Retro der Woche 35/2022

Vor anderthalb Wochen hatte ich auf die Neuauflage der „Letzte Züge“ Broschüre von Dmitrij Baibikov, Alain Brobecker und Thierry Le Gleuher hingewiesen und einen dieser Rekorde als „zwischendurch“ Aufgabe vorgestellt. Heute möchte ich auf einen anderen dort zitierten Rekord eingehen.

Dmitrij Baibikov
Phénix 2018
Letzte 59 Einzelzüge? (12+11)

 

Die fehlenden vier weißen Steine wurden mittels c7xXd6xYe5 sowie bxcxd geschlagen, darunter auch die ursprünglichen weißen Bauern f2, g2 und h2 — die sich also allesamt umgewandelt haben müssen. Zwei weiße Bauernschläge sieht man im Diagramm, nämlich axZb3 und dxc. Damit bleiben drei Schläge für die umgewandelten weißen Bauern auf ihrem Weg zur achten Reihe frei.

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Längenrekorde

Dmitrij Baibikov, Alain Brobecker & Thierry Le Gleuher haben eine aktualisierte Übersicht über die “letzte Züge?” Längenrekorde veröffentlicht, die ihr z.B. hier herunterladen könnt.

Das sind 30 Seiten sehr erbauliche Lektüre; die Rekorde werden nach Steinezahl und Typ (etwa Typ A: Kein König im Schach, es wird nicht gesagt, wer am Zug ist) sortiert; neben den Lösungen finden sich noch interessante Informationen zu Computertests, Lösungen, Updates zur vorherigen Übersicht, zu Referenzen, Namensindex und Retro-Internet-sites.

Natürlich lasse ich euch eine Aufgabe zum Lösen hier: Interessant, dass dieser 15-Steiner vom Typ A gleich 17 eindeutige letzte Einzelzüge zeigt, während der Rekorsd bei 14-Steinern vom Typ A bei sechs (!) liegt. Das sollte doch euren Ehrgeiz wecken?!

Dmitrij Baibikov
Length records, April 2009
Letzte 17 Einzelzüge? (7+8)

 

Natürlich gibt es hier in etwa einer Woche hier wieder die Lösung — viel Spaß!

 

Lösung

R: 1.Sd7-b8 h4-h3 2.Sf6-d7 h5-h4 3.Sg8-f6 h6-h5 4.g7-g8=S h7-h6 5.h6:Sg7 Se6-g7 6.h5-h6 Sc5-e6 7.h4-h5 Sa4-c5 8.h3-h4 Kb5-a5 9.h2-h3

Retro der Woche 05/2022

Am ersten Weihnachtstag 2021 hatte ich hier im Blog als neuen Längenrekord-Versuch eine Beweispartie mit 59,0 Zügen von Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym und Boris Tummes vorgestellt. Doch diese Fassung erlebte nicht mehr das neue Jahr, an Silvester musste ich einen Dual veröffentlichen, den Michael Kosulja entdeckt hatte.

Das ließ Andrej, Werner und Boris nicht ruhen, und so stellen sie hier und heute eine Korrekturfassung mit gleichfalls 59,0 Zügen vor.

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes
Rund um die Retroanalyse 2021 (Korrektur Urdruck)
Beweispartie in 59 Zügen (14+14)

 

Der Unterschied zur „Weihnachtsfassung“ besteht in einem einzigen Zug, nämlich 57.Tf5-f6 (statt 57.Tf5-e5). Dieser Zug verursacht jedoch ein extra Tempo, denn der von f8 stammende Umwandlungsturm kann das Feld f6 theoretisch schon in einem Zug (Tf8-f6) erreichen, hier sind aber zwei (Tf8-f5-f6) intendiert.

Bittere Erfahrungen lehrten die Autoren, dass ein extra Tempo fast immer zu Dualen führt. Aus diesem Grund präsentieren sie zusätzlich einen „Plan B“, nämlich eine Stellung mit 58,5 Zügen ohne extra Tempo; sie hoffen, dass wenigstens einer der zwei Rekordversuche Bestand haben wird.

Und dafür drücke ich natürlich fest alle zur Verfügung stehenden Daumen!

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes
Rund um die Retroanalyse 2021 (Korrektur Urdruck)
Beweispartie in 58,5 Zügen (14+14)

 

Meine Empfehlungen für Löseversuche bzw. zum mehrfachen Durchspielen der Lösungen gelten natürlich auch für diese beiden Korrekturfassungen: Im Endeffekt solltet ihr die einfach genießen.

 

Beweispartie in 59 Züge


Und hier nun die Lösung der „Ersatzfassung“:

Beweispartie in 58,5 Züge


Ihr macht euch natürlich um das Problemschach verdient, wenn ihr nun noch prüft: Der alte Rekord von Pronkin und Frolkin ist intensiv getestet worden, und es wäre gut, wenn auf diese Weise auch das Vertrauen in die Korrektheit dieser beiden Fassungen gesteigert werden könnte!

