Retro der Woche 23/2018

Heute möchte ich gern eine etwas „kleinere“, aber dennoch, wie ich finde, „feine“ Beweispartie vorstellen, die in den Kommentaren der Löser bei der Veröffentlichung recht unterschiedlich bewertet wurde. Da bin ich auf eure Einschätzungen gespannt!

Unto Heinonen
Die Schwalbe 2016
Beweispartie in 19 Zügen (12+15)

 

Beginnen wir sogleich mit der Inventur: Bei Schwarz fehlt ein Bauer, bei Weiß gleich vier. Und gleich fallen die offenen Randlinien auf – und ebenso die schwarzen Doppelbauern „nebenan“ auf der b- und der g-Linie. Da bei Schwarz nur ein einziger Bauer fehlt, können [Bh2] und [Ba2] keinesfalls beide nach innen geschlagen haben, um dich dort zu opfern. Außerdem müssen wir das Schicksal der drei fehlenden Zentralbauern klären.

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Retro der Woche 22/2018

Nachdem ich in der letzten Woche hier den Silbermedaillengewinner des 6. FIDE World Cup vorgestellt hatte, ist heute die Aufgabe an der Reihe, die Gold gewonnen hat: Ich kann versprechen, dass dies ein echter Leckerbissen ist!

Mit den Erläuterungen kann ich es mir dieses Mal recht einfach machen: Die des Preisrichters Hans Gruber sind sehr gut, sodass ich mich an ihnen orientieren werde – aber natürlich auf Deutsch.

Andrej Frolkin
6. FIDE-Turnier, 1. Preis
Löse auf (14+14)

 

Schwarz hat offensichtlich zweimal geschlagen: exf6 und hxg, bei Weiß sieht man einen Schlagfall: exf3, außerdem ist wLh8 durch Umwandlung des [Bh2] schlagfrei entstanden. Sowohl bei Weiß als auch bei Schwarz fehlt der schwarzfeldrige Läufer und der b-Bauer; die Bauern konnten nicht direkt geschlagen werden, ebenso [Lf8] nicht auf f3 wegen der Felderfarbe. Also müssen beide b-Bauern umgewandelt haben, um aneinander vorbei zu kommen, musste dabei wBbxa erfolgen – und zwar schlug er [Lf8]. Damit sind alle Schlagfälle erklärt, und der letzte Zug war demnach (schlagfrei) 1.Df1-h1+.

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Retro der Woche 21/2018

Vor ein paar Tagen hatte ich auf den (noch vorläufigen) Retro-Preisbericht zum 6. FIDE World Cup hingewiesen und angekündigt, auf einige Aufgaben aus diesem Turnier näher einzugehen.

Da in dieser Rubrik mal wieder eine Beweispartie an der Reihe ist, beginne ich heute mit der zweitplatzierten Aufgabe, dem Silbermedaillenstück von Silvio Baier.

Silvio Baier
6. FIDE World Cup, 2. Preis (nach Nicolas Dupont)
Beweispartie in 33 Zügen (13+11)

 

33 Züge sind für einen Löser „viel Holz“, aber wichtige Details kann man schon im Diagramm erkennen. Wäre das anders, wäre solch eine Aufgabe für den menschlichen Löser kaum knackbar – und auch für ein Computerprogramm nicht, das, wie beispielsweise Natch und Euclide, die Stellung analysiert, um den Suchbaum sinnvoll beschneiden und erst dadurch akzeptable Prüfzeiten erreichen zu können.

Hier fällt sofort auf, dass alle Offiziere an Bord sind, dass also nur Bauern fehlen. Die stammen aus dem Osten des Bretts, während alle sichtbaren Schläge Richtung Westen erfolgt sind. Damit wissen wir schon: Es müssen sich (wegen Bc7xbxa) zwei weiße und (wegen bxa, dxc und zweimal cxb) vier schwarze Bauern umgewandelt haben.

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Retro der Woche 20/2018

Nachdem ich vor einigen Tagen auf das Wolobujew-60-Turnier hingewiesen habe, möchte ich heute mal wieder eine Aufgabe dieses Autors zeigen. Und das auch, weil heute zum „Andernach-Wochenende“ gehört, und vor sieben Jahren habe ich in Andernach diese Aufgabe in einem kleinen Vortrag vorgestellt. Wer mag, kann den erweiterten Vortrag in feenschach 187 (Juli 2011), Seite 109-113 nachlesen.

Sergej Wolobujew
Redkije schanry pljus 1994, 1.-2. Preis
Löse die Stellung auf! (9+14)

 

Das Stück findet sich auch im FIDE-Album und hat dort 11,5 Punkte erhalten; wir können uns also auf eine Delikatesse freuen!

Eine Besonderheit dieser Aufgabe fällt bereits auf, wenn wir uns die Diagrammstellung unter dem Gesichtspunkt der Schlagfälle anschauen: Da stellen wir nämlich fest, dass Weiß entweder axba6 geschlagen hat oder dxc(e)xd. Bei Schwarz sind direkt fünf Schläge im Diagramm sichtbar: LxXf7+ (damit wissen wir auch, dass Schwarz mit der Rücknahme beginnen muss, ob er will oder nicht) sowie bxc, cxd, exf und gxh. Hinzu kommt die Notwendigkeit, wBa7 oder wBd6 durchgelassen zu haben, also entweder axbxa oder dxc(e)xd. Und damit sind auch alle Schlagzüge durch Schwarz verbraucht.

