Retro der Woche 19/2025

Thematurniere sind für Retros — sieht man von Geburtstags- oder Gedenkturnieren ab — relativ selten. Häufig werden sie in Verbindung mit Mannschaftsturnieren ausgeschrieben, wo dann Retros eine der Abteilungen bilden.

So ist gerade im Rahmen der Ausschreibung des 12. World Chess Composition Tournament (WCCT) wieder die ominöse *Abteilung H* ausgeschrieben worden. Informationen zum Turnier könnt ihr auf der Schwalbe-Seite finden.

Die Mannschaftsmeisterschaft im Komponieren in der Ukraine fand 2023 bereits zum 21. Male statt — das erstplatzierte Stück dieses Wettbewerbs möchte ich euch heute zeigen. Wahrscheinlich seid ihr genauso wenig überrascht, dass es von Andrij Frolkin stammt, wie ich es war?

Andrij Frolkin
21. Ukrainische Mannschaftsmeisterschaft 2023, Retros, 1. Platz
Beweispartie in 23,5 Zügen (12+13)

 

Thema war: “Ein Bauer schlägt einen umgewandelten Stein und wandelt selbst um, Schlag und Umwandlung können im selben Zug erfolgen.” Ich finde, ein gut gewähltes Thema, da es den Komponisten viel Freiraum lässt, sodass nicht einfach mechanische Themenerfüllungen zu erwarten waren.

Bc4 kommt von e2 und hat dabei zwei schwarze Steine geschlagen: Bei Schwarz fehlen [Ba7], [Bf7] und [Bg7]. Bei Weiß fehlen [Ta1], der seine Heimat nicht verlassen konnte, [Lf1] sowie ebenfalls f- und g-Bauer.

Kann etwa [Ba7] sich bis c4 “durchgefressen” haben? Dafür müsste Schwarz mit diesem Bauern zweimal schlagen, auf c6 muss er (den [Lf1]? schlagen, und dann muss noch irgendwie [Ta1] verschwinden.

Weiterlesen

Retro der Woche 17/2025

20.04.2025: Kleine Textkorrekturen

Für den heutigen Ostersonntag hat Silvio Baier ein schönes Osternest vorbereitet, das ich euch natürlich nicht vorenthalten will: Wo hat er hier wohl die Eier versteckt — was vermutet ihr beim ersten Blick aufs Diagramm, was könnten die Themasteine sein? Viel Spaß beim Suchen!

Silvio Baier
Die Schwalbe 2024 (Version), nach Nicolas Dupont, Reto Aschwanden gewidmet
Beweispartie in 32 Zügen (13+13)

 

Wie üblich schauen wir hier erst einmal nach sichtbaren Schlagfällen: Auf beiden Seiten fehlen drei Bauern; alle Offiziere sind an Bord. Und auf beiden Seiten sehen wir zwei Bauernschläge: Bei Weiß entstand der Doppelbauer auf der d-Linie durch zwei Schläge fxe und exd.– oder Weiß hatte drei Bauernschläge a2xb3xc4xd5?!

Bei Schwarz können wir die beiden sichtbaren Schlagfelder angeben dxe6 und gxf6.

Mit den sichtbaren Schlägen können “kaum” Bauern geschlagen worden sein: Bei der [Ba2]-Alternative kann Weiß den [Bb7] und schwarz auf f6 den [Bf2] geschlagen haben. Dann müsste Schwarz [Ba7] auf a1 sowie [Bh7] auf g1 (den [Bg2] schlagend) umgewandelt haben, Weiß schlagfrei seinen [Bh2]. Vielleicht ist überraschend, dass dieser Ansatz nicht funktioniert, weil Schwarz dafür zu viele Züge benötigt!

Weiterlesen

Thomas Thannheiser 60

Heute gehen meine Geburtstags-Glückwünsche in den hohen Norden nach Lübeck, wo Thomas Thannheiser seinen 60. Geburtstag feiert: Alles Gute wünsche ich dir im Namen aller Blog-Leser für dein neues Lebensjahrzehnt — und heute einen schönen “Feier-Tag”!

Viel zu selten sieht man Thomas bei Problemschachtreffen, da er sich intensiv um schachliche Jugendarbeit kümmert, viel mit “seinem” Team zu Turnieren unterwegs ist, die sich dann auch häufig mit unseren Terminen überschneiden.

Thomas ist ein ausgesprochener Spezialist für Beweispartien, speziell solche im Schlagschach: Mehr als 80 Prozent seiner Aufgaben in der PDB sind von dieser Art. Und so führe ich hier auch ein solches Stück vor: Was ist wohl mit dem weißen Turm auf a1 passiert?

