Retro der Woche 07/2020

Weshalb wirkt beispielsweise eine Beweispartie mit Allumwandlung auf uns „harmo-nisch“? Weil die vier Umwandlungen einfach „zusammenpassen“, da alle möglichen Offiziere genau einmal erwandelt werden. Und dabei wirkt eine einfarbige Allumwandlung oder eine, bei der zwei weiße und zwei schwarze Umwandlungen erfolgen, harmonischer als eine mit der Farbverteilung 1:3, denn hier wird das Spiel auf die Farben verteilt ein wenig uneinheitlich sein. Das ist es bei einer einfarbigen Allumwandlung offensichtlich noch mehr -– aber da entsteht die Einheitlichkeit aus der klaren Aufgaben- und Farbverteilung.

Ähnlich erscheint es auch bei der Verbindung unterschiedlicher Themen – und dafür habe ich heute ein, wie ich finde, sehr hübsches Beispiel herausgesucht.

Silvio Baier
Die Schwalbe 2013, 2. Preis
Beweispartie in 27 Zügen (14+14)

 

Der Versuch, sich der Lösung über das übliche Abzählen er sichtbaren Züge zu nähern, könnte zu grauen Haaren (solange noch nicht vorhanden) führen: Wir sehen bei Weiß 3+0+1+1+1+6=12, bei Schwarz 2+0+3+1+0+5=11 Züge – mehr als die Hälfte der Züge sind noch frei!

Allerdings hilft uns hier die Analyse der Schlagfälle und der Bauernstruktur schon entscheidend weiter.

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Retro der Woche 05/2020

Haben wir uns in den ersten Retros der Woche für das neue Jahr mit „geschichtlichen“ Stücken beschäftigt, so werden wir heute ziemlich aktuell: Die Lösung der heutigen Aufgabe ist im ersten StrateGems Heft des Jahres 2020 erschienen, sodass ich das Stück nun hier besprechen kann, ohne irgendwelchen Lösewettbewerbe zu beeinflussen.

Andrej Frolkin & Sergej Tkatschenko
StrateGems 2019
Beweispartie in 18,5 Zügen (13+12)

 

Das reine Zählen der sichtbaren Züge könnte einen zur Verzweiflung bringen: Bei Weiß sehen wir nur 2+1+1+2+1+1=8, bei Schwarz 4+1+1+1+3+2=12 — immerhin, aber auch allein noch nicht sehr hilfreich.

Aber schauen wir doch, ob wir erkennen können, was an fehlenden Steine wo geschlagen wurde? Auffällig sind besonders die Doppelbauern: Für wBa3 liegt natürlich der Verdacht nahe: sTa3 und bxTa3. So einfach ist das für den Doppelbauern auf b6 nicht!

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Retro der Woche 03/2020

Bleiben wir noch etwas im Jahr 2000: Um 2007–2008 herum hatten Hans Gruber, Ulrich Ring und ich uns vorgenommen, verschiedene noch ausstehende Preisberichte, für die der vorgesehene Richter nicht mehr zur Verfügung stand, gemeinsam zu richten; das war für verschiedene Zeitungen und in verschiedenen Abteilungen: Riesenspaß hat das gemacht!

Den ersten Preis bei der Schwalbe aus dem Jahr 2000 möchte ich euch heute vorstellen -– und es mir damit recht leicht machen: Ich zitiere hier ziemlich unverändert unseren Kommentar aus dem Preisbericht (Die Schwalbe 233, Oktober 2008, S. 578—582). Dabei wird natürlich schon das Thema beschrieben, wird auch auf die Strategie eingegangen. Wer also selbst lösen möchte, sollte nicht sofort auf „Weiterlesen“ klicken…

Satoshi Hashimoto
Die Schwalbe 2000, 1. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (15+14)

 

 

 

 

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Retro der Woche 02/2020

Nachdem wir in der letzten Woche das neue Jahr in dieser Rubrik mit einem „Blick zurück“ um 90 Jahre begonnen hatten, möchte ich mit euch heute 20 Jahre zurückblicken – das passt ja gut zu „2020“…

Und da dieses Stück auch noch 2.0 Lösungen hat, passt es gar doppelt gut!

Michel Caillaud
Probleemblad 2000, 1. Preis, Joost de Heer gewidmet
Beweispartie in 16 Zügen, 2 Lösungen (14+13)

 

Bei Weiß sind nur zwei Züge sichtbar, 14 sind also noch frei. Bei Schwarz schaut das aus Lösersicht schon besser aus: Wir sehen 1+1+3+1+3+5=14 – also sind noch genau die Hälfte der erforderlichen Züge noch frei.

