Retro der Woche 14/2017

Auch heute möchte ich euch wieder ein klassisches Retro vorstellen, bei dem die letzten (eindeutigen Züge) zu finden sind. Solche Aufgaben müssen übrigens trotz der relativ langen Zügezahl nicht unbedingt schrecklich schwer zu lösen sein.

Thierry le Gleuher
Probleemblad 2003
Letzte 42 Halbzüge (14+13)

 

Je nachdem, ob ich zunächst „oben“ oder „unten“ aufs Brett schaue, fallen sofort zwei Stellungsmerkmale ins Auge, die für die Auflösung wichtig sind: „Oben“ fällt auf, dass das Schachgebot gegen den weißen König nur durch Rücknahme der schwarzen langen Rochade aufgehoben werden kann. Das verrät nicht nur, welche Seite mit der Rücknahme beginnt und wie der erste Rücknahmezug lautet, sondern macht dann anschließend sTa8 und sKe8 retro-unbeweglich: Sie dürfen keine Züge mehr zurücknehmen, da sie ja „in der Zukunft noch rochieren werden“.

„Unten“ fällt sLe1 auf: er muss ein Umwandlungsstein sein, denn anders hätte er neben wBd2 und wBf2 das Feld e1 nicht erreichen können.

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Retro der Woche 12/2017

Das gerade beendete Troizki-Retro-Gedenkturnier war zwar nur mit acht Aufgaben beschickt worden, die zeigten allerdings teilweise sehr hohe Qualität, sodass sich das Turnier auf alle Fälle gelohnt hat.

Heute stelle ich den ersten, in der kommenden den zweiten Preis vor, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr meiner Einschätzung des Turniers zustimmen werdet.

Dmitri Baibikow
Troizki-Gedenkturnier 2017, 1. Preis
Letzte 41 Halbzüge (13+12)

 

Wie üblich schauen wir erst einmal nach den Schlagfällen: Alle fehlenden schwarzen Steine sind durch weiße Bauernschläge erklärt: Bf3 kommt offensichtlich von e2, Bf5 von h2 und einer der b-Doppelbauern kommt von a2.

Bei Schwarz sieht man zunächst nur einen Schlagfall: einer der g-Doppelbauern kommt von h7. Andererseits wissen wir aber schon, dass beispielsweise die Bauern auf c7 und d7 nicht geschlagen haben können.

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Retro der Woche 10/2017

Der Ukrainer Michael Kusulja beschäftigt sich intensiv mit „Buchstabenproblemen“, in denen nur aus angegebenen Buchstaben die eigentliche Diagrammstellung erschlossen werden muss; gleich Buchstaben stehen dabei für gleiche Steine.

Mit dem Erschließen des Diagramms ist aber meist bei ihm nicht Schluss, sondern hier gilt es dann noch retroanalytische Schlüsse zu ziehen.

Solch ein Stück möchte ich mir heute zusammen mit euch anschauen.

Michael Kosulja
Die Schwalbe 2015
Großbuchstaben sind weiß; letzter Zug? (14+14)

 

Wie kann man hier versuchen, systematisch zu lösen? Generell kann man das nicht sagen, man muss sich natürlich die Stellung anschauen.

Hier fällt schnell auf, dass nur „F“ bei Weiß und bei Schwarz je einmal vorkommt. Damit ist klar: „F“ ist der weiße, „f“ der schwarze König.

Von den anderen Buchstaben kommt als einziger „C/c“ nicht auf der ersten oder der achten Reihe vor; „C“ ist also ein weißer Bauer.

Nun haben wir nur noch vier Buchstaben, die wir den Offizieren zuordnen müssen.

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Retro der Woche 50/2016

Vor gut 10 Jahren hat sich Dmitri Baibikov intensiv mit Retros beschäftigt, in denen zunächst fehlende Steine zu ergänzen waren und dann die Stellung aufgelöst werden sollte. Besonders, wenn nichts über die Art und Anzahl der zu ergänzenden Steine gesagt ist, finde ich das eine sehr attraktive Forderungskombination.

Ein Beispiel habe ich für heute herausgesucht.

Dmitri Baibikov
Problem Paradise 2004-2005, 1.-2. Preis
Ergänze Steine und löse die Stellung auf. (12+13)

 

Wir sehen im Diagramm 25 Steine sowie je zwei Bauernschläge durch Weiß und durch Schwarz. Da der weiße König durch Läufer und Dame im Schach steht, müssen zwei Steine ergänzt werden, um die beiden Schachs aufzuheben. Denn auch der schwarze König steht (durch wSh3) im Schach, sodass wir wissen, dass Weiß mit der Rücknahme beginnen muss.