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Retro der Woche 19/2018

Heute möchte ich mal wieder einen Verteidigungsrückzüger (VRZ) vorstellen. Diese Untergattung der Retros zeichnet sich ja dadurch aus, dass anders als bei Beweispartien oder klassischen Auflöse-Aufgaben Schwarz und Weiß nicht kooperieren, sondern Schwarz (natürlich im Rahmen der Schachregeln) versucht, das Vorwärtsziel (meist #1 oder s#1) zu verhindern.

Damit finden wir uns hier quasi im „direkten Spiel“ wieder, während die anderen Retro-Gattungen eher unter „Hilfsspiel“ fallen.

Wolfgang Dittmann
feenschach 1979, 1. Preis
#1 vor 7 Zügen, VRZ Proca (5+10)

 

Wolfgang Dittmann fällt das Verdienst zu, den Verteidigungsrückzüger in den 1970er Jahren quasi wiederentdeckt und dann wiederbelebt zu haben, nachdem der recht lange im Dornröschenschaf verharrt war.

Bei der heutigen Aufgabe wird man sich zunächst verwundert die Augen reiben: Welcher weiße Stein soll denn mattsetzen können? Sicherlich keiner, der schon auf dem Brett ist. Also muss Schwarz gezwungen werden, den erforderlichen Stein zu entschlagen.

Welcher könnte das sein?

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Retro der Woche 18/2018

Kostas Prentos aus Albuquerque, New Mexico, leitet bei StrateGems schon seit vielen Jahren die Retro- und Beweispartien-Rubriken (die sind dort getrennt) und komponiert sehr schöne und immer interessante Beweispartien. Eine davon, die im letzten StrateGems Heft 2017 erschienen ist, möchte ich euch heute vorstellen.

Kostas Prentos
StrateGems 2017
Beweispartie in 22,5 Zügen (14+15)

 

Bei Weiß fehlen [Dd1] und [Bf2] oder [Bg2], bei Schwarz ein Turm, über die Orte, wo die fehlenden Steine verschwanden, können wir noch nichts sagen.

Das Zählen der sichtbaren weißen Züge ist schnell mit dem Ergebnis „4“ erledigt, bei Schwarz lohnt es schon eher: 3+2+2+5+5+4=21 – da bleibt also noch ein schwarzer Zug übrig.

Wirklich?

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Retro der Woche 17/2018

Viel haben wir hier in den letzten Wochen über den Volet-Bauern, das Volet-Thema gesprochen (siehe Retros der Woche 11/2018 und 13/2018), nun wollen wir uns mal wieder eine Aufgabe von Tom Volet anschauen:

Thomas Volet
Die Schwalbe 2016 (Verbesserung)
Weg des letzten Umwandlungssteins? (16+11)

 

Umwandlungssteine sind auf dem Brett nicht direkt erkennbar; da Weiß aber noch „alle Mann an Bord“ hat, kann es sich nur um einen schwarzen Umwandlungsstein handeln.

Da verrät uns schon die Bauernstellung, welche Umwandlungsfelder in Frage kommen.

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Retro der Woche 16/2018

(Siehe Hinweis vom 20. April 2018)

Heute habe ich mal wieder ein schon etwas älteres Stück hervorgeholt: In den letzten 15 Jahren hat sich die Gattung der eindeutigen Beweispartien unglaublich weiterentwickelt.

Das heißt aber nicht, dass Aufgaben aus jener Zeit nach heutigem Maßstab „schwach“ sein müssen: Auch damals haben die Könner schon tolle Aufgaben gebaut!

Einer diese Könner ist Gerd Wilts, der leider u.a. wegen seines unglaublichen Engagements für die PDB (richtig: Familie und Beruf hat er auch noch …) viel zu selten zum Komponieren kommt. Aber all seine Aufgaben sind sehenswert, kann ich versichern, so natürlich auch die heutige.

Gerd Wilts
feenschach 2003, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 22,5 Zügen (14+10)

 

Der letzte Zug der Beweispartie ist schon klar: 23.Txd8# — nur ist noch nicht klar, was auf d8 geschlagen wurde. Wenn wir uns die Stellung ein wenig anschauen, fällt sofort auf, dass nur zwei schwarze Züge im Diagramm zu sehen sind; bei Weiß hingegen lohnt es zu zählen: 3+1+5+2+2+9=22 — ein weißer Zug ist noch übrig. Aber reichen 22 Züge wirklich? Das würde voraussetzen, dass wir Tc1xc8xd8# und Th6-c6 spielen. Dafür müsste [Bc7] durch [Bb2] geschlagen worden sein, [Bc2] irgendwie von Schwarz. Um dann aber die drei Bauernschläge am Königsflügel auf schwarzen Feldern hinzubekommen, muss sehr früh Th6-c6 erfpgen, das aber geht erst, wenn schon der weiße Turm auf c8 und der Bauer auf c7 steht.

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