Aber wir können aus Der Stellung noch eine Menge an Schlüssen ziehen, sodass es gar nicht so schwer wird zu lösen.

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Retro der Woche 51/2019

Zurzeit beschäftige ich mich unter anderem mit dem Retro-Preisbericht des Probleemblad 2017 und 2018. Daraus möchte ich euch heute ein Stück zeigen, ohne dass ihr daraus Rückschlüsse auf eine mögliche Platzierung im Preisbericht ziehen könnt: Selbst wenn ich es wollte, könnte ich das selbst noch nicht!

Roberto Osorio & Jorge Lois
Probleemblad 1/2018
Beweispartie in 17 Zügen, 2 Lösungen (13+15)

 

Das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge ist schnell beendet, das der weißen ist deutlich interessanter: 3+1+3+3+2+5=17 – alle weißen Züge sind im Diagramm sichtbar. Damit ist auch weiter klar, dass die fehlenden weißen Steine ([Sg1] sowie zwei Bauern zwischen c und f) zuhause geschlagen wurden.

Spannend ist hier auch eine Untersuchung der letzten Züge: Was kann Schwarz zuletzt gezogen haben?

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Retro der Woche 45/2019

In den letzten Wochen hatten wir uns hier mit dem Pronkin-Thema beschäftigt, und das wollen wir heute fortsetzen. Dazu möchte ich euch heute eine Aufgabe zeigen, die mir, wie ihr sicherlich verstehen werdet, allein schon wegen der Widmung besonders am Herzen liegt.

Nicolas Dupont
Die Schwalbe 2011, 1. Preis, Thomas Brand gewidmet
Beweispartie in 33,5 Zügen (10+15)

 

Die Stellung sieht schon heftig aus: Wir sehen vier schwarze Umwandlungssteine: drei Springer, vier weißfeldrige schwarze Läufer. Damit sind schon 20 schwarze Bauernzüge erklärt, ferner benötigen die „nördlichen“ schwarzen Steine (6.-8. Reihe) sowie sTe3 1+2+2+1+3+0=9 Züge. Somit bleiben nur noch vier Züge für die Umwandlungssteine – jeder hat also nach der Umwandlung noch genau einmal gezogen.

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Retro der Woche 44/2019

Heute möchte ich euch eine klassische Retroaufgabe mit einem hierfür recht ungewöhnlichen Thema zeigen; ein paar weitergehende Überlegungen dazu erfolgen am Ende dieses Artikels.

Michel Caillaud
J. Iglesias gewidmet, Retour á l’envoyeur, France-Echecs 2005
Letzte 21 Einzelzüge? #1 (wer?) (12+13)

 

Wenn wir die Stellung mit dem Retroknoten im Norden und Nordosten anschauen, erkennen wir relativ schnell, dass er nur mittels h2xXg3 gelöst werden kann. So stellt sich sofort die Frage, warum dies nicht sofort zulässig sein sollte? Denn wenn das sofort ginge, dann wäre sicherlich für die kommenden 20 Einzelzüge keine Eindeutigkeit mehr zu erwarten, die Aufgabe wäre defekt.

Vielleicht helfen uns auch Überlegungen zur Beweglichkeit der Steine und zu den sichtbaren Schlagfällen weiter?

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Retro der Woche 43/2019

Bleiben wir noch etwas bei der Geschichte der Retroanalyse. Während klassische Retros sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen (die Retroanalyse ist sogar älter als das Hilfsmatt!), hat die Geschichte der eindeutigen Beweispartien erst in den 1980er Jahren richtig begonnen.

Einer der Vorreiter der modernen Beweispartie ist der Ukrainer Dmitri Pronkin (* 7.7.1960), der schon lange in Deutschland lebt, sich aber vom Problemschach offensichtlich vollständig zurückgezogen hat.

Dmitri Pronkin
Die Schwalbe 1988, 1. Lob
Beweispartie in 24,5 Zügen (16+13)

 

Weiß hat noch „alle Mann an Bord“, bei Schwarz fehlen aus der Homebase-Stellung [Ba7], [Bd7] und [Bh7], die aber, da sie selbst nicht schlagen konnten, nicht selbst auf b3, c3 oder der g-Linie geschlagen werden konnten.

Also mussten sie sich umwandeln, um sich dann selbst schlagen zu lassen oder aber geschlagene schwarze Offiziere zu ersetzen. Für diese Manöver stehen Schwarz neun Züge zur Verfügung; 15 werden ja durch die erforderlichen Umwandlungen verbraucht.

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