Retro der Woche 30/2022

Heute zeige ich euch ein Mattproblem von vor 50 Jahren: Matt in drei Zügen. Aber ein komisches Ding ist es schon: Soo viel Material soll da notwendig sein? Und wenn man sich ein wenig in die Stellung vertieft, stellt man schnell fest, dass da etwas nicht stimmen kann?!

Nikita Plaksin
Die Schwalbe 1972
#3 (13+14)

 

Versucht man nämlich zu lösen, findet man schnell zweizügig 1.Tde1+ Kxd2 2.Dxd4#. Und das soll Baldur Kozdon, der damalige Dreizüger-Sachbearbeiter der Schwalbe übersehen haben? Oder ist das nur ein fundamentaler Irrtum von mir? Wir sind schließlich bei den Retros — und vielleicht kann ja Retroanalyse unsere Fragen beantworten?

Bei Weiß fehlen zwei Springer sowie [Be2]; alle drei sind von [Ba7] bzw. [Bb7] geschlagen worden. Bei Schwarz fehlen Dame und ein Springer; die wurden mittels axb und exd geschlagen; damit sind alle fehlenden Steine erklärt. Das erklärt aber noch nicht unser Problem mit dem zweizügigen Matt!

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Retro der Woche 28/2022

Preisrichter Paul Răican ist erfreulich schnell seiner Aufgabe nachgekommen, den Bericht für das Retro-Informalturnier 2021 von StrateGems fertigzustellen (Auf die traurige Zukunft von StrateGems hatte ich bereits vor einigen Tagen hingewiesen.). Paul hat zwei Gruppen gebildet: Beweispartien und andere Retros; aus dem ersten Teil möchte ich heute den ersten Preis vorstellen.

Die Aufgaben von Satoshi Hashimoto schaue ich mir immer sehr gern an: Zeigen sie doch stets interessanten und originellen strategischen Inhalt. Und den kann ich euch auch für die heutige Aufgabe versprechen.

Satoshi Hashimoto
StrateGems 2021, 1. Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (13+15)

 

Ein Motto könnte ich der Aufgabe bereits voranstellen: „Spuren verwischen“. Das können wir uns schon sehr gut vorstellen, wenn wir uns die weißen Züge anschauen: Je drei Bauern- und drei Damenzüge sind sichtbar — mehr nicht!

Bei Schwarz lohnt es sich schon eher, genauer hinzuschauen und zu zählen: Sichtbar sind 3+0+4+6+3+4=20 Züge — ein schwarzer Zug ist also noch frei?! Nein, genaueres Hinsehen zeigt uns, dass dem nicht so ist:

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Retro der Woche 18/2022

Wie versprochen folgt heute der dritte Streich – das Siegerstück der „anderen Retros“ aus dem Schwalbe-Informalturnier 2020. Das ist ein klassisches Retro im besten Sinne. Harry Goldsteen (26.7.1939-5.6.2021) hatte lange Zeit nichts veröffentlicht, dann aber zu meiner großen Freude den Weg zurück zum Komponieren gefunden, im Wesentlichen in der Schwalbe.

Harry Goldsteen
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
Matt? (13+13)

 

Die Frage lässt sich natürlich trivial mit „ja“ zu beantworten – wenn denn die Stellung legal ist. Man könnte also auch „Legal?“ als Frage unter das Diagramm schreiben. Die Legalität lässt sich natürlich nur durch Rückspielen im Endeffekt bis zur Partieanfangsstellung beweisen – so könnte man auch einfach „Löse auf!“ fordern, allerdings würde das ja schon Legalität der Stellung implizieren.

Schauen wir zunächst nach der Schlagbilanz: Weiß schlug offensichtlich axb und hxg, zusätzlich im Schachgebot in der Diagrammstellung – das erklärt die drei fehlenden schwarzen Steine.

Bei Schwarz sieht man einen Doppelbauern auf der g-Linie, ferner müssen [Bb7] und [Bc7] überkreuz geschlagen haben, um ihre weißen Kollegen durchzulassen.

Leicht zu sehen ist, dass bei Weiß die beiden Springer und die Dame fehlen, bei Schwarz [Lf8] sowie [Ba7] und [Bh7] – damit kommt sBg2 von f7 – warum geht es nicht anders herum? Die beiden fehlenden Bauern konnten nicht direkt geschlagen werden, mussten sich also (schlagfrei) umwandeln.

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Retro der Woche 17/2022

In der letzten Woche hatte ich bereits angekündigt, hier die beiden anderen ersten Preise der insgesamt drei Gruppen des Schwalbe 2020 Retro-Informalturniers vorstellen zu wollen. Heute ist der Sieger des Beweispartien-Wettbewerbs an der Reihe; allein schon die beiden Autorennamen versprechen eine inhaltsschwere Aufgabe.

Reto Aschwanden & Michel Caillaud
Die Schwalbe 2020, 1. Preis
Beweispartie in 29,5 Zügen (14+14)

 

Beim Blick aufs Diagramm entdeckt man schnell zwei weißfeldrige schwarze Läufer. Dieser erklärt den fehlenden schwarzen Bauern, der sich umgewandelt haben muss. Das kann nur der [Bg7] gewesen sein, der auf seinem Weg auf ein weißes Umwandlungsfeld einmal geschlagen haben muss.

Und sein Schlagopfer muss [Bh2] gewesen sein: Der kann wegen der Schlagbilanz nicht auf f6 geschlagen worden sein, und damit sind schon die beiden schwarzen Schläge erklärt. Bei Weiß muss dann auch noch der [Bb2] verschwinden. Direkt kann er nicht geschlagen worden sein, also muss er sich umgewandelt haben, um sich dann auf f6 zu opfern oder das weiße f6-Opfer zu ersetzen.