Thomas Thannheiser
Die Schwalbe 2012
Beweispartie in 6,5 Zügen, Schlagschach (12+11)

 

Und wie immer findet ihr die Lösung, die aber zumindest nach dem Hinweis nicht allzu schwer zu finden sein sollte, hier in einer Woche.

 

Lösung

Turm-Pronkin

Da die Könige nicht involviert sind, funktioniert hier ausnahmsweise die “orthodoxe” Präsentation der Lösung einer Schlagschach-Beweispartie.

Retro der Woche 16/2025

In diesem Jahr habe ich es endlich geschafft, das “Sachsentreffen”an diesem Wochenende zu besuchen, das nun schon zum 33. Male stattfindet. Annaberg-Buchholz ist Große Kreisstadt im sächsischen Erzgebirgskreis, bevölkerungsreichste Stadt des Landkreises und dessen Verwaltungssitz. Hättet ihr gewusst, dass die Altstadt Annabergs sowie einige der umgebenden historischen Bergbaulandschaften seit 2019 zum UNESCO-Welterbe gehören?

Am Samstag habe ich einen kleinen Vortrag über “orthodoxe Märchenschach-Retros” gehalten: Ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich? Ich glaube nicht!

Darum will ich an einer Aufgabe, die ich in Annaberg nicht gezeigt habe, erklären, was ich damit meine.

Günter Büsing
feenschach 1992, 1. Lob
Beweispartie in 20 Zügen, Duellantenschach (14+16)

 

Im Duellantenschach müssen beide Parteien mit dem jeweils zuletzt gezogenen Stein weiterspielen, solange das mit legalen Zügen möglich ist. Und mit “legal” sind “orthodox-legale” Züge gemeint, die also in jeder normalen Schachpartie auch zulässig sind.

Für einen Partiespieler ist natürlich kurios, dass man im Duellantenschach nicht einmal Sizilianisch eröffnen kann, auch nicht Nimzoindisch — aber jeder “Duellantenzug” ist gemäß den orthodoxen Regeln legal und führt immer auch zu einer legalen Stellung, wobei mit “legale Stellung” natürlich gemeint ist, dass es zu dieser Stellung eine Beweispartie gibt, dass sie also aus der Partiestellung heraus erspielbar ist.

Hier ist es nun spannend herauszufinden, wie Schwarz die weißen “Duellantenwechsel” erzwingt. Wir haben schon die Vermutung, dass dies alles der [Sg8] bewerkstelligt. Welche Arten gibt es, einen Duellantenwechsel zu erzwingen?

Weiterlesen

Retro der Woche 15/2025

Wenn dieses Retro der Woche erscheint, ist möglicherweise das neueste feenschach-Heft schon bei euch angekommen — abhängig davon, wie schnell die Post es zugestellt hat.

Das neue f-260 enthält u.a. die Lösungen aus dem Heft f-252 (Januar bis Mai 2023), und dessen Urdruckserie enthielt gleich 17 Retros! Sehr erfreulich; weniger erfreulich, dass diese Menge offensichtlich nicht zum Lösen und Kommentieren herausgefordert hat: Gar zu viele Retros? Nee, das kann doch gar nicht sein…

Ein hübsches Schlagschach-Retro möchte ich euch aus dieser Serie vorstellen; ich finde es sehr hübsch.

Gregor Werner
feenschach 2023
Beweispartie in 23 Zügen, Schlagschach (15+16)

 

Ihr erinnert euch sicherlich? Beim Schlagschach muss, wenn die Möglichkeit da ist, geschlagen werden. Dabei wird auch keine Rücksicht auf Könige genommen, die hier keine königlichen Eigenschaften haben und wie jeder andere Stein geschlagen werden können — damit entfällt auch ihr Rochaderecht, andererseits dürfen durch Umwandlung Könige entstehen. Wenn ihr Schlagschach spielt, habe ihr gewonnen, wenn ihr alle eure 16 Klötze losgeworden sied oder patt steht.

Und so ist es hier: Nur ein einziger Stein fehlt, und beide Parteien müssen natürlich extrem aufpassen, dass sie nicht plötzlich zum ungewollten Schlag gezwungen werden.

Weiterlesen

Retro der Woche 14/2025

Ofer Comay baut, da kann man sich drauf verlassen, stets strategisch anspruchsvolle und interessante Aufgaben, und so habe ich mich sehr gefreut, im Rahmen der Bewertung der Einsendungen zum 12. WCCI mit wieder einige Stücke von ihm intensiver anschauen zu können, die ich bisher noch nicht kannte. Eines davon möchte ich euch heute zeigen.

