Retro der Woche 09/2023

Die Karnevalszeit ist vorbei, die Schachfiguren haben den Alkohol auch wieder ausgedünstet (Retro der Woche 08/2023) — verblüffen uns aber vielleicht auch heute mit ihren Spaziergängen übers Brett. Und das sind sehr gut überlegte und nüchterne Wege, die sie Michel in der heutigen Aufgabe gehen lässt.

Michel Caillaud
10. WCCT 2016-2017, 3.-5. Platz
Beweispartie in 19,5 Zügen (13+13)

 

Das Zählen im Diagramm sichtbarer Züge ist bei Weiß sehr schnell erledigt, und auch das Ergebnis des Zählens bei Schwarz ist ernüchternd: 4+0+3+1+2+3=13: Deutlich mehr als bei Weiß, aber immer noch sind sechs Züge frei. aber zum Glück fehlen ja ein paar Steine, und mit deren Hilfe lassen sich vielleicht noch ein paar Schlussfolgerungen ziehen?!

Bei Schwarz fehlen neben einem Bauern vom Königsflügel noch [Dd8] und [Lf8]. Um nun die beiden weißen Doppelbauern (kommt Bg3 wohl von f2 oder von h2?) zu erzeugen, müssen sich entweder die beiden fehlenden Offiziere dort geopfert haben — dann sind nur noch zwei Züge frei — oder ein Offizier auf c3 und [Bg7] auf g3, dann bleibt nur noch ein weißer Zug frei.

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Retro der Woche 22/2021

„Du kriegst die Motten!“ begann Hans Gruber als Löser seinen Kommentar zu dieser Aufgabe: Das deutet schon darauf hin, dass wir hier etwas Besonderes erleben. Und damit sind nicht etwa die sieben Türme im Diagramm gemeint …

Nicolas Dupont
Die Schwalbe 2017, Jorge Lois gewidmet, 1. Preis
Beweispartie in 26 Zügen (15+14)

 

Schauen wir zunächst, was fehlt: Bei Weiß haben sich zwei Bauern in Türme umgewandelt, ein dritter Bauer ([Bb2]?) fehlt. Dann nämlich könnten [Bc2] und [Bf2] schlagfrei umgewandelt haben. Dazu müssen irgendwie [Bf7] und vor allen Dingen [Lf8] – der zu Hause – geschlagen worden sein.

Bei Schwarz scheint (außer der Umwandlung eines Bauern in einen Turm) nicht viel passiert zu sein – zumindest ist kaum etwas zu sehen. Bei Weiß hingegen lohnt sich das Zählen schon eher.

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Retro der Woche 23/2020

Noch einmal möchte ich auf den Problemist Retro-Preisbericht für die Jahre 2017 und 2018 von Cedric Lytton zurückkommen, euch heute die erste ehrende Erwähnung der Abteilung „Beweispartien“ vorstellen.

Marek Kolčák & Michel Caillaud
The Problemist 2017-2018, 1. Ehrende Erwähnung
Beweispartie in 17,5 Zügen (14+15)

 

Da scheint nicht viel passiert zu sein: Von Weiß sind nur drei Bauernzüge sichtbar, bei Schwarz ein wenig mehr: dort sehen wir 1+0+3+3+2+2=11 Züge: Damit sind bei Schwarz sechs Züge offen, bei Weiß gar 15. Das hilft uns also erst einmal nicht allzu viel weiter – schauen wir also nach anderen Merkmalen, die uns vielleicht voran bringen beim Verständnis dieser Aufgabe:

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Retro der Woche 49/2019

Im Probleemblad-Preisbericht für die Jahre 2009 und 2010 konnte Richter Ulrich Ring eine Menge hervorragender Aufgaben auszeichnen. Die ersten drei Preise könnt ihr schon länger hier bewundern (1. Preis, 2. Preis und 3. Preis). Sie alle zeigen bemerkenswertes Umwandlungsspiel.

Unsere heutige Aufgabe aus diesem hochklassigen Turnier kommt, so viel will ich schon verraten, komplett ohne Umwandlungen aus, was man allerdings auch schnell aus dem Diagramm erkennen kann.

Roberto Osorio, Jorge Lois & Rustam Ubajdullajew
Probleemblad 2009-2010, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 19,5 Zügen (14+14)

 

Bei Weiß sehen wir nur vier (!) von zwanzig Zügen – üblicherweise würde man hier auf mehrere weiße Umwandlungen tippen, aber es sind noch alle acht weißen Bauern an Bord; Weiß muss also „nur“ seine fehlenden Steine, die Dame und einen Springer, loswerden und gleichzeitig die beiden fehlenden schwarzen Steine (Dame und ein Bauer) „entsorgen“.

Bei Schwarz erkennen wir 4+0+5+3+4+2=18 Züge – es ist also nur ein schwarzer Zug frei, der für das Loswerden eines der fehlenden schwarzen Steine (oder das Wegschlagen eines weißen abseits der sichtbaren Zugbahnen) genutzt werden kann.

