Retro der Woche 10/2015

Zur Zeit arbeite ich gerade am Preisbericht 2014 für die französische Zeitschrift Phénix, und da ist es auch mal wieder interessant anzuschauen, was dort in der Vergangenheit publiziert wurde.

15 Jahre vor meinem Berichtszeitraum erschien dort unser heutiges Retro der Woche, und diese Aufgabe fasziniert mich immer wieder — euch wird sie auch gefallen, da bin ich mir sicher!

Michel Caillaud
Phénix 1999, 1. Preis
Beweispartie in 25,5 Zügen (15+13)

 

Auch wenn nicht allzu viele Züge direkt offensichtlich erscheinen, können wir den dann nahe liegenden Gedanken „Umwandlungen“ schnell ad acta legen, wenn wir uns die Schlagbilanz anschauen: Bei Weiß fehlt nur die Dame, die offensichtlich auf f6 geschlagen wurde. Für den einzig fehlenden Bauern, [Bb7] bleibt nun kein notwendiges Schlagobjekt, da er wegen des wBb2 nicht auf seiner Linie schlagfrei umwandeln konnte.

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Retro der Woche 09/2015

Am heutigen Sonntag gehen herzliche Geburtstag-Glückwünsche nach Meisenheim am Glan, sie gelten Werner Keym. Lieber Werner, auch im Namen aller Leser dieses Blogs wünsche ich dir für dein neues Lebensjahr alles Gute!

Natürlich bietet es sich an, hier eine Aufgabe des Jubilars zu bringen — das mache ich aber heute nicht, denn bereits in der letzten Woche hatte ich hier eine tolle Aufgabe von Werner, die den ersten Preis im Schwalbe-Informalturnier 2008 erhalten hat, vorgestellt.

Statt dessen stelle ich eine Aufgabe vor, die sehr eng mit Werner Keym verbunden ist: Nicht nur wegen der Widmung.

Kostas Prentos & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2006, 1. Preis, Werner Keym gewidmet
Beweispartie in 26 Zügen (10+14)

 

Sofort fällt im Diagramm das Doppelschach gegen den weißen König auf: Das kann nur durch zurück d4:e3ep++ e2-e4, L–f5+ aufgehoben werden — damit haben wir schon mal die noch erforderliche Zügezahl für unsere Lösung verkürzt.

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Retro der Woche 07/2015

In der letzten Woche hatte ich hier den 1. Preis des Dupont Geburtstagsturniers vorgestellt; heute folgt, wie von einigen Kommentatoren gewünscht (und von mir sowieso vorgesehen …) der 2. Preis dieses hervorragenden Turniers, bei dem es um echoartige Umwandlungen ging.

Kostas Prentos & Andrej Frolkin
Dupont-50 2014, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (13+13)

 

Es erscheint im ersten Moment als lustiger Zufall, dass wie beim ersten Preis im Diagramm jeweils wieder bei Weiß und Schwarz drei Bauern fehlen. Doch trifft dieser „Zufall“ im Turnier nicht nur auf diese beiden Stücke zu, sondern es gibt noch mehrere Preisträger, bei denen nur Bauern fehlen, und zwar auf beiden Seiten die gleiche Anzahl. Dies scheint also für die Themendarstellung besonders geeignet zu sein.

Besonders auffällig im Diagramm sind die Bauernkonstellationen im Nordwesten und im Südosten: Irgendwie müssen die a- bzw. die h-Bauern ja aneinander vorbei gekommen sein. Dafür gibt es prinzipiell zwei verschiedene Möglichkeiten:

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Henrik Juel 70

Heute gehen herzliche Geburtstags-Glückwünsche nach Dänemark, wo Henrik Juel seinen 70. Geburtstag feiert. Henrik ist nicht nur ein sehr guter Komponist, sondern unterstützt auch auf vielfältige andere Weise die Popularisierung der Retroanalyse: So ist er ein viel beschäftigter, hervorragender Redakteur und Preisrichter, so unterstützt er intensiv die PDB und ist auch hier im Blog ein fleißiger Kommentator.

Wenn ihr eine euch bisher unbekannte Beweispartie von Henrik lösen wollt, so haltet Ausschau nach Königsmärschen, selbst wenn die nicht ganz offensichtlich sind. Dies ist jedenfalls eines der Lieblingsthemen des Jubilars, und solch eine Beweispartie möchte ich heute vorstellen:

Henrik Juel
3000 Probleemblad 1996
Beweispartie in 19 Zügen (15+16)

 

Der schwarze König muss nicht nur bis c2 vordringen, sondern auch noch den Job übernehmen, den einzig fehlenden Stein auf desen Ursprungsfeld zu schlagen: 1.c3 h5 2.Dc2 Th6 3.Dh7 f5 4.Kd1 Kf7 5.Kc2 Ke6 6.Kd3 Kd5 7.Ke3 Kc4 8.a3 Kb3 9.Sh3 Kc2 10.Sf4 Kd1 11.h3 Ke1 12.Th2 Kxf1 13.Kf3 Ke1 14.Kg3 Kd1 15.Th1+ Kc2 16.Kh2 Td6 17.Kg1 Td4 18.Kf1 d6 19.Ke1 Le6. Sehr hübsch!

