Retro der Woche 29/2022

In der letzten Woche ist mir ein böses Übersehen passiert: Ich hatte den 60. Geburtstag von Nicolas Dupont komplett übersehen, so hier keinen Glückwunsch platziert. Und das auch noch am 14. Juli, am französischen Nationalfeiertag!

Meine herzlichen Glückwünsche auch im Namen der Leser hier hole ich natürlich gern nach. Und selbstverständlich habe ich dann für das heutige Retro der Woche ein Stück von Nicolas herausgesucht — ein ziemlich frühes — es ist nun 20 Jahre alt — und wie wir sehen werden, ein für ihn ziemlich untypisches.

Nicolas Dupont
StrateGems 2002
Beweispartie in 27 Zügen (16+12)

 

Meist kennen wir von Nicolas auch hier in dieser Rubrik längere Beweispartien, die häufig zu den proof Games of the Future gehören, wo also mindestens zwei Themen mindestens doppelt gesetzt sind. Bei Nicolas sind das sehr häufig die verschiedensten Umwandlungsthemen. Über die Suchfunktion hier im Blog könnt ihr leicht solche Beispiele von ihn finden.

In diesem Sinne ist, das sieht man schon beim Blick auf das Diagramm, unser heutiges Beispiel unthematisch: Es fehlt nur ein einziger schwarzer Bauer, nämlich [Bg7] — und der kann sich nicht umgewandelt haben! Warum nicht?

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Retro der Woche 18/2022

Wie versprochen folgt heute der dritte Streich – das Siegerstück der „anderen Retros“ aus dem Schwalbe-Informalturnier 2020. Das ist ein klassisches Retro im besten Sinne. Harry Goldsteen (26.7.1939-5.6.2021) hatte lange Zeit nichts veröffentlicht, dann aber zu meiner großen Freude den Weg zurück zum Komponieren gefunden, im Wesentlichen in der Schwalbe.

Harry Goldsteen
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
Matt? (13+13)

 

Die Frage lässt sich natürlich trivial mit „ja“ zu beantworten – wenn denn die Stellung legal ist. Man könnte also auch „Legal?“ als Frage unter das Diagramm schreiben. Die Legalität lässt sich natürlich nur durch Rückspielen im Endeffekt bis zur Partieanfangsstellung beweisen – so könnte man auch einfach „Löse auf!“ fordern, allerdings würde das ja schon Legalität der Stellung implizieren.

Schauen wir zunächst nach der Schlagbilanz: Weiß schlug offensichtlich axb und hxg, zusätzlich im Schachgebot in der Diagrammstellung – das erklärt die drei fehlenden schwarzen Steine.

Bei Schwarz sieht man einen Doppelbauern auf der g-Linie, ferner müssen [Bb7] und [Bc7] überkreuz geschlagen haben, um ihre weißen Kollegen durchzulassen.

Leicht zu sehen ist, dass bei Weiß die beiden Springer und die Dame fehlen, bei Schwarz [Lf8] sowie [Ba7] und [Bh7] – damit kommt sBg2 von f7 – warum geht es nicht anders herum? Die beiden fehlenden Bauern konnten nicht direkt geschlagen werden, mussten sich also (schlagfrei) umwandeln.

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Retro der Woche 16/2022

Preisrichter Paul Rãican hat seinen Bericht für den Schwalbe-Jahrgang 2020 dreigeteilt: Rückzüger, Beweispartien und andere Retros. In dieser und den folgenden zwei Folgen möchte ich die drei ersten Preise vorstellen – und bei den Rückzügern gibt es sofort eine Überraschung: sicher erwartet man gerade in der Schwalbe hier ein Anticirce-Proca. Aber weit gefehlt, Paul setzte eine „Pacific-Seeschlange“ an die Spitze, also einen Verteidigungsrückzüger (gelegentlich auch “friedlich” genannt), bei dem im Rückspiel nicht entschlagen werden darf.

Dieser Typ gilt meist als nicht besonders attraktiv, weil gerade die Entschlag-Würze fehlt, hier aber sehen wir komplexe und interessante Manöver, die den Lösern, die sich damit beschäftigt hatten, und offenbar auch dem Richter sehr gut gefallen hatten.

Vlaicu Crişan & Bojan Basić
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
-111 & s#1, Pacific Retractor (9+8)

 

(Im Preisbericht in der Schwalbe hat sich leider ein Tippfehler eingeschlichen: Dort ist fälschlich „#1“ in der Forderung notiert!)

