Retro der Woche 46/2025

In der letzten Woche hatte ich den zweiten Preis aus dem Probleemblad-Retroturnier 2019—2020 