravko Maslar
Die Schwalbe 2005
h#4 – b) +wSf1>g3 (2+8)

 

 

Die Lösung kommt hier wie immer in etwa einer Woche.

Lösung

a) 1.Lh3 Sxe3 2.Kh2 Sf5 3.Th1 Sg3 4.Lg1 Sf1#
b) 1.e2! Sxe2+ 2.Kf1 Sf4 3.Lg1 Sh5 4.Tf2 Sg3#

Das habe ich in Atelier 64 so kommentiert:
“Heutzutage sind wir verwöhnt und kritisch: Ein Rundlauf muss schlagfrei erfolgen! Aber auch dort darf man natürlich nicht dogmatisch sein, wie dieses hübsche Stück zeigt, denn hier ist der Schlag thematisch!
Der Bauer auf e3 stört den Weg des schwarzen Läufers und muss daher verschwinden. In a) erfolgt dies traditionell durch direktes Wegschlagen; in b) aber funktioniert das nicht, also muss er selbst ziehen. Dabei aber verstellt er seinen eigenen Turm und muss deshalb auch verschwinden! Dies verbindet dann auch die beiden Teile – neben der thematisch hervorragend passenden Zwillingsbildung durch Versetzen des Rundläufers gerade in Springerdistanz – zu einem ungewöhnlichen, hoch originellen Stück.”

Retro der Woche 17/2022

In der letzten Woche hatte ich bereits angekündigt, hier die beiden anderen ersten Preise der insgesamt drei Gruppen des Schwalbe 2020 Retro-Informalturniers vorstellen zu wollen. Heute ist der Sieger des Beweispartien-Wettbewerbs an der Reihe; allein schon die beiden Autorennamen versprechen eine inhaltsschwere Aufgabe.

Reto Aschwanden & Michel Caillaud
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
Beweispartie in 29,5 Zügen (14+14)

 

Beim Blick aufs Diagramm entdeckt man schnell zwei weißfeldrige schwarze Läufer. Dieser erklärt den fehlenden schwarzen Bauern, der sich umgewandelt haben muss. Das kann nur der [Bg7] gewesen sein, der auf seinem Weg auf ein weißes Umwandlungsfeld einmal geschlagen haben muss.

Und sein Schlagopfer muss [Bh2] gewesen sein: Der kann wegen der Schlagbilanz nicht auf f6 geschlagen worden sein, und damit sind schon die beiden schwarzen Schläge erklärt. Bei Weiß muss dann auch noch der [Bb2] verschwinden. Direkt kann er nicht geschlagen worden sein, also muss er sich umgewandelt haben, um sich dann auf f6 zu opfern oder das weiße f6-Opfer zu ersetzen.

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Retro der Woche 16/2022

Preisrichter Paul Rãican hat seinen Bericht für den Schwalbe-Jahrgang 2020 dreigeteilt: Rückzüger, Beweispartien und andere Retros. In dieser und den folgenden zwei Folgen möchte ich die drei ersten Preise vorstellen – und bei den Rückzügern gibt es sofort eine Überraschung: sicher erwartet man gerade in der Schwalbe hier ein Anticirce-Proca. Aber weit gefehlt, Paul setzte eine „Pacific-Seeschlange“ an die Spitze, also einen Verteidigungsrückzüger (gelegentlich auch “friedlich” genannt), bei dem im Rückspiel nicht entschlagen werden darf.

Dieser Typ gilt meist als nicht besonders attraktiv, weil gerade die Entschlag-Würze fehlt, hier aber sehen wir komplexe und interessante Manöver, die den Lösern, die sich damit beschäftigt hatten, und offenbar auch dem Richter sehr gut gefallen hatten.

Vlaicu Crişan & Bojan Basić
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
-111 & s#1, Pacific Retractor (9+8)

 

(Im Preisbericht in der Schwalbe hat sich leider ein Tippfehler eingeschlichen: Dort ist fälschlich „#1“ in der Forderung notiert!)

Paul schrieb dazu: „Eine großartige Idee: In einem Pacific-Retraktor muss Schwarz nach 50 Zügen einen Bauernzug zurücknehmen, um die 50-Züge-Regel zu umgehen. Die Schlussposition für das s#1 ist sehr sorgfältig vorbereitet und macht die weißen Retrozüge der Offiziere (keine königlichen) eindeutig. Das verdient die Aufnahme ins FIDE-Album.“

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Über den Zaun

In dieser Woche ist die April-Ausgabe der Schwalbe erschienen. Der redaktionelle Teil besteht dieses Mal überwiegend aus (höchst interessanten) Preisberichten; auf den für das 2020er Retro-Turnier werde ich hier natürlich noch zurückkommen.

Heute möchte ich allerdings mit euch einen „Blick über den Zaun“ werfen und den 1. Preis des Hilfsmatt-Turniers von 2019 für Mehrzüger vorstellen: Der begeistert mich auch deswegen so sehr, weil er ein Thema, das wir eher aus Beweispartien kennen, höchst überzeugend ins Hilfsmatt überträgt, gleich doppelt setzt.

Jakob Leck & Oliver Sick (nach einer Idee von Daniel Papack)
Die Schwalbe 2019, 1. Preis
h#6 (2+12)

 

 
Das lohnt wirklich zu lösen; ich bin mir sicher, ihr werdet ähnlich begeistert sein wie ich. Natürlich folgt in einer Woche hier wieder die Lösung.

Lösung

1.Th1 Lxh1 2.c1=T! Le4 3.Ld3 Kxd3 4.b1=L+! Kd2 5.Sc4+ Kxc1 6.Ta3 Lxb1#.

Doppelter Schnoebelen auf den Diagrammfeldern der entsprechenden Originalsteine. Höchst originell, höchst paradox. Für mich ein klarer Album-Kandidat mit zweistelliger Punktzahl – ich bin jedenfalls begeistert wie lange nicht mehr von einem Hilfsmatt!

Retro der Woche 15/2022

Nachdem wir in der letzten Woche den ersten Preis der (sonstigen) Retros im 2020er Jahrgang von StrateGems angeschaut hatten, möchte ich nun zu den Beweispartien dieses Jahrgangs springen. Preisrichter Ryan McCracken äußert in seinen Vorbemerkungen die Befürchtung, dass aus den orthodoxen Beweispartien alles an Saft herausgepresst sei, was noch möglich ist – dennoch konnte er ein orthodoxes Stück mit dem zweiten Preis auszeichnen.

Satoshi Hashimoto
StrateGems 2020, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (13+15)

 

Bei Schwarz sind die sichtbaren Züge schnell gezählt: das sind exakt fünf Bauernzüge. Hinzu kommen noch zwei Züge des einzig fehlenden schwarzen Steins, des [Lf8]. Der muss wegen des weißen Doppelbauern auf der e-Linie auf e3 geschlagen worden sein. Es bleiben also noch zwölf(!) freie schwarze Züge!

Bei Weiß kommen wir mit dem Zählen schon ein Stück weiter: 0+2+4+3+3+5=17 mit also noch zwei freien weißen Zügen.

Betrachten wir nun die Schlagfälle:

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Valerian Onitiu 8.4.1872-31.12.1948

Heute möchte ich an den 150. Geburtstag von Valerian Onitiu (8.4.1872-31.12.1948) erinnern. Geboren in Sfantul Gheorghe (St. Georg) besuchte er die Schule in Szeged und studierte an der Universität in Budapest; er schlug dann die Laufbahn eines Hochschullehrers der Mathematik ein.

1894 veröffentlichte er sein erstes Schachproblem; er war auf quasi allen Gebieten des Problemschachs bewandert; speziell für seine Mehrzüger und Selbstmatts, dann auch Hilfsmatts wurde er bekannt. Zeitlebens hat er sich auch mit Retros beschäftigt; einige seiner Stücke sind in Retrograde Analysis von Dawson und Hundsdorfer (1915) zitiert. Dabei hat er sich schon früh auf das, was wir heute „klassische Retroanalyse“ nennen – also Aufgaben mit reinen Retroforderungen ohne künstliche Verbrämung in direkten Mattaufgaben – konzentriert und auch Märchenelemente (Zylinderschach) untersucht, was dann später Luigi Ceriani wieder aufgegriffen hat.

Das Stück, das ich hier vorstellen möchte, ist „für zwischendurch“ schon recht komplex (es schaffte es ins FIDE-Album), aber der Rücknahme- und auch der Mattzug sind nicht so schrecklich fernliegend, und anschließend ist die Auflösung bis zur Öffnung des Käfigs im Osten auch klar begründet: Schwarz darf natürlich nicht retropatt werden!

Valerian Onitiu
Die Schwalbe 1933, 1. Preis
Weiß nimmt seinen letzten Zug zurück, dann #1 (15+10)

 

 

Natürlich solltet ihr die Auflösung der Stellung finden – Viel Freude an der Aufgabe! Und wie immer: Die Lösung kommt hier in etwa einer Woche.

Lösung

R 1.0-0-0 – damit ist sTf2 fixiert und g7-g5 steht als letzter schwarzer Zug fest; Matt also durch 1.hxg6ep#.
Die weitere Auflösung: R 1.0-0-0 g7-g5 2.Le4-h7 g5-g4 3.Lc6xBe4 e5-e4 4.La4-c6 e6-e5 5.Ld1xBa4 a6-a5 6.Le2-d1 a7-a6 7.Lf1-e2 Kg4-h4 8.e2xD/Sf3+ etc.

Retro der Woche 14/2022

Noch liegt das StrateGems Heft April – Juni 2022 nicht in meinem Briefkasten, dennoch kann ich bereits vom dort veröffentlichten Retro-Preisbericht 2020 (Richter Kostas Prentos) berichten: Hans Gruber hat bereits den Turnierbericht für feenschach geschrieben, sodass ich daraus unsere heutige Aufgabe entnehmen kann.

Andrej Frolkin & Sergej I. Tkatschenko
StrateGems 2020, 1. Preis
Füge je 1 s+w Läufer auf den Feldern h1 und h5 ein. Wo wurden die fehlenden Steine geschlagen? (13+10)

 

Beginnen wir mit der Schlagbilanz: Offenbar wurde [Lc1] zu Hause geschlagen, der zweite Läufer wird auf der h-Linie eingesetzt; somit wurde der nun noch fehlende Stein mit hxg6 geschlagen.

Daher haben die weißen Bauern [Be2] und [Bf2] überkreuz geschlagen: fxe4 und exf6. Die fehlenden Bauern [Bb7], [Bc7] und [Bd7] wurden auf ihrer Linie geschlagen; für sie bleibt ja kein mögliches Schlagopfer. Zusammen mit dem noch einzusetzenden Läufer sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt. Und wegen der Felderfarben sehen wir auch, dass auf f6 ein Läufer und auf e4 entsprechend ein Springer geschlagen wurden.

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