Stelvio 2.0

Ja, ist denn heut’ schon Weihnachten?

Eigentlich nicht, wenn man auf den Kalender schaut — für die Freunde der orthodoxen Beweispartien aber in gewisser Weise schon, denn Reto Aschwanden hat heute die Version 2.0 von Stelvio, seinem Prüfprogramm für Beweispartien, veröffentlicht.

Bei einem Versionswechsel kann man schon damit rechnen, dass sich am Programm eine ganze Menge getan hat — und dem ist auch so:

Beispielsweise kann Stelvio nun unter gewissen Umständen notwendigen Schachschutz erkennen. Für Aufgaben, die den für einen der Könige benötigen, kann das eine drastische Beschleunigung der Tests bedeuten, da ein Schachschutz meist mehrere ansonsten freie Züge erfordert.

Allgemein hat Reto auch die Strategieanalyse verbessert und noch wirkungsvoller gemacht, ebenso die Parallelisierung der Prüfungen.

Insgesamt also eine Menge “Tuning unter der Motorhaube”, das den Versionssprung sicherlich gerechtfertigt. Mehr Details findet ihr wie immer in der Dokumentation.

Retro der Woche 50/2023

Vorgestern habe ich es bei den Glückwünschen zum runden Geburtstag von Roberto Osorio ja bereits angekündigt: Heute möchte ich eine weitere Beweispartie von ihm vorstellen.

Roberto Osorio
Orbit 2011, 2. Preis
Beweispartie in 18 Zügen (12+15)

 

Das schaut doch gar nicht so kompliziert aus: Weiß muss nur versuchen, seine vier fehlenden Bauern loszuwerden. Aber wir werden sehen: Soo einfach ist das gar nicht, dafür ziemlich überraschend und wie ich finde sehr gefällig!

Beginnen wir wie üblich mit den fehlenden Steinen und deren Anfangsposition. Dass die vier fehlenden weißen Bauern ursprünglich von a, b, g und h stammen, ist nicht sehr schwer zu erkennen. Auch bei Schwarz sind noch alle Offiziere an Bord; hier fehlt nur ein Bauer, der von a oder von b stammt.

Nun versuchen wir, die offensichtlichen Züge zu zählen: Bei Weiß sind wir damit sehr schnell fertig, und auch bei Schwarz ist das nicht allzu schwer:

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Roberto Osorio 70

Herzliche Glückwünsche gehen heute über den großen Teich nach Buenos Aires, wo Roberto Osorio heute seinen 70. Geburtstag feiert. Er ist sicherlich allen hier als hervorragender Retro-Komponist bekannt, er seinen Schwerpunkt auf Beweispartien gelegt hat (häufig in Co-Produktion mit Jorge Joaquin Lois), aber gerade auch sehr schöne Verteidigungsrückzüger, mit und ohne zusätzliche Märchenbedingungen, baut. Und schon seit vielen Jahren führt er die Retro-Abteilung beim niederländischen Probleemblad.

Mit einer nicht allzu schwierigen Kostprobe seines Könnens (aber ganz so leicht sicher auch nicht…) möchte ich euch ermutigen, “zwischendurch” wieder einmal zu lösen; am Sonntag kommt im Retro der Woche eine etwas schwergewichtigere Beweispartie von Roberto.

Roberto Osorio
Donati-50 Turier 2003, Lob
Beweispartie in 13,5 Zügen (13+15)

 

Das muss ich euch sicher kaum mehr verraten, dass die Lösung in etwa einer Woche hier erscheinen wird?

21.12.23: Dank an Markus Lepper für den Hinweis, dass ich die Lösung vergessen hatte einzustellen; hier ist sie nun:

Lösung


Gianni Donati als Preisrichter: “The bRc1 turns out to be an anti-Pronkin. The promoted bR died on c6!” Das ist sicherlich überraschend?!

Retro der Woche 48/2023

Einer meiner Lieblings-Beweispartiekomponisten ist der Japaner Satoshi Hashimoto (Jahrgang 1957): Er ist mit seinen Lösungen immer wieder für Überraschungen gut; sehr versteckt zeigt er stets interessante Inhalte und Strategie. Wenn ihr euch einen schönen Beweispartie-Abend machen wollt, spielt einfach seine Aufgaben hier im Blog durch — aber nehmt euch vorher ein wenig Zeit, um zumindest erste Analysen zur Stellung anzustellen, eine begründete Vermutung über die Thematik und Lösungsstrategie aufzustellen.

