Harry Goldsteen 26.7.1939–5.6.2021

Nachtrag 11.6.21 siehe unten!

Eben erhielt ich von seinem Freund und Unterstützer Aran Köhler die traurige Nachricht, dass Harry Goldsteen in der letzten Nacht nach kurzer Krankheit verstorben ist.

Harry verlor durch den Naziterror quasi seine ganze Familie, wuchs in schwierigen Verhältnissen auf und konnte sich schon in der Schule besonders durch sein Mathematik-Talent auszeichnen.

Seine problemschachliche Vorliebe galt der Retroanalyse. Er hat nicht viel komponiert, doch all seine Aufgaben sind inhaltlich und konstruktiv hervorragend. Spätestens mit seinem “Superpreis” aus dem Jahr 1989 P0002345 wurde er für seine klassischen Auflöse-Aufgaben weltbekannt.

Zu seinem Gedenken solltet ihr vielleicht noch einmal meinen Artikel “Entschlag auf der Fessellungslinie” im Juniheft 2020 der Schwalbe lesen, in dem diese Aufgabe, aber auch eine hervorragende Überbietung von ihm zitiert ist. Und vielleicht wollt ihr euch nun seine wahrscheinlich letzte Aufgabe, die ich im Dezemberheft 2020 veröffentlichen durfte, anschauen? Ich zitiere dabei aus dem gerade im Erscheinen befindlichen Juni-Heft die Lösungsangabe von Hans Gruber.

Harry Goldsteen †
18429 Die Schwalbe XII/2020
Matt? (13+13)

 

 

 

Lösung

Ja, es ist matt. Die Stellung ist legal, und die Auflösung hat es in sich: R 1.Th2xDh3# Dh4-h3 2.Lf7-e8 Dh3-h4 3.Ka6-a5 5.Ka8-a7! 8.Kd8-c8 Dh3-h4+ 9.Ke8-d8! 12.Ke5-d6 13.Le8-f7 Dh4-h3 14.Ke4-e5 Dh3-h4+ 15.Kd3-e4! 16.Ke3-d3 17.Lf7-e8 18.Ke4-e3 Dh3-h4+ 20.Kd6-e5 21.Le8-f7 22.Ke7-d6 Dh3-h4+ 23.Kf7-e7 Dh4-h3 24.g5-g6 Sg6-f8 25.c6-c7 Dh3-h4 26.Ke7-f7 Sh4-g6+ 27.Kf7-e7+ Dg4-h3 28.Th3-h2. Im weiteren Verlauf entwandelt sich die freie schwarze Dame auf a1, der schwarze a-Bauer zieht bis mindestens a6 zurück. Dies erlaubt die Rücknahme von wBa5xsSb6 (keine Angst vor Umwandlungsfiguren) und später sBc7xwSb6. Die beiden entschlagenen Springer können den Knoten auf der Diagonalen e8-h5 entwirren, der Rest löst sich dann leicht auf. Ein großartiger, komplexer und sehr origineller Retraktor. Im Wechselspiel mit seinem Läufer muss der weiße König alle Kräfte bündeln, um rechtzeitig auf die Diagonale zu kommen, ohne zwischendurch die schwarze Dame in die Bredouille (retropatt) zu bringen.
(Hans Gruber)

Ich bin stolz und glücklich, dass Harry einige seiner letzten großartigen Aufgaben in Die Schwalbe veröffentlicht hat; ich freue mich, dass ich mit ihm, der keinen Internet-Zugang hatte, der in den letzten Jahren auch unter Augenproblemen litt, über Aran korrespondieren konnte; dafür geht mein herzlicher Dank an Aran Köhler.

Ruhe Harry Goldsteen in Frieden!

Nachtrag 11.6.21: Mir war ein falsches Geburtsjahr mitgeteilt worden; dies habe ich nun korrigiert und auch die URL dieses Artikels angepasst.

Marko Klasinc 70

Heute gehen herzliche Glückwünsche zum 70. Geburtstag nach Slowenien zu Marko Klasinc!

Marko ist überwiegend Hilfsmatt-Komponist, hat jedoch auch eine ausgesprochene Vorliebe für Retros und dort speziell für Rückzüger aller Art: Bei ihm finden sich komplexe Hilfsrückzüger, aber auch Verteidigungsrückzüger; hier ist er besonderer Spezialist für den Typ Høeg.

Zur Feier seines Geburtstages habe ich aber ein anderes Stück herausgesucht, das euch sicher auch Freude bereitet beim „zwischendurch Lösen“!

Marko Klasinc
Jugoslawisches Studententurnier 1971, 2. Preis
h#2* (14+15)

 

Wie immer findet ihr in etwa einer Woche hier die Lösung.

 

Lösung

Bemerkenswert: hat Schwarz (im Satz) oder Weiß (im Spiel) zuletzt gezogen, so lässt sich jeweils ein Bauern-Doppelschritt als letzter Zug nachweisen!