Ofer Comay
Variantim 2023
Beweispartie in 33 Zügen (14+14)

 

Ein recht langes Stück, und sicherlich kein leicht zu lösendes! Schauen wir zunächst einmal nach offensichtlichen Schlagfällen: Da sehen wir auf bei Weiß einen: axb. Und beide fehlenden weißen Steine wurden von Bauern geschlagen, wir sehen dxe6 und gxf. Bei Schwarz fehlt [Ba7] sowie [Lc8], bei Weiß [Bg2] und [Bh2]. Was bedeutet das für unseren weiteren Vorüberlegungen zur Lösung — was passierte vor allen Dingen mit den fehlenden Bauern? Kann vielleicht Schwarz auf der f-Linie den [Bg2] geschlagen haben?

Weiterlesen

Retro der Woche 10/2025

Vorgestern hatte ich auf die Ausschreibung des 12. FIDE WorldCup aufmerksam gemacht. Beim 11. hatte ich die Ehre und das Vergnügen, die Retro-Abteilung zu richten; den überlegenen 1. Preis von Joachim Hambros hatte ich im Retro der Woche 36/2023 vorgestellt. Das Stück hat der damals gerade zwanzigjährige Autor jetzt selbstverständlich zum WCCI 2022-2024 eingeschickt — aber natürlich auch noch fünf andere Aufgaben, vor denen ich eine hier vorstellen möchte.

Joachim Hambros
Die Schwalbe 2024
Beweispartie in 18 Zügen (15+15)

 

Auf beiden Seiten fehlt nur jeweils ein Bauer, und das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge ist schnell erledigt: vier! Allerdings sieht man, dass der letzte schwarze Zug Sa6-b8+ gewesen sein muss, also mindestens sechs Züge. Das ist aber nur ein Drittel all seiner Züge!

Und bei Weiß?

Weiterlesen

Retro der Woche 08/2025

Da haben die Marketing-Spezialisten mal wieder zugeschlagen! Nachdem vor einiger Zeit die Bezeichnung Fischerandom-Chess vielfach schon durch Chess-960 ersetzt worden war, musste es vor ein paar Jahren plötzlich „intellektueller“ klingen: Wie wäre es mit einem Mix aus arabischen und römischen Ziffern? Und schon war Chess-9LX geboren, was dann aber doch zu intellektuell gewesen muss, denn nun hat eine hoch dotierte und extrem gut besetzte Turnierreihe begonnen unter dem Namen Freestyle Chess.

Komisch, zunächst musste ich da an Buckelpisten denken, aber Namen sind Schall und Rauch – und „Ryder heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix“ (Wer kann sich daran noch erinnern?). So auch hier: Weiterhin wird nach orthodoxen Regeln gespielt, nur dass die Anfangsstellung ausgelost und dann symmetrisch aufgebaut wird mit den Einschränkungen, dass die beiden Läufer einer Farbe auf unterschiedlich farbigen Feldern stehen und der König stets zwischen den beiden Türmen platziert wird. Die einzige Besonderheit bei den Zügen ist die Rochade – sie wird so ausgeführt, dass König und Rochadeturm „orthodox“ landen.

Am Freitag hat nun Vincent Keymer das Freestyle Chess Grand Slam Turnier in Weissenhaus (und 200.000 Dollar) gewonnen, sich dazu bei normaler Turnier-Bedenkzeit (ja, solche Turniere werden auch heute noch gespielt) im Halbfinale gegen Magnus Carlsen und im Finale gegen Fabiano Caruana durchgesetzt. Seine Gewinn-Strategie war sehr einfach: In den Mini-Matches über zwei Partien jeweils die erste gewinnen und die zweite sicher remis halten – das hatte bereits im Viertelfinale geklappt.

Dieses Turnier ist für mich Anlass, heute mal wieder eine Chess-960 Beweispartie vorzuführen: Ich bleibe zumindest erst einmal bei dem Namen.

Per Olin
Retros Mailing List 3.12.2012, Olli Heimo gewidmet.
Beweispartie in 16,0 Zügen Chess-960 (14+16)

 

Zunächst wollen wir die Partieanfangsstellung bestimmen, und dabei hilft uns wie so oft das Zählen der (sichtbaren) Züge. Bei Schwarz sind wir da sehr schnell fertig – wir wissen allerdings noch nicht, welche möglichen Umstellungen auf der achten Reihe notwendig waren, denn wir sehen schon, dass der König und der nun auf e8 stehende Turm schon gezogen haben müssen, denn ansonsten müsste ja sTe8 „westlich“ von seinem König stehen.

Und wie schaut es bei Weiß aus?

Weiterlesen