Satoshi Hashimoto
Die Schwalbe 2001, 3. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 18 Zügen (13+16)

 

Nur zwei schwarze Züge sind im Diagramm zu sehen, und auch bei Weiß sind es nicht annähernd genug, um die geforderte Zügezahl zu erreichen; hier sehen wir 2+2+0+3+1+1=9 — gerade einmal die Hälfte der gespielten Züge! Wie können wir uns trotzdem der Lösung nähern?

Da schauen wir uns zunächst an, welche weißen Steine denn fehlen Das sind die drei Bauern [Bc2], [Bf2] und [Bg2]. Weiß konnte selbst nicht schlagen, da Schwarz noch “alle Mann an Bord” hat, gleichzeitig gab es zwei Bauernschläge durch Schwarz. Daraus können wir schon eine Menge Schlussfolgerungen ziehen:
Es ist leicht zu sehen, dass [Bf2] auf f6 geschlagen wurde. Ebenso sehen wir schnell ein, dass [Bc2] auf der c-Linie sterben musste. Wie konnte aber [Bg2] verschwinden?

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Silvio Baier 45

Schon lange habe ich keinem so jungen Retrofreund zum runden Geburtstag gratulieren können wie Silvio Baier, der heute seinen 45. Geburtstag feiert. Und in den jungen Jahren hat er schon viele bedeutende Erfolge gefeiert: Amtierender Kompositions-Doppelweltmeister, 1., 3.-4. und 6.-8. Platz beim letzten WCCT, womit er allein Deutschland auf Platz 1 der Retro-Länderwertung katapultiert. In Anerkennung dieser Erfolge hat ihm der Deutsche Schachbund die goldene Ehrenplakette verliehen. Und vergessen wir nicht: Lange Jahre hat er der Schwalbe auch als höchst kundiger Sachbearbeiter für Hilfsmatts zur Verfügung gestanden.

Lieber Silvio, zum runden Geburtstag meine herzlichen Glückwünsche; alles Gute für dein neues Lebensjahr, weiterhin so viel Erfolg mit deinen großartigen Beweispartien!

Hoch komplex, entsprechend lang sind sie meist; für zwischendurch zum Mitfeiern habe ich für euch eine recht kurze herausgesucht; Silvio hat sie in einer Themen-Serie komponiert, als er noch keine 30 Jahre alt war.

Silvio Baier
Die Schwalbe 2008
Beweispartie in 10,5 Zügen (15+16)

 

Die Lösung gibt es wie immer in etwa einer Woche hier!

 

 

Und hier ist sie nun, nach dem Tipp von Henrik Juel im Kommentar auch sicher nicht mehr schwer zu finden?!

Lösung


Retro der Woche 45/2023

Vor vier Wochen habe ich den zweiten Preis beim Champagne-Turnier 2023 aus der argentinischen Werkstatt Osorio/Lois vorgestellt. Heute möchte ich euch den zweiten Preis aus dem StrateGems Informalturnier 2005 zeigen — wieder von diesem Duo. Den ersten Preis in diesem Turnier könnt ihr euch als Retro der Woche 18/2021 noch einmal anschauen.

Jorge J. Lois & Roberto Osorio
StrateGems 2005, 2. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (14+14)

 

Bei Weiß fehlen zwei Bauern, bei Schwarz das Läuferpaar; [Lc8] wurde also offensichtlich auf b3 geschlagen. Was ist mit dem anderen weißen Schlag? Der kann nicht dxc3 gewesen sein: Dann hätte sich [Bc2] zwar auf c6 opfern können, aber Schwarz bleibt (sowieso) kein Schlag des [Be2], aber auch der kann nicht mehr geschlagen haben, um sich umzuwandeln.

Also stamm Bc3 von c2, und [Bd2] sowie [Be2] haben sich auf d8 umwandeln müsse. Dabei hat [Be2] also [Lf8] geschlagen — auf e6 oder auf e4.