Henrik, ich wünsche dir für dein neues Lebensjahr(zehnt) von Herzen alles Gute und wünsche dir und uns allen, dass du dich weiterhin so großartig in die Retro-Gemeinde einbringst wie bisher!

Retro der Woche 06/2015

Im Aprilheft 2014 von Phénix ist der Preisbericht des Jubiläumsturniers zum 50. Geburtstag von Nicolas Dupont erschienen, die Ausschreibung dazu war auch hier im Blog erschienen.

Als Thema waren Beweispartien, die Echos zwischen schwarzen und weißen Umwandlungsfiguren zeigen, gefordert. Das Niveau des Turniers war sehr hoch, der Jubilar als Preisrichter hat die Hälfte der 28 eingesendeten Aufgaben ausgezeichnet.

Ziemlich sicher bin ich mir, dass wir den ersten Preis, den ich heute vorstellen möchte, gelegentlich wiedersehen werden — beispielsweise im FIDE-Album.

Michel Caillaud
Dupont-50 2014, 1. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (13+13)

 

Dass uns das Zählen der sichtbaren Züge noch nicht sofort weiterbringen wird, ist bei dem vorgegebenen Thema nicht verwunderlich, dennoch ist es schon einmal hilfreich. Bei Weiß sehen wir bereits 0+1+2+2+3+4=12 Züge, bei Schwarz 3+1+1+3+4+2=14 Züge. Kann uns die Bauernstruktur vielleicht mehr verraten?

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Retro der Woche 05/2015

Australien ist sicherlich nicht das Land, das einem beim Nachdenken über „Problemschach- oder Retroländer“ als erstes einfallen würde. Dennoch gibt es auch dort natürlich begeisterte Problemfreunde und Retro-Fans — Peter Wong fällt mir da immer sofort ein.

Das Stück, das ich von ihm heute ausgesucht habe, ist bereits 20 Jahre alt und wirkt auf mich noch immer frisch wie am ersten Tag.

Peter Wong
The Problemist 1995, 2. Preis (R. Meadley gewidmet)
Beweispartie in 21,5 Zügen (15+9)

 

Zählen wir die weißen Züge (bei den schwarzen sieht man bereits schnell, dass dort zunächst nicht allzu viele feststehen — auch, weil insgesamt sieben schwarze Steine fehlen), so kommen wir auf 7+0+3+2+1+2=15. Da fehlen also noch sieben! Schauen wir uns jedoch den schwarzen Doppelbauern auf c7/c6 an, ist klar, dass der fehlende weiße Stein auf c6 mittels b7xc6 verschwand. Im Diagramm fehlt aber bei Weiß nur [Bh2].

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Gligor Denkovski (20.08.1946 – 15.01.2015)

Im Altern von 68 Jahren ist am vergangenen Donnerstag Gligor Denkovski in Skopje verstorben. Er war ein vielseitiger Komponist, der sich aber auf Hilfsmatts und Beweispartien konzentriert hatte und viele Aufgaben gemeinsam mit seinem Sohn Ivan komponiert hat.

Eine seiner Beweispartien möchte ich hier vorstellen:

Gligor Denkovski
Thema Danicum 2003, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 18 Zügen (15+14)

 

Die entscheidende Frage ist, wie die beiden fehlenden Läufer geschlagen wurden? 1.Sc3 d5 2.Sxd5 Lf5 3.Sc3 Dd3 4.Sb1 Sd7 5.c3 Dc2 6.h4 Dxc1 7.h5 Dc2 8.h6 Dd3 9.Da4 OOO 10.Kd1 Sdf6 11.De8 Kb8 12.Dxf8 Tc8 13.De8 Dd8 14.Da4 Se8 15.Kc1 Sgf6 16.Dd1 Tf8 17.De1 Sg8 18.Kd1 f6. Sehr originelles Spiel mit einer tollen Eröffnung, wie ich finde. Mit dem Platzwechsel von Dame und König hat Gligor Denkovski sich mehrfach beschäftigt.

Retro der Woche 03/2015

Retro der Woche 03/2015 für 11.1.15

Interessant ist es, den Retro-Preisbericht der Schwalbe (Oktober 2006, von Ersatzrichter Ronald Schäfer) zu lesen: Er geht dabei u.a. auf die Weiterentwicklung der Retroanalyse in diesen zehn Jahren ein: Damals lag der Anteil der Beweispartien am Gesamtturnier noch deutlich unter 20% (10 von 56 Aufgaben); das war 2006 schon völlig anders. Ronalds Vermutung war, dass der Aufschwung der Beweispartien auch auf die Verfügbarkeit von Löseprogrammen wie natch und euclide zurückzuführen sei: vorher galten Beweispartien als chronisch nebenlösig.

Ich möchte heute den ersten Preis der Beweispartien-Abteilung vorstellen, der auch heute noch in Turnieren eine gute Figur machen würde.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1996, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (14+13)

 

Zählen wir die direkt im Diagramm sichtbaren Züge, kommen wir nicht viel weiter: Bei Weiß sind das 0+2+2+1+3+2=10, bei Schwarz sind es 3+2+2+1+1+5=14 – dabei habe ich schon berücksichtigt, dass [Dd8] gezogen haben muss, um [Ke8] vorbei zu lassen. Aber vielleicht hilft ja die harmlos ausschauende Bauernstruktur weiter?

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