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Nachtrag zum RdW 48/2016

Bernd Schwarzkopf machte mich dankenswerter Weise darauf aufmerksam, dass das Thema des Retro der Woche 48/2016 schon früher bearbeitet wurde: In den Blättern 97 (5.9.1948) sowie 111 und 112 (15.12.1948) von Schachmatt stellte Karl Fabel unter dem Titel “Retro-Rekorde für jedermann!” Aufgaben vor mit “… kürzester Beweispartie, aus denen sich die letzten 2, 3, 4… Züge retroanalytisch ableiten lassen.”

Allerdings war für die Beweispartien (besser gesagt deren erste Züge) keine Eindeutigkeit verlangt, wie es erst seit den 1980er Jahren üblich geworden ist. Die im Sinne “größtmöglicher prozentualer Anteil der retroanalytisch ableitbaren Züge” beste Aufgabe gelang Karl Fabel mit Hugo August in Revista Romana de Sah 1949 mit dem Quotienten 16/33, also 48,5%: siehe P0001725.

Retro der Woche 48/2016

Beim französischen Treffen der Problemschachfreunde jedes Jahr am Pfingstwochenende (oder mit anderen Worten: Eine gute Woche nach Andernach) steht auch immer ein Retro-Kompositionsturnier auf dem Programm.

Im Jahre 2009 war das Thema besonders interessant: Es waren Beweispartien gefordert, für die eine möglichst lange Folge von „letzten Zügen“ im Sinne einer klassischen Auflöse-Aufgabe eindeutig sein sollte. Der Anteil an eindeutigen letzten Zügen in der Beweispartie sollte möglichst hoch sein.

Schauen wir uns den ersten Preisträger an.

Michel Caillaud
Messigny2007, 1. Preis
Beweispartie in 16 Zügen. Letzte 12 Einzelzüge? (12+14)

 

Hier ist der Anteil nun 12/32, also 37,5%. Lässt sich der noch steigern?

Beginnen wir mit dem „letzte-Züge-Anteil“ – dann ist ja anschließend nur noch eine Beweispartie in 10 Zügen zu lösen.

Bei Weiß fehlen die beiden Türme und die beiden Springer, bei Schwarz die Läufer. Offensichtlich wurden die Läufer vom [Ba2] geschlagen, und wegen der unterschiedlichen Felderfarben ist auch klar, dass diese Schläge auf b3 und c5 erfolgten. [Bh2] kann nicht geschlagen haben.

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Retro der Woche 44/2016

Gelegentlich stellen Autoren anstatt des üblichen „Löse auf!“ auch ganz konkrete Fragen zum Rückspiel, mit denen sie die Löser direkt auf den Inhalt der Aufgabe stoßen wollen. Gelegentlich sind darin die Konstruktion erleichternde Bedingungen enthalten; dies ist bei dem heutigen Beispiel allerdings nicht der Fall: Hier will der Autor mit seiner Frage sofort ein Ausrufezeichen setzen.

Nikolai Beluchow
Die Schwalbe 2014, Hugo August gewidmet, 1. Preis
Wie oft stand der schwarze König in den letzten 66 Einzelzügen im Schach? (16+10)

 

Wenn man kurz die Stellung betrachtet und sieht, wie der schwarze König im Zentrum eingekesselt ist von weißen Langschrittlern, so könnte man direkt auf den Verdacht kommen, dass das wohl 33 Mal gewesen sein könnte?!

Aber bevor wir diesem Verdacht nachgehen, wollen wir uns die Stellung etwas genauer anschauen: Weiß hat noch all seine Steine, während bei Schwarz insgesamt sechs Steine fehlen. Direkt sichtbar ist nur axb5, aber Weiß verfügt ja über zwei Umwandlungssteine: eine Dame sowie einen weißfeldrigen Läufer. Beide müssen, aus [Bg2] und [Bh2] entstanden, via f7 auf e8 oder g8 umgewandelt haben. Und damit sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt.

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Retro der Woche 29/2016

Nachdem ich in den beiden „Retros der Woche“ 27/2016 und 23/2016 den aktuellen Rekord der eindeutigen letzten Züge (ohne Nutzung der 50-Züge-Regel) und dessen Vorgänger besprochen hatte, möchte ich nun dessen Vorgänger vorstellen: Eine Aufgabe, die den Rekord 53 Jahre lang hat halten können — das Stück ist nun genau 75 Jahre alt!

Hugo August
Die Schwalbe 1941
Welches waren die letzten 54 Einzelzüge? (13+14)

 

Der Autor Hugo August war auf den Tag 56 Jahre älter als ich; sein Todesdatum ist mir nicht bekannt. Schon in jungen Jahren fiel er durch Last-Move Rekorde auf und war dann besonders in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts einer der bedeutendsten Retro-Verfasser, der gelegentlich auch Gemeinschaftsaufgaben mit z.B. Karl Fabel und Luigi Ceriani veröffentlichte.

Wie können wir uns nun der Lösung dieser Aufgabe nähern?

Zunächst einmal fallen die beiden weißen Doppelbauern auf, die die beiden fehlenden schwarzen Steine erklären.

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