Und was können wir aus dem Zählen der schwarzen Züge ableiten?
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Retro der Woche 41/2023

Vor einigen Tagen hatte ich hier bereits auf den nun vollständigen Preisbericht zum Champagne-Turnier 2023 hingewiesen. Das Ergebnis wurde bereits auf dem WCCC in Batumi bekanntgegeben, die Schriftfassung ließ aus verschiedenen Gründen etwas auf sich warten und konnte so auch ein paar notwendige Korrekturen berücksichtigen.
Gefordert waren Rochade-Retros, auch Märchenelemente waren zugelassen. Und so gewann Dirk Borst den ersten Preis in der Beweispartien-Abteilung mit der Zusatzbedingung “Circe Rex Inclusive”.

Heute möchte ich den zweiten Preis vorstellen, eine wie ich finde sehr bemerkenswerte Darstellung einer Pseudo-Rochade aus der argentinischen Werkstatt Osorio/Lois.

Roberto Osorio & Jorge J. Lois
ChampagneTurnier 2023, 2. Preis Abteilung A
Beweispartie in 25 Zügen (13+14)

 

Eigentlich spricht auf den ersten Blick nichts gegen eine normale kurze Rochade der schwarzen Partei: Über die b-Linie könnte sTg4 heraus kommen, und wir müssen nur Weiß irgendwie den [Lf8] verschwinden zu lassen. Aber betrachten wir zunächst die fehlenden Steine: Bei Schwarz fehlen beide Läufer: der eine ist offenbar zu Hause, der andere auf f3 geschlagen worden.
Bei Weiß fehlen offenbar die Dame sowie a- und b-Bauer, die beide nicht geschlagen haben können. Also starb [Ba2] auf a6 und die weiße Das auf g6, während [Bb2] ohne geschlagen zu haben verschwand: Entweder als Bauer auf der b-Linie oder als Umwandlungsstein irgendwo.

Und was ist mit den sichtbaren Zügen? Da haben wir bei Weiß (0-0-0 vorausgesetzt) 2+2+2+3+3+5=17, bei Schwarz nur (0-0 vorausgesetzt) nur 1+0+3+0+3+2=9!!

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Retro der Woche 39/2023

Bis zu seinem Tod hatte Milan Velimirović (21.4.1952–25.2.2013) die Problemzeitschrift MatPlus herausgegeben — eine der bedeutendsten und besten Zeitschriften um den Jahrtausendwechsel. Seit 2007 führte dort Hans Gruber eine Retroabteilung, die sich dem hohen Niveau dort natürlich anpasste: nicht nur mit einem hervorragenden Urdruckteil, sondern auch mit bedeutenden Artikeln.

Den ersten Preis des ersten Retro-Jahrgangs möchte ich euch heute zeigen — den ersten Preis des Folgejahres hatte ich in der letzten Woche schon vorgeführt.

Michel Caillaud
MatPlus 2007, 1. Preis
Beweispartie in 18,5 Zügen (14+15)

 

Das schaut schon überraschend aus, dass Weiß offenbar 18 Züge lang Zeit zu vertrödeln hat, denn er muss ja (neben e4 zu ziehen) nur seinen beiden fehlenden Steine [Dd1] und [Bc2] loswerden — die Dame wurde offenbar auf e6 geschlagen, da [Bc2] dort gar nicht hingelangen konnte, da bei Schwarz nur ein Stein fehlt: [Bg7].

Schwarz benötigte alle 18 Züge, um seine Position im Diagramm einzunehmen: Wir sehen 1+2+6+2+4+1=16 schwarze Züge im Diagramm, aber offenbar war auch Lc8-d7-c8 erforderlich, um [Ta8] vor die Tür zu lassen. Also wurde [Bg7] zuhause geschlagen — und das kann doch die Dame bequem auf ihrem Opfergang nach e6 erledigt haben? Nein, denn sie muss bereits im dritten Zug geschlagen werden, damit Schwarz nicht wegen der im Zentrum so verschlossenen Stellung in Zugnot gerät.

Na gut, dann halt z.B. [Sg1] in acht Zügen mit seiner Rückkehr nach Hause — das sollte doch kein Problem sein?

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