Retro der Woche 38/2020

Im Verteidigungsrückzüger ist die Verwendung von Pendelmanövern im Zusammenhang mit der „Zugwiederholungs-Regel“ sehr beliebt: Schwarz sucht sich durch einen guten Zug zu verteidigen, Weiß erzwingt dagegen Zug- und somit Stellungswiederholungen, denen dann Schwarz ausweichen muss, um die Stellung legal zu halten: In Retros gilt die Stellungswiederholungsregel automatisch, d.h. nach Erreichen einer Stellung zum dritten Male wäre die Partie automatisch remis: Deswegen kann sie im Rückwärtsspiel nicht legal auftreten, da dann ja aus einer bereits beendeten Partie weiter gespielt würde.

Auf eine raffinierte Idee verfällt Schwarz beim heutigen Beispiel; die Kommentare sind überwiegend dem Preisbericht (Richter-Trio: Brand/Gruber/Ring) aus feenschach Nr. 204 entnommen.

Günther Weeth
feenschach 2012, W. Keym zum 70. Geburtstag, 2. Preis
-12, dann #1, VRZ Proca (9+12)

 

 

 

Mit dem Schüssel verbessert Weiß die Schlagbilanz zu seinen Gunsten.

R 1.g4xBf5! Zz. führt zu folgender Retroanalyse: Die schwarzen Bauern schlugen 7x, davon 4x auf weißen Feldern (d7xc6, f7xe6xd5xc4). Die weißen Bauern schlugen 2x (cxd, fxe). Es ist nur noch ein schwarzes Schlagobjekt frei. Schwarz darf nicht g7-g6 zurücknehmen, da dann [Lf8] als Schlagobjekt entfiele und mit h7xg6xf5 zwei weitere Schläge durch Schwarz auf weißen Feldern hinzukämen. [Bb2] konnte nicht schlagen, konnte also nur unumgewandelt auf b6 geschlagen werden. Da auch [Lc1] nur auf b6, dem einzigen schwarzen Schlagfeld von Schwarz, ge-schlagen werden konnte, ergäbe sich ein Widerspruch.

Schwarz kann also nur mit dem La4 bzw. gegebenenfalls mit dem Tc7 pendeln sowie f6-f5 und (später) g7xf6 zurücknehmen. Letzteres versucht er zu vermeiden, denn Weiß strebt genau dies an, um eine Mattfigur zu gewinnen. Schwarz muss mit der Stellungswiederholungsregel zweimal zum Abbruch von Pendelzügen gezwungen werden.

Wer dies nun selbst herausbekommen möchte, sollte das tun und dabei besonders auf die Feinheit des 2. weißen Zuges achten, der eine raffinierte Verteidigungsidee des Schwarzen schon vorab entkräftet.

Lösung


1.– Lb5-a4 2.Sd2-b3! La4-b5 (kritische Stellung zum ersten Mal) 3.Kd7-d8+ Tc8-c7+ 4.Kd8-d7 Tc7- c8+ (zweites Mal) 5.Sb3-d2 Lb5-a4 6.Sd2-b3 f6-f5 (6.– La4-b5? wäre illegal, da es die kritische Stellung zum dritten Mal herbeiführte; stünde jetzt der wS nicht auf d2, könnte Schwarz Tatsachen im Retrospiel schaffen, indem er gerade 6.– La4-b5!! zöge und sich darauf beriefe, es könne zuletzt d2-d4 erfolgt sein, weswegen er hier das Recht zum en-passant-Schlag habe und es sich daher nicht um dieselbe Stellung mit denselben Zugmöglichkeiten wie zweimal zuvor handle. Weiß wäre sogar gezungen, d2-d4 zurücknehmen!) 7.e4-e5 (macht vorsorglich dem später zu entschlagenden Läufer den Weg frei und startet neuerlich ein Pendelmanöver, dessen kritische Stellung zum ersten Mal vorliegt) 7.– La4-b5 8.Kd7-d8 Tc8-c7+ 9.Kd8-d7 Tc7-c8+ (zweites Mal) 10.Sb3-d2 Lb5-a4 11.Sd2-b3 g7xLf6 (erzwungen; es kann nur ein Läufer entschlagen werden) 12.Le5-f6 (entschlaglos) & v: 1.Lxc7#.

Äußerste Raffinesse – ein vergleichbarer Versuch, die Rechte und Pflichten, die aus der Stellungswiederholungsregel resultieren, durch Manipulation des möglichen en-passant-Schlages für die eigenen Zwecke zurechtzubiegen, wurde bisher nur (von Günther Weeth selbst) im Märchen-Proca gestartet. Dies ist eine bemerkenswerte Erweiterung und Vertiefung der mittlerweile in zahlreichen Procas erprobten Pendelstrategie. Der harte – hoffentlich letztendlich erfolgreiche – Kampf um die Korrektheit (Dank an den hartnäckigen Prüfer Mario Richter!) zeugt von der Schwierigkeit des Terrains.

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