Retro der Woche 49/2019

Im Probleemblad-Preisbericht für die Jahre 2009 und 2010 konnte Richter Ulrich Ring eine Menge hervorragender Aufgaben auszeichnen. Die ersten drei Preise könnt ihr schon länger hier bewundern (1. Preis, 2. Preis und 3. Preis). Sie alle zeigen bemerkenswertes Umwandlungsspiel.

Unsere heutige Aufgabe aus diesem hochklassigen Turnier kommt, so viel will ich schon verraten, komplett ohne Umwandlungen aus, was man allerdings auch schnell aus dem Diagramm erkennen kann.

Roberto Osorio, Jorge Lois & Rustam Ubajdullajew
Probleemblad 2009-2010, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 19,5 Zügen (14+14)

 

Bei Weiß sehen wir nur vier (!) von zwanzig Zügen – üblicherweise würde man hier auf mehrere weiße Umwandlungen tippen, aber es sind noch alle acht weißen Bauern an Bord; Weiß muss also „nur“ seine fehlenden Steine, die Dame und einen Springer, loswerden und gleichzeitig die beiden fehlenden schwarzen Steine (Dame und ein Bauer) „entsorgen“.

Bei Schwarz erkennen wir 4+0+5+3+4+2=18 Züge – es ist also nur ein schwarzer Zug frei, der für das Loswerden eines der fehlenden schwarzen Steine (oder das Wegschlagen eines weißen abseits der sichtbaren Zugbahnen) genutzt werden kann.

Damit ist schon klar, dass wBd4 keinen schwarzen Bauern schlagen konnte: Dafür hat Schwarz keine Zeit, den bis zur vierten Reihe vorzuschieben. Also geschah c2xDd3 oder c3xDd4 – womit dann alle fehlenden schwarzen Züge erklärt sind. Gleichzeitig wissen wir damit, dass [Bd7] zu Hause geschlagen wurde.

Auch wenn das [Sg1] „mit links“ – sprich: in drei Zügen – erledigen kann, bleibt immer noch die Frage, wie Weiß seine Zeit sinnvoll nutzen kann: Wir sprechen immer noch von 13 Zügen!

Vielleicht gibt ja der exponiert stehende schwarze König Hinweise? Betrachten wir die Stellung genauer, so stellen wir fest, dass der schwarze König schon sehr früh nach a4 ziehen muss: Erst danach kann Lb5 und Tc6 erfolgen – und erst danach e6 und La3! Und schon vorher muss sTb4 zumindest nach d4 gelangt sein: erst danach kann Sc6-d8 vor Tc6 erfolgen.

Und damit wissen wir, dass die schwarze Dame auf d3 geschlagen wurde. Und das macht die Position des sK auf a4 noch ungemütlicher, da wir uns nicht nur um einen Schachschutz für wTa1-sKa4, sondern auch um einen wDd1-sKa4 kümmern müssen. Damit wird es auch nicht einfacher, die weiße Dame anschließend loszuwerden…

Vielleicht kommt euch ja nun schon der richtige Verdacht, welche beiden weißen Steine hier intensiv gefordert sind? Mit den detaillierten Vorüberlegungen zu der schwarzen Zugreihenfolge sollte das nicht mehr allzu schwierig sein.

Lösung


Ein sehr subtiler wT/wS Lois („Platzwechsel hin und zurück“) nach dem 14. bzw. 18. weißen Zug, und die weiße Dame kann sich überraschend nur auf b4 opfern.

Eine wie ich finde sehr gute Aufgabe, die mir auch geeignet erscheint, Partiespieler, die schon einmal Beweispartien gesehen haben, zum Knobeln zu locken: Sie werden überrascht sein, welch kuriose Manöver Weiß vollführen muss, um das ziemlich klare schwarze Spiel nicht zu stören.

2 thoughts on “Retro der Woche 49/2019

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.