Paul schrieb dazu: „Eine großartige Idee: In einem Pacific-Retraktor muss Schwarz nach 50 Zügen einen Bauernzug zurücknehmen, um die 50-Züge-Regel zu umgehen. Die Schlussposition für das s#1 ist sehr sorgfältig vorbereitet und macht die weißen Retrozüge der Offiziere (keine königlichen) eindeutig. Das verdient die Aufnahme ins FIDE-Album.“

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Retro der Woche 43/2021

In der letzten Woche hatte ich hier den ersten Preis der Beweispartie-Gruppe im Schwalbe-Informalturnier 2019 vorgestellt, heute geht es um das Pendant aus der Gruppe B „Rückzügr und andere klassische Retroprobleme“. Nein, keine Panik ob der sehr märchenhaften Forderungen, der Preisrichter Thomas Kolkmeyer beruhigt uns schon mit seiner Vorbemerkung zu dieser Aufgabe: „Hier stimmt einfach alles: Das Problem reizt zum Lösen, es ist überschaubar und ganz logisch.“

Andreas Thoma
Die Schwalbe 2019, 1. Preis Gruppe B
#1 vor 28 Zügen VRZ Høeg, Anticirce Cheylan (7+9)

 

Ich lade euch also herzlich ein, das zu erkunden. Aber erst noch einmal zur Forderung: Im Verteidigungsrückzüger (VRZ) hat Weiß das Ziel, nach der abwechselnden Rücknahme der angegebenen Züge (hier also 28 weiße und, da Weiß beginnt, 27 schwarze) die Vorwärtsforderung (hier also #1) zu erfüllen; Schwarz versucht, das abzuwehren. Beim Typ Høeg bestimmt die Gegenseite jeweils, ob und welcher Steih geschlagen wurde — natürlich alles im Rahmen der Legalität. Im Anticirce wird der schlagende Stein auf seinem entsprechenden Feld der Partieausgangsstellung wiedergeboren, das frei sein muss, damit ein Schlag möglich ist. Im Typ Cheylan darf nicht auf das eigene Partieausgangsfeld geschlagen werden, das wird als „besetzt“ angesehen.

Anhand des Kommentars, der Beschreibung von Preisrichter Thomas Kolkmeyer kann man, glaube ich, recht gut der Lösung folgen; ein wenig mit Verteidigungsrückzügern vertraute können danach sicher selbst Löseversuche unternehmen, die anderen sollten sie vielleicht zwei- oder dreimal nachspielen, um dann auch die Feinheiten der Lösung zu entdecken.

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Retro der Woche 38/2020

Im Verteidigungsrückzüger ist die Verwendung von Pendelmanövern im Zusammenhang mit der „Zugwiederholungs-Regel“ sehr beliebt: Schwarz sucht sich durch einen guten Zug zu verteidigen, Weiß erzwingt dagegen Zug- und somit Stellungswiederholungen, denen dann Schwarz ausweichen muss, um die Stellung legal zu halten: In Retros gilt die Stellungswiederholungsregel automatisch, d.h. nach Erreichen einer Stellung zum dritten Male wäre die Partie automatisch remis: Deswegen kann sie im Rückwärtsspiel nicht legal auftreten, da dann ja aus einer bereits beendeten Partie weiter gespielt würde.

Auf eine raffinierte Idee verfällt Schwarz beim heutigen Beispiel; die Kommentare sind überwiegend dem Preisbericht (Richter-Trio: Brand/Gruber/Ring) aus feenschach Nr. 204 entnommen.

Günther Weeth
feenschach 2012, W. Keym zum 70. Geburtstag, 2. Preis
-12, dann #1, VRZ Proca (9+12)

 

 

 

Mit dem Schüssel verbessert Weiß die Schlagbilanz zu seinen Gunsten.

R 1.g4xBf5! Zz. führt zu folgender Retroanalyse: Die schwarzen Bauern schlugen 7x, davon 4x auf weißen Feldern (d7xc6, f7xe6xd5xc4). Die weißen Bauern schlugen 2x (cxd, fxe). Es ist nur noch ein schwarzes Schlagobjekt frei. Schwarz darf nicht g7-g6 zurücknehmen, da dann [Lf8] als Schlagobjekt entfiele und mit h7xg6xf5 zwei weitere Schläge durch Schwarz auf weißen Feldern hinzukämen. [Bb2] konnte nicht schlagen, konnte also nur unumgewandelt auf b6 geschlagen werden. Da auch [Lc1] nur auf b6, dem einzigen schwarzen Schlagfeld von Schwarz, ge-schlagen werden konnte, ergäbe sich ein Widerspruch.