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Retro der Woche 10/2022

In dieser Woche ist die erste Ausgabe 2022 des niederländischen Probleemblad erschienen. In den Retro-Lösungen zu den Urdrucken aus Heft 3/2021 fand ich ein sehr interessantes Stück, das ich euch heute zeigen möchte – speziell, weil der Sachbearbeiter Roberto Osorio hier einen interessanten Vergleich zu einer völlig anders gearteten Forderung zieht.

Jorge Lois & Roberto Osorio
Probleemblad 2021
Beweispartie in 22 Zügen (13+15)

 

Bei Schwarz fehlt nur ein Stein, nämlich ein Turm, und der starb auf b3. Bei Weiß fehlen ein Turm sowie [Bd2] und [Bh2]. Weiß kann nicht mehr geschlagen haben, also wurde [Bh2] auf h6, der fehlende Turm auf e6 und [Bd2] auf der d-Linie geschlagen worden sein.

Versuchen wir uns nun am Abzählen der sichtbaren Züge: Bei Schwarz sehen wir 5+0+3+1+0+3=12 Upps, da fehlen noch glatt zehn Züge!

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Retro der Woche 04/2022

Ich muss gestehen, ich habe nicht nur einige Lieblingsaufgaben, sondern auch einige Lieblingsartikel. Immer wieder greife ich gern zu feenschach-Heft 175, wo Andrej Kornilow und Andrej Frolkin den beinahe 20 Seiten langen Artikel “The Pursuit of a Retrocage” veröffentlichten, der sich mit einer speziellen „Käfig-Matrix“ beschäftigt, die auch in abgewandelter Form in 72 Aufgaben vorgestellt wird. Einer meiner Lieblings-Preisberichte ist die „Langfassung“ des 2008er Retro-Berichts der Schwalbe von Nikolas Dupont.

Heute stelle ich eine Aufgabe vor, die in beiden Artikeln zitiert ist.

Andrej Kornilow & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2008, Günter Lauinger gewidmet, 5. Preis
Matt? (14+14)

 

Indem ich Nikolas‘ Kommentare zitiere, möchte ich euch anregen, auch beide Artikel bei Gelegenheit noch einmal zu genießen!

Es handelt sich hier um eine Aufgabe, bei welcher ein wohlbekannter Käfig zur Anwendung kommt. Dieser wurde von den Autoren erfunden und vielfach ausgenutzt (vgl. deren Artikel „Pursuit of a Retrocage“, feenschach 175, 2009, wo die vorliegende Arbeit unter der Nummer 58 erwähnt wird). Die Bearbeitung zeugt von Originalität, ist finessenreich und rechtfertigt eine hohe Einstufung.

Um zu zeigen, dass die Stellung tatsächlich matt ist, muss man sie für einen stichhaltigen Legalitätsnachweis auflösen. Wie im 2. Preis werden Schilde verwendet, doch deren Motivation beschränkt sich nicht alleine auf Schachschutz, sondern besteht vornehmlich in der Bereitstellung von Tempi, die für die Entriegelung der Stellung benötigt werden.

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Retro der Woche 42/2021

Gestern erst habe ich auf die Oktober-2021-Ausgabe der Schwalbe hingewiesen, habe ich erst darauf hingewiesen, dass ich noch darauf zurückkommen werde — und heute ist es schon so weit: Ich möchte euch den ersten Preis der Beweispartie-Abteilung des Jahrgangs 2019 vorstellen.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2019, 1. Preis Gruppe A
Beweispartie in 23,5 Zügen (16+16)

 

Hier müssen wir erst gar nicht nach verräterischen Doppelbauern schauen: Es sind noch „alle Mann an Bord“! Also versuchen wir unser Glück mit den Zählen der sichtbaren erforderlichen Züge: Bei Weiß sind das 7+0+0+2+1+2=12 — das ist erst einmal erschreckend, wenn die Hälfte der Züge noch offen ist.

Bei Schwarz kommen wir auf 1+2+8+3+4+5=23 — alle schwarzen Züge sind erklärt. Um mit acht Zügen der schwarzen Türme auszukommen, brauchen wir die Zugwege Th8-h6-c6-c3(4) sowie Ta8-e8-e6-f6-f4(3)-c4(3), also 3+5.

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Retro der Woche 39/2021

In seinem Retro-Preisbericht für den feenschach-Jahrgang 2019 setzte Andrej Frolkin drei Märchenretros auf die ersten Plätze, den ersten Preis haben wir uns hier in der letzten Woche ansehen können. Heute möchte ich euch das bestplatzierte orthodoxe Stück vorstellen.

Nein, das ist keine Beweispartie, sondern eine ganz klassische Auflöse-Aufgabe, und zwar aus dem Retro-Sonderlösungsturnier, das Gerald Ettl in feenschach-Heft 238 (XI-XII/2019) mit zwölf eigenen Urdrucken ausgeschrieben hatte; im Retro der Woche 16/2020 war ich auf dieses Turnier bereits eingegangen.

Gerald Ettl
feenschach 2019, 4. Preis
Löse auf! (16+13)

 

Weiß hat alle Mann an Bord, Schwarz kann also nicht geschlagen haben. Bei Schwarz hingegen fehlen drei Steine: ein Springer sowie [Ba7] und [Bf7]. All diese Steine wurden von weißen Bauern geschlagen: axb, dxc3 sowie gxf3.

Damit ist klar, dass [Ba7] umgewandelt haben muss, denn er konnte die a-Linie ja nicht verlassen, aber dort auch nicht geschlagen werden. Und deswegen können wir axb auch erst zurücknehmen, wenn der a-Bauer auf a1 entwandelt und sich schon wieder ein Stückchen zurückgezogen hat.

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