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Retro der Woche 31/2019

Bleiben wir noch etwas bei dem Schwalbe-Preisbericht 2016 von Preisrichter Henrik Juel: nach der ersten ehrenden Erwähnung in der letzten Woche möchte ich euch heute die direkt dahinter platzierte Aufgabe vorstellen.

Jorge Joaquin Lois & Roberto Osorio
Die Schwalbe 2016, 2. ehrende Erwähnung
a) letzter Zug? b) Beweispartie in 25 Zügen (14+13)

 

Das ist schon mal eine recht ungewöhnliche, originelle „Doppelforderung“ -– von „Zwillingsbildung“ will ich in diesem Falle nicht unbedingt sprechen. Wenn die Frage nach dem letzten Zug eindeutig beantwortet werden kann, ist dies natürlich auch der letzte Zug der Beweispartie. Anders herum stimmt diese Überlegung nicht unbedingt: Der letzte Zug einer Beweispartie muss nicht ein eindeutig letzter Zug für die Stellung sein: Ohne den Zeitdruck der Beweispartie kann es meist auch andere letzte Züge geben.

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Retro der Woche 22/2019

Aufgaben, in denen der mögliche Inhalt im Diagramm gut verborgen bleibt, finde ich besonders attraktiv. Heute möchte ich euch solch eine Aufgabe vorstellen, die vor einem Jahr als slowakisch-französisches Teamwork im Problemist erschienen ist.

Marek Kolčák & Michel Caillaud
The Problemist. 2018
Beweispartie in 17,5 Zügen (14+15)

 

Das Diagramm verrät wirklich nicht allzu viel vom möglichen Lösungsverlauf: Der einzig fehlende schwarze Stein wurde vom [Bg2] geschlagen. Bei Weiß fehlen [Ta1] und [Bf2]. Und für das Verschwinden des [Ta1] kann man sicher noch einmal drei Züge zu en sichtbaren drei weißen Bauernzügen hinzurechnen – aber das hilft auch noch nicht viel, da wir damit nur genau ein Drittel der weißen Züge erklärt haben.

Bei Schwarz sieht man schon ein wenig mehr: Zunächst einmal 1+0+3+3+2+2=11 schwarze Züge, sodass hier „nur“ sechs Züge frei sind.

Aber schauen wir uns einmal an, wie der fehlende schwarze Stein verschwinden konnte.

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Retro der Woche 05/2019

In der letzten Woche hatte ich hier einen Verteidigungsrückzüger aus dem Preisbericht von Phénix 2015-2016 gezeigt, heute will ich die bestplatzierte Beweispartie in diesem sehr stark besetzten Turnier vorstellen.

Jorge J. Lois & Roberto Osorio
Phénix 2015-2016, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (13+14)

 

Bei Aufgaben des argentinischen Duos kann man immer davon ausgehen, dass man guten Inhalt technisch perfekt dargestellt zu sehen bekommt. Und so viel darf ich schon verraten: So ist es auch hier!

Mit dem üblichen Zählen der im Diagramm sichtbaren schwarzen Züge sind wir sehr schnell fertig: 0+0+0+1+0+3=4. Irgendwelche zusätzlichen Züge wegen eventueller Umwandlungen durch Schwarz können wir auch hier natürlich ausschließen, da noch alle acht schwarzen Bauern an Bord sind.

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Retro der Woche 47/2018

Im Retro der letzten Woche habe ich hier den 2. Preis der klassischen Retros im Schwalbe 2008 Informalturnier vorgestellt, nun möchte ich euch den 2. Preis der „Beweispartien“-Abteilung aus dem Preisbericht von Nicolas Dupont zeigen.

Dieser Jahrgang war für mich ein ganz besonderer, da ich mit dem Juniheft 2008 die Sachbearbeitung der Schwalbe-Retros übernommen hatte, nachdem Günter Lauinger diese Abteilung über 31 Jahre -– er übernahm sie von bernd ellinghoven mit dem Februarheft 1977 –- so unnachahmlich geleitet hatte.

Dies erklärt natürlich auch den sehr hohen Anteil an Widmungsaufgaben für Günter im Jahr 2008.

Gianni Donati & Olli Heimo
Die Schwalbe 2008, 2. Preis, Günter Lauinger gewidmet
Beweispartie in 19 Zügen (15+12)

 

Wie üblich beginnen wir mit dem Zählen der sichtbaren Züge und einer Analyse der Schlagbilanz.

Bei Weiß sind wir mit dem Zählen recht schnell fertig: 2+1+0+0+0+2=5 sichtbare Züge – das ist nicht viel! Bei Schwarz ist es ein wenig ergiebiger: 1+0+3+3+1+5=13, aber auch das lässt noch komplette sechs Züge frei. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb diese relativ kurze Beweispartie ohne ein „C+“ z.B. in der PDB zu finden ist.

Aber vielleicht hilft uns ja die Analyse der Schlagfälle weiter?

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