Retro der Woche 13/2015

Der Franzose André Hazebrouck hat überwiegend klassische Auflöse-Retros gebaut und sich hierbei intensiv mit dem Thema „Retro-Opposition“ beschäftigt. Dabei geht es darum, dass in einer bestimmten Stellung (trotz beweglicher Figuren) kein Wechsel der Zugpflicht zwischen Schwarz und Weiß möglich ist, der für die Auflösung eigentlich erforderlich wäre.

Meist sind die Aufgaben von Hazebrouck hochkompliziert; heute habe ich ein für seine Verhältnisse etwas leichteres Stück herausgesucht.

André Hazebrouck
Die Schwalbe 1993, Günter Lauinger gewidmet, Ehrende Erwähnung
#1 (wer?) (14+13)

 

Schauen wir zunächst einmal, ob wir etwas über die fehlenden Steine herausfinden können: Die weißen Bauern haben offensichtlich drei Mal geschlagen: cxb, exd und f6/h6xg7, und damit sind alle drei fehlenden schwarzen Steine erklärt. Als schwarzen Schlagzug sehen wor zunächst nur f7xe6.

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Retro der Woche 12/2015

Heute möchte ich nicht nur eine tolle Aufgabe vorstellen, sondern auch noch einen Vergleich mit einem anderen Stück anstellen, das der Autor direkt bei seinem Urdruck als Basis benannt hatte. Dennoch vergab Preisrichter Gerd Wilts für dieses — wie man deswegen zunächst meinen sollte nicht allzu originelle — Problem den ersten Preis im Informalturnier einer weltweit sehr angesehenen Retro-Rubrik.

Silvio Baier
StrateGems 2010, nach Michel Caillaud, 1. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (15+11)

 

Offensichtliche Züge oder Schlagfälle durch Schwarz zu zählen ist schnell erledigt und nicht ergiebig, darum kümmern wir uns zunächst um die Züge der weißen Steine. Sofort fallen im Diagramm die drei schwarzfeldrigen weißen Läufer auf: Zwei Umwandlungen haben wir also schon erkannt.

Zählen wir nun die offensichtlichen Züge von Weiß; dabei lassen wir zunächst die schwarzfeldrigen weißen Läufer außer Betracht. Damit sehen wir 3+1+4+1+4+3=16 Züge, dies impliziert bereits den Doppelschritt des wBd4. Somit bleiben noch 13 Züge für die schwarzfeldrigen weißen Läufer.

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Retro der Woche 11/2015

Wenn es eines Beweises bedarf, dass Retro-Aufgaben nicht unbedingt eine „Forderung“ im klassischen Problemsinne benötigen, dann ist das Stück, das ich heute vorstellen möchte, ein hervorragendes Beispiel. (Bei der Lösungsbeschreibung stütze ich mich auf Anmerkungen von Andrej Kornilow und Henrik Juel.)

Harry Goldsteen
Probleemblad 1989, nach Andrej Frolkin, Superpreis
#1 (4+14)

 

Natürlich ist Weiß am Zug, da sein König im Schach steht, und das (sogar dualisitische) Matt mittels 1. exf8=D/T# lockt nun wirklich niemanden hinter dem Ofen hervor — aber darum geht es natürlich gar nicht.

Die spannende Frage ist natürlich, wie denn der Retroknoten im Norden aufgelöst werden kann, wie die weißen Steine denn wieder nach Süden gelangen können. Schwarz muss im letzten Zug natürlich den Springer von h7 nach f8 gezogen haben: Dabei kann er keinen weißen Stein geschlagen haben, da dies sofort zum Retropatt führt, da Weiß nun nur R 2.Le8xTf7 hat, und schon ist es vorbei.

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Retro der Woche 10/2015

Zur Zeit arbeite ich gerade am Preisbericht 2014 für die französische Zeitschrift Phénix, und da ist es auch mal wieder interessant anzuschauen, was dort in der Vergangenheit publiziert wurde.

15 Jahre vor meinem Berichtszeitraum erschien dort unser heutiges Retro der Woche, und diese Aufgabe fasziniert mich immer wieder — euch wird sie auch gefallen, da bin ich mir sicher!

Michel Caillaud
Phénix 1999, 1. Preis
Beweispartie in 25,5 Zügen (15+13)

 

Auch wenn nicht allzu viele Züge direkt offensichtlich erscheinen, können wir den dann nahe liegenden Gedanken „Umwandlungen“ schnell ad acta legen, wenn wir uns die Schlagbilanz anschauen: Bei Weiß fehlt nur die Dame, die offensichtlich auf f6 geschlagen wurde. Für den einzig fehlenden Bauern, [Bb7] bleibt nun kein notwendiges Schlagobjekt, da er wegen des wBb2 nicht auf seiner Linie schlagfrei umwandeln konnte.