Rekord gekocht

Eben erhielt ich von Andrej Frolkin die Mitteilung, dass der Längenrekord für orthodoxe Beweispartien, der hier am ersten Weihnachtstag urgedruckt wurde, doch noch defekt ist:

Michail Kosulja fand: 1.a4 h5 2.a5 h4 3.a6 h3 4.a:b h:g 5.h4 d5 6.h5 d4 7.h6 d3 8.h7 d:c 9.d4 a5 10.Lh6 c1T 11.e4 Tc5 12.Se2 Th5 13.e5 c5 14.e6 Sc6 15.b8T a4 16.Tb4 a3 17.Ta4 c4 18.b4 c3 19.b5 Da5 20.b6 g1T 21.b7 Tg4 22.b8T c2+ 23.T8-b4 Lb7 24.d5 0-0-0 25.e:f e5 26.d6 Kb8 27.d7 Lc5 28.f8T Se7 Tf3 a2 30.Tf-a3 Sc8 31.f4 g5 32.f5 Te-g8 33.f6 e4 34.f7 e3 35.f8T Tg6 36.Tf2 Tf4 37.Dd6+ Ka8 38.Sc3 Th-f8 39.Td1 T8-f7 40.h8T a1D 41.Te8 c1D 42.Lf8 g4 43.Sa2 g3 44.Dc7 g2 45.d8T g1T 46.Td6 Tg1-g5 47.Sg3 Dg7 48.Ld3 Ld4 49.0-0 e2 50.Te5 e1T 51.Lb1 Sd8 52.Td3 Lg2 53.Se4 Dc6 54.Sc5 Te3 55.Tc2 Sb6 56.Tf1-f3 Sc4 57.Sb7 Sb2 58.Tb-c4 De8 59.Sb4 Te1#.

Das ist sehr bedauerlich; ich drücke den drei Verfassern die Daumen, dass deren Backup-Version in 58,5 Zügen korrekt bleibt!

59 Züge

Nachtrag 31.12.2021:
Leider ist der Versuch noch nebenlösig!

Am vierten Advent hatte ich noch gefragt, wie lange eurer Meinung nach der bestehende Längenrekord für (orthodoxe) Beweispartien wohl noch Bestand haben werde — und sechs Tage später präsentieren vier Autoren ihre Überbietung!! (OK, ich gebe zu: Als ich die Frage stellte, kannte ich schon die Antwort…)

Vor knapp fünf Jahren war der Versuch der ersten drei Autoren noch von Boris Tummes gekocht worden, nun hat er das Autorenteam verstärkt — und herausgekommen ist eine Beweispartie, die nun drei Halbzüge länger ist als der bisherige Rekord.

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes
Urdruck
Beweispartie in 59 Zügen (14+14)

 

 

Kurz noch einmal zur Geschichte:
In den Jahren 1988/89 arbeiteten Pronkin und Frolkin elf Monate lang mit Hunderten von Positionen. Eine erste Rekordfassung (mit 58,0 Zügen) erschien in der Schwalbe im Juni 1989, eine kleine Korrektur (mit 57,5 Zügen), der bisherige Rekord, im Februar 1990. 2016 unternahm Frolkin, von Keym unterstützt, einen zweiten Versuch (Die Schwalbe , Februar 2017); doch wurde ihre Beweispartie (58,5 Züge) von Tummes als dualistisch nachgewiesen (Die Schwalbe, April 2018). In einem dritten Anlauf gelang Frolkin im Dezember 2021 gemeinsam mit Keym und Tummes der Durchbruch, der neue Rekord mit 59,0 Zügen.

Ich will euch gar nicht empfehlen, die Aufgabe selbst zu lösen — wer das dennoch machen will, wer noch weiter prüfen will, ist natürlich herzlich eingeladen!

Ansonsten: Spielt zuerst einmal die Lösung genüsslich durch, stellt euch für die nächsten Male im Prinzip die gleichen Fragen, wie ich sie für den alten Rekord vorgeschlagen hatte — und zum Schluss versucht einmal die Kniffe zu ergründen, mit denen den fantastischen Vier die Verlängerung gelang? Viel Spaß und anregende Beschäftigung wünsche ich euch dabei!

Lösung


Und den Vieren gilt mein herzlicher Glückwunsch zu dieser Großtat — und mein ebensolcher Dank, dass sie mir die Ehre zuteilwerden ließen, diese Superaufgabe hier im Blog urzudrucken und damit auf einen sicheren ersten Preis in einem beliebigen Informalturnier zu verzichten. Übrigens soll in der Schwalbe 2022 hierzu ein Aufsatz „aus erster Hand“ erscheinen, auf den ich schon sehr gespannt bin.

