Retro der Woche 35/2022

Vor anderthalb Wochen hatte ich auf die Neuauflage der „Letzte Züge“ Broschüre von Dmitrij Baibikov, Alain Brobecker und Thierry Le Gleuher hingewiesen und einen dieser Rekorde als „zwischendurch“ Aufgabe vorgestellt. Heute möchte ich auf einen anderen dort zitierten Rekord eingehen.

Dmitrij Baibikov
Phénix 2018
Letzte 59 Einzelzüge? (12+11)

 

Die fehlenden vier weißen Steine wurden mittels c7xXd6xYe5 sowie bxcxd geschlagen, darunter auch die ursprünglichen weißen Bauern f2, g2 und h2 — die sich also allesamt umgewandelt haben müssen. Zwei weiße Bauernschläge sieht man im Diagramm, nämlich axZb3 und dxc. Damit bleiben drei Schläge für die umgewandelten weißen Bauern auf ihrem Weg zur achten Reihe frei.

Die Umwandlungen müssen wegen der schwarzen Bauernstellung im Osten für [Bf2] und [Bh2] auf g8 geschehen sein; [Bg2] kann sich dann auf f8 oder h8 umgewandelt haben, und die Schlagbilanz kann aufgehen.

Aufgelöst werden kann die Stellung erst nach axZb3 — aber das geht natürlich noch nicht so schnell, da dazu Schwarz zuerst auf a1 entwandelt haben muss: [Ba7] gehört natürlich zu den Schlagopfern des Weißen.

Damit liegt es nahe, mit der Entwandlung der weißen Dame zu beginnen, um dann auf dem Königsflügel schwarze Springer zu entschlagen, die dann die beiden weißen Springer auf der b-Linie befreien, um sie zur Entwandlung zu bringen. Und nach der dritte Entschlag entsteht der schwarze Offizier auf dem Brett, der dann auf a1 entwandeln kann.

Vielleicht mögt ihr nach diesen Vorüberlegungen die Stellungsauflösung versuchen?!

Lösung

R: 1.Dh4-f2 g3-g2 2.Dh8-h4 g4-g3 3.h7-h8=D g5-g4 4.h6-h7 g6-g5 5.g5xSh6 Sf5-h6 6.g4-g5 Se3-f5 7.g3-g4 Sc4-e3 8.Sa4-b6 Sb6-c4 9.Sc3-a4 h3-h2 10.Se4-c3 h4-h3 11.Sf6-e4 h5-h4 12.Sg8-f6 h6-h5 13.g7-g8=S h7-h6 14.h6xSg7 Sf5-g7 15.h5-h6 Se3-f5 16.h4-h5 Sc4-e3 17.h3-h4 Sa5-c4 18.Sd8-b7 Sb7-a5 19.Sf7-d8 f4-f3 20.Sh6-f7 f5-f4 21.Sg8-h6 f6-f5 22.g7-g8=S f7-f6 23. 6xSg7 Sf5-g724. h2-h3 Se3-f525. f5-f6 Sc2-e3 26.f4-f5 Sa1-c2 27.f3-f4 a2-a1=S 28.f2-f3 a3-a2 29.a2xTb3 Ka4-b4 30.c4-c5 etc.

Zwei Anmerkungen zu dieser Aufgabe noch von mir:

Später sind (mit etwas mehr Steinen) von Thierry Le Gleuher neue Längenrekorde veröffentlicht worden, die deutlich die 100-Züge-Marke überschreiten (siehe die oben erwähnte Broschüre). Bei denen spielt allerdings die 50-Züge-Regel eine entscheidende Rolle für die Lösbarkeit und Korrektheit dieser Aufgaben; unser heutiges Retro der Woche bildet den absoluten Längenrekord für Aufgaben vom Typ A (es ist nicht angegeben, wer am Zug ist, kein König steht im Schach).

Die Aufgabe ist „nur“ eine Version eines Baibikov-Stücks aus dem Jahr 2015 (siehe P1353149 in der PDB, der ich als Phénix-Preisrichter für die Jahre 2015 bis 2016 den ersten Preis verliehen hatte: Versetze die schwarze Dame nach b7, ohne wSb7, dann „Letzte 60 Einzelzüge?“ Hat die heutige Aufgabe überhaupt eine Lebensberechtigung, wo auch ein Kommentator in der PDB hierzu schrieb: „Schoenes Problem. Aber warum diese Fassung, da die 60 Zuege besser sind?“
Stimmt ihr dem Kommentator zu? Ich ehrlich gesagt nicht so ganz, da eine „Typ-A Stellung“ natürlich viel schwerer zu konstruieren ist als eine „Typ-C Stellung“ (eine Seite steht im Schach): Dort ist klar, welche Seite am Zug ist; durch den Zwang, das Schachgebot mit der ersten Zugrücknahme aufzuheben, ist auch die Auswahl stark eingeschränkt. Und nein, durch Rücknahme des Schachgebots hat man noch keine eindeutige Auflöse-Aufgabe vom Typ A vor sich! Nicht zufällig führt man für diese Typen unterschiedliche Rekordlisten.

Insofern ist nach meinem Geschmack unsere heutige Fassung „künstlerisch wertvoller“ als das längere und ältere Stück.

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