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Retro der Woche 09/2015

Am heutigen Sonntag gehen herzliche Geburtstag-Glückwünsche nach Meisenheim am Glan, sie gelten Werner Keym. Lieber Werner, auch im Namen aller Leser dieses Blogs wünsche ich dir für dein neues Lebensjahr alles Gute!

Natürlich bietet es sich an, hier eine Aufgabe des Jubilars zu bringen — das mache ich aber heute nicht, denn bereits in der letzten Woche hatte ich hier eine tolle Aufgabe von Werner, die den ersten Preis im Schwalbe-Informalturnier 2008 erhalten hat, vorgestellt.

Statt dessen stelle ich eine Aufgabe vor, die sehr eng mit Werner Keym verbunden ist: Nicht nur wegen der Widmung.

Kostas Prentos & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2006, 1. Preis, Werner Keym gewidmet
Beweispartie in 26 Zügen (10+14)

 

Sofort fällt im Diagramm das Doppelschach gegen den weißen König auf: Das kann nur durch zurück d4:e3ep++ e2-e4, L–f5+ aufgehoben werden — damit haben wir schon mal die noch erforderliche Zügezahl für unsere Lösung verkürzt.

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Retro der Woche 08/2015

Heute möchte ich für die „Langversion“ des SchwalbeRetro-Preisberichts für das Jahr 2008 werben, der nun in einer Kurzfassung von auch noch fast acht Seiten im Februar-Heft 2015 der Schwalbe erschienen ist. Die Lang-Fassung könnt ihr hier im Blog herunterladen.

Hier zitiere ich also komplett den Kommentar des Preisrichters Nicolas Dupont zum ersten Preis in der Abteilung Klassische orthodoxe Retros.

Werner Keym
Die Schwalbe 2008, 1. Preis, Abteilung II
Matt in 3 Zügen (13+12)

 

Dieses ganz ausgezeichnete Werk wartet mit einem äußerst originellen und tief angelegten Thema auf, das die sehr hohe Auszeichnung voll gerechtfertigt. Die Lösung ist eindeutig und gleichwohl „nicht festgelegt“ (ein Phänomen, welches sich aus dem Gebrauch der PRA-Konvention erklärt (partielle retrograde Analyse), d.h. jede Genesis der Stellung schließt eine von beiden Rochade-Optionen für Schwarz aus, und jede der beiden Lösungen schließt die andere aus!

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Retro der Woche 07/2015

In der letzten Woche hatte ich hier den 1. Preis des Dupont Geburtstagsturniers vorgestellt; heute folgt, wie von einigen Kommentatoren gewünscht (und von mir sowieso vorgesehen …) der 2. Preis dieses hervorragenden Turniers, bei dem es um echoartige Umwandlungen ging.

Kostas Prentos & Andrej Frolkin
Dupont-50 2014, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (13+13)

 

Es erscheint im ersten Moment als lustiger Zufall, dass wie beim ersten Preis im Diagramm jeweils wieder bei Weiß und Schwarz drei Bauern fehlen. Doch trifft dieser „Zufall“ im Turnier nicht nur auf diese beiden Stücke zu, sondern es gibt noch mehrere Preisträger, bei denen nur Bauern fehlen, und zwar auf beiden Seiten die gleiche Anzahl. Dies scheint also für die Themendarstellung besonders geeignet zu sein.

Besonders auffällig im Diagramm sind die Bauernkonstellationen im Nordwesten und im Südosten: Irgendwie müssen die a- bzw. die h-Bauern ja aneinander vorbei gekommen sein. Dafür gibt es prinzipiell zwei verschiedene Möglichkeiten:

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Retro der Woche 06/2015

Im Aprilheft 2014 von Phénix ist der Preisbericht des Jubiläumsturniers zum 50. Geburtstag von Nicolas Dupont erschienen, die Ausschreibung dazu war auch hier im Blog erschienen.

Als Thema waren Beweispartien, die Echos zwischen schwarzen und weißen Umwandlungsfiguren zeigen, gefordert. Das Niveau des Turniers war sehr hoch, der Jubilar als Preisrichter hat die Hälfte der 28 eingesendeten Aufgaben ausgezeichnet.

Ziemlich sicher bin ich mir, dass wir den ersten Preis, den ich heute vorstellen möchte, gelegentlich wiedersehen werden — beispielsweise im FIDE-Album.

Michel Caillaud
Dupont-50 2014, 1. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (13+13)

 

Dass uns das Zählen der sichtbaren Züge noch nicht sofort weiterbringen wird, ist bei dem vorgegebenen Thema nicht verwunderlich, dennoch ist es schon einmal hilfreich. Bei Weiß sehen wir bereits 0+1+2+2+3+4=12 Züge, bei Schwarz 3+1+1+3+4+2=14 Züge. Kann uns die Bauernstruktur vielleicht mehr verraten?

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