* 1.– fxg6ep 2.hxg6 Sxg6#
1.dxe3ep Sxd7 2.Lxh2 fxe3#

Retro der Woche 19/2021

Kürzlich habe ich das Preisrichteramt für den Retro-Jahrgang 2020 von Phénix übernommen: etwa gleich viele Beweispartien (29) und sonstige Retros (28) stehen dort zur Beurteilung an. Ich habe mit der Reihung noch nicht begonnen, möchte euch aber aus dem Turnier ein klassisches Retro zeigen, das recht typisch für den Stil des Autors ist. Über eine mögliche Platzierung im Bericht kann ich natürlich noch nichts sagen — und selbst wenn ich es könnte, täte ich das selbstverständlich nicht…

Tom Volet
Phénix 2020
Löse die Stellung auf (14+12)

 

Die beiden fehlenden weißen Steine wurden auf e6 bzw. f6 geschlagen — wegen der Felderfarbe des Läufers geschah gxLf6 und dxSe6. Auch über die weißen Schlagfälle können wir schon eine Menge sagen: exf3, hxg sowie cxbxBa7. Der fehlende [Bc7] konnte mangels Schlagobjekten selbst nicht schlagen, musste also, um verschwinden zu können, schlagfrei auf c1 umwandeln.

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Retro der Woche 17/2021

Vor zwei Wochen hatte ich hier eine der beiden Aufgaben vorgestellt, die sich im Ceriani-Gedenkturnier, dessen Preisbericht vor genau 50 Jahren in Die Schwalbe erschien, die beiden Preise teilte; heute ist nun die andere Aufgabe an der Reihe.

Deren Autor, Josef Haas (28.1.1922—Nov. 2003), war Kriminalbeamter, und seine Retros zeigen immer wieder die Notwendigkeit kriminalistischen Gespürs für das Erschließen der Lösung; die Auswahl seiner Retro-Aufgaben, die er im Jahr 1999 im Eigenverlag veröffentlichte, träge den bezeichnenden Titel „Tatort Schachbrett“ – übrigens eine sehr empfehlenswerte Lektüre!

Josef Haas
Ceriani-Gedenkturnier, Preis ex aequo
Weiß nimmt 1 Zug zurück und setzt in 2 Zügen matt. b) wBb7 > h2 (11+11)

 

Bei Aufgaben dieser Art ist nicht nur das Finden der beiden Lösungen interessant, sondern auch stets die Begründung, weshalb die Lösung des einen Teils nicht im anderen funktioniert — solange dies nicht durch die Zwillingsbildung schon mechanisch ausgeschlossen ist.

Die Aufgabe ist recht komplex, deswegen greife ich hier gern auf die Lösungsangaben von Karl Fabel zurück, die er in „Meisterwerke der Retroanalyse“ (bearbeitet von Werner Keym in sechs immer noch sehr lesenswerten Folgen im Schwalbe-Jahrgang 1981 erschienen) veröffentlicht hat. Dabei bleibt euch immer noch etwas an „Eigenarbeit“ für das komplette Verständnis der Aufgabe. Aber die lohnt, das verspreche ich euch!

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Das gefällt mir!

Das gefällt mir, darüber habe ich mich gefreut! So schrieb heute Walter Lindenthal:

“Übrigens, das `Zwischendurch´ vom 9.4. hat mir gut gefallen. Ich habe daher nach Myllyniemi recherchiert und … ein weiteres Beispiel zu Letzte 5 Züge? gefunden, bei dem es zwar nicht um ein Doppel-e.p. geht, aber dafür um …”

Matt Myllyniemi
Die Schwalbe 1975
Welches waren die letzten 5 Einzelzüge? (3+15)

 

Lösung und Thema findet ihr sicher selbst? Ansonsten hier in etwa einer Woche…

Und wenn ihr auch Vorschläge “für zwischendurch” oder für ein “Retro der Woche” habt: Immer her damit!

Lösung

R: 1.0-0-0# Ke5-d6 2.exd3ep d2-d4 3.b2=L usw.

Valladão-Task in nur fünf Halbzügen.

Gerald Ettl 50

Heute gehen herzliche Glückwünsche nach Meitingen im Landkreis Augsburg: Gerald Ettl vollendet die erste Hälfte eines Jahrhunderts!

Gerald ist nicht nur ein sehr vielseitiger Komponist (seine PDB-Einträge umfassen 400 Aufgaben aus quasi allen Genres) und Schachpublizist, worüber seine Website genaueren Aufschluss gibt: Hier seien seine Datenbank und seine Problemschach-Videos besonders hervorgehoben.