Retro der Woche 13/2020

Auch im Problemschach gibt es immer wieder die Jagd nach Rekorden – seien das etwa Häufungen bei Umwandlungen oder seien das Längenrekorde.

Auch für Beweispartien gibt es verschiedene Längenrekorde — heute möchte ich euch den aktuellen für schlagfreie vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Phénix 1997, 3. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 40,5 Zügen (16+16)

 

Dass die Aufgabe „nur“ eine ehrende Erwähnung erhielt, lag sicher auch daran, dass zu der Zeit der Längenrekord noch auf 43 Züge stand , der aber im Jahr 2019 gekocht wurde (siehe P0002554) — und damit rückte unsere heutige Aufgabe nach oben.

Natürlich entfallen hier Hilfen durch Doppelbauern, die es nicht geben kann, da noch „alle Mann an Bord“ sind. Dafür gibt es aber andere Anhaltspunkte, an denen wir uns bei der Lösungssuche orientieren können.

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Neuer Längenrekord!

Das heute erschienene Schwalbe-Februarheft wartet mit einer Sensation auf:

Andrej Frolkin und Werner Keym haben den Längenrekord eindeutiger Beweispartien verbessert!!

Sie haben dabei das Schema des bisherigen Rekords, der bei 57,5 Zügen stand (siehe PDB P0000136), genommen, und den beiden ist es in etwa achtmonatiger intensiver Arbeit gelungen, zwei weitere Halbzüge herauszukitzeln, womit sie den Rekord auf 58,5 Züge erhöhen!

Um mit Oliver Kahn zu sprechen: “Hier ist das Ding!”

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym
Die Schwalbe 2017
Beweispartie in 58,5 Zügen (14+14)

 

In dem Schwalbe-Artikel erläutert Werner Keym die Lösung ausführlich; hier will ich sie unkommentiert wiedergeben in der Hoffnung, dass ihr euch ein wenig damit beschäftigt, um die Motivation einzelner Manöver herauszufinden. Die Autoren bitten übrigens darum, die Aufgabe intensiv zu prüfen!

1.a4 h5 2.a5 h4 3.a6 h3 4.axb7 hxg2 5.h4 d5 6.h5 d4 7.h6 d3 8.h7 dxc2 9.d4 a5 10.Lh6 c1=T 11.e4 Tc5 12.Se2 Th5 13.e5 c5 14.e6 Sc6 15.b8=T a4 16.Tb4 a3 17.Ta4 c4 18.b4 c3 19.b5 c2 20.b6 c1=T 21.b7 Tc4 22.b8=T Da5+ 23.T8b4 Lb7 24.Sbc3 O-O-O 25.exf7 e5 26.Tc1 Lc5 27.f8=T a2 28.Tf3 a1=T 29.Sa2 g1=D 30.Tfa3 Dg6 31.f4 De8 32.f5 g5 33.f6 g4 34.f7 g3 35.f8=T g2 36.Tf5 g1=T 37.Lf8 Tg7 38.Sg3 e4 39.Ld3 e3 40.O-O e2 41.T1c3 e1=T 42.Lc2 Te3 43.d5 T8d7 44.d6 Tdf7 45.d7+ Kb8 46.Dd6+ Ka8 47.Dc7 Sge7 48.d8=T+ Sc8 49.Td7 Thg8 50.h8=T Tae1 51.Th6 T1e2 52.T1f2 Tce4 53.Kf1 Ld4 54.Tfc5 Se5 55.Thb6 Sd6 56.Sf5 Sdc4 57.Sd6 Sb2 58.T3c4 Sf3 59.Db8+.

Wer nun die Geschichte der Beweispartie-Längenrekorde ein wenig nachverfolgen möchte, den lade ich zu einer Tour durch die PDB ein:

Es begann 1913 mit Thomas R. Dawson und 15,0 Zügen (P0002274), wobei er anmerkte “I expect this task to go much further.” — er sollte Recht behalten!

Nach dem 2. Weltkrieg beschäftigte sich Karl Fabel intensiv mit dem Längenrekord, und er fand ein sehr ergiebiges Schema und damit 1947 einen neuen Rekord von 41,5 Zügen (P0001427); dieses Schema haben dann Michel Caillaud 1982 auf 47,0 Züge (P0002337) und fünf Jahre später Karl-Heinz Bachmann auf 48,0 Züge (P0002277) gesteigert. Dann folgte 1989 der schon erwähnte Riesensprung auf 57,5 Züge, der nun 28 Jahre später um einen weiteren Zug überboten wurde.

Meine Frage nicht nur an Andrej und Werner: Haltet ihr 60 Züge für möglich? (Man wird doch noch träumen dürfen…)

Nachtrag 11.02.2017: Der vollständige Artikel zu dieser Aufgabe ist nun im Internet auf der Schwalbe-Seite (unter “Leseproben aus der Schwalbe”) aufrufbar.