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Pendel-Rekorde

Klaus Wenda hat mich heute auf einen Blog-Beitrag von Vlaicu Crişan aufmerksam gemacht; diesen Hinweis möchte ich euch nicht vorenthalten.

Vlaicu beschäftigt sich darin mit Verteidigungsrückzügern, die gleich fünf Pendelmanöver zeigen — das ist der aktuelle Rekord. Die erste und bisher einzige orthodoxe Darstellung gelang Michel Caillaud 2014; aus dem letzten Jahr stammen zwei Anticirce-Beispiele von Andreas Thoma sowie von Vlaicu Crişan selbst.

Das sind natürlich drei hervorragende und anspruchsvolle Aufgaben; die solltet ihr in aller Ruhe genießen! Und vielleicht bekommt ihr ja Ideen dabei, eine weitere Fünffach-Setzung darzustellen — oder gar den Rekord zu verbessern? Die Aufgabe hätte ich dann gern für Die Schwalbe! 🙂

Viel Spaß und Erfolg!

Retro der Woche 04/2020

Heute feiert der Bulgare Nikolai Beluchow einen runden Geburtstag. Ende des Jahres 2009 tauchte er plötzlich mit ausgefeilten Urdrucken in Phénix, Probleemblad und der Schwalbe auf –und im Laufe des Jahres 2012 verschwand er schon wieder von der aktiven Komponistenbühne. Dies hatte, wie er mir damals schrieb, mit seinem Mathematikstudium und Beruf zu tun -– als er seine ersten Urdrucke verschickte, war er gerade 19 Jahre alt; heute feiert er seinen 30. Geburtstag – ganz herzlichen Glückwunsch dazu!

Und wenn ich mir etwas zu seinem Geburtstag wünschen darf, dann ist es, dass er Zeit und Muße findet, sich bald wieder ans Konstruktionsbrett zu setzen!

Mit der Aufgabe, die für heute herausgesucht habe, belegte er den zweiten Platz im 1. FIDE World Cup 2010 — ein bemerkenswertes Resultat für einen frischgebackenen Twen! Welch Riesentalent Nikolai ist, zeigt sich allein schon daran, dass er mit 15 Retros im FIDE-Album 2010-2012 vertreten ist, dafür wurde er 2014 zum FIDE-Meister für Schachkompositionen ernannt.

Nikolai Beluchow
FIDE World Cup 2000, 2. Preis
Letzte 30 Einzelzüge? (11+14)

 

Im Diagramm sieht man direkt zwei Schlagfälle schwarzer Bauern auf die f-Linie. Damit die schwarzen und weißen Bauern auf dem Damenflügel aneinander vorbeikommen, sind vier weitere Schläge erforderlich. Die können nicht alle von Schwarz ausgeführt sein, da bei Weiß nur fünf Steine fehlen. Also ist die Aufteilung dort „2:2“, und es bleibt noch ein schwarzer Schlagfall offen.

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Retro der Woche 03/2020

Bleiben wir noch etwas im Jahr 2000: Um 2007–2008 herum hatten Hans Gruber, Ulrich Ring und ich uns vorgenommen, verschiedene noch ausstehende Preisberichte, für die der vorgesehene Richter nicht mehr zur Verfügung stand, gemeinsam zu richten; das war für verschiedene Zeitungen und in verschiedenen Abteilungen: Riesenspaß hat das gemacht!

Den ersten Preis bei der Schwalbe aus dem Jahr 2000 möchte ich euch heute vorstellen -– und es mir damit recht leicht machen: Ich zitiere hier ziemlich unverändert unseren Kommentar aus dem Preisbericht (Die Schwalbe 233, Oktober 2008, S. 578—582). Dabei wird natürlich schon das Thema beschrieben, wird auch auf die Strategie eingegangen. Wer also selbst lösen möchte, sollte nicht sofort auf „Weiterlesen“ klicken…

Satoshi Hashimoto
Die Schwalbe 2000, 1. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (15+14)

 

 

 

 

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