Ein wichtiger Schwerpunkt seines Problemschaffens sind klassische Retros (überwiegend mit den Forderungen „letzte n Züge?“ oder „Löse auf“); für heute habe ich ein Stück herausgesucht, das nun genau halb so alt ist wie der Autor:

Gerald Ettl
Die Schwalbe 1996, 2. Preis Abt. I
Löse die Stellung auf! (13+15)

 

Preisrichter Ronald Schäfer schrieb dazu: „Diese Aufgabe zeigt ein weit vorausschauendes Tempogewinnmanöver. Wenn Schwarz mit dem Rückspiel beginnt, dann würde einem der sLäufer nach dem 14. Zug der Rückweg versperrt werden.“ Das wollt ihr doch sicher auch selbst untersuchen und lösen?!

Lösung

1.Tf2-g2 b5xSc4 2.Se3-c4 a5-a4 3.Sf5-e3 Sf3-h4 4.Sh4-f5+ Sd4-f3 5.Tg2-f2 Sf3-d4 6.La7-g1 Sg1-f3+ 7.Lb8-a7 a6-a5 8.b7-b8=L a7-a6 9.a6xDb7 … 12.– De3-g3 13.Tf3-f2 b6-b5 14.Te3-f3 b7-b6 15.Te5-e3. Der wT entwandelt sich auf c8, der wB geht nach c2 zurück, dann: 22.– c3xS,Dd2 usw.

Lieber Gerald, für den heutigen Tag wünsche ich dir auch auf diesem Wege alles Schöne, für dein nächstes halbes Jahrhundert alles denkbar Gute!

Aktueller geht’s kaum

Die Aufgabe, die ich euch heute für “zwischendurch” am Wochenende zeigen möchte, ist zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen noch keine drei Stunden alt: Andrew hat sie heute Morgen unserer Zeit (in Singapur ist es da schon später…) in der facebook-Gruppe “Chess Endgame Studies and Compositions” veröffentlicht.

Andrew Buchanan
facebook.com, 17.4.2021
a) Letzte zwei Züge? b) Kürzeste Beweispartie? (11+16)

 

Viel Spaß dabei — die Lösung findet ihr hier in etwa einer Woche!

 

Lösung

b) Beweispartie in 9 Zügen

a) Unabhängig von der Zugbeschränkung der Beweispartie lassen sich für die Diagrammstellung die letzten beiden Halbzüge für jede mögliche, auch beliebig lange, Beweispartie beweisen: Weiß hat keinen letzten Zug, also muss Schwarz zuletzt gezogen haben und dabei Weiß einen dann letzten Zug zur Verfügung stellen. sBh2 hat alle fehlenden weißen Offiziere geschlagen, also auch [Ta1], sodass DxBa3 nicht letzter Zug gewesen sein kann. [Th1] ist der einzige, der den Bauernkäfig nicht verlassen konnte, er muss also auf h2 geschlagen worden sein, und davor konnte er nur schlagfrei von h1 gekommen sein.

Retro der Woche 15/2021

Im Aprilheft der Schwalbe 1971, also vor genau 50 Jahren, erschien der Preisbericht zum Ceriani-Gedenkturnier.

Der Italiener Luigi Ceriani (23.1.1894 — 8.10.1969) war sicherlich der bedeutendste Retro-Spezialist der Mitte des letzten Jahrhunderts. Sein Schwerpunkt war die klassische Retroanalyse, die er letztendlich als akzeptiert eigenständiges Problemgebiet etablierte, aber auch andere Themen in diesem Umfeld, z.B. die Ortho-Rekonstruktion, wo die Diagrammstellung mit geändertem Anzug erspielt werden soll. Auch mit „Märchenretros“, etwa solchen auf Zylinderbrettern, hat er sich beschäftigt.

Sein Freund Karl Fabel hatte das Turnier im Februar 1970 in der Schwalbe ausgeschrieben, Einsendeschluss beim Turnierdirektor Theodor Steudel war der 31.12.1970. Preisrichter Fabel vergab unter 15 eingereichten Stücken zwei geteilte Preise; eines der Stücke möchte ich heute zeigen.

Werner Keym
Ceriani-Gedenkturnier, Preis ex aequo
Matt in weniger als 1 Zuge (14+13)

 

„Weniger als ein Zug“ bedeutet ja, dass ein Teil eines Zuges bereits geschehen ist, dieser also „nur noch“ komplettiert werden muss.

Theoretisch kann das der Teil eines beliebigen Zugs eines Langschrittlers sein: So könnte man etwa argumentieren, wLe6 komme von f7 oder von g8, und es gehe also Lg8xd5# oder Lf7xd5#. Aber so wird die Forderung nicht verstanden, sondern im Sinne der Vollendung eines der „Spezialzüge“ Rochade oder e.p..-Schlag.

Eine unvollendete Rochade ist hier weit und breit nicht zu entdecken, also können wir davon ausgehen, dass es um e.p.-Schlag geht. Und das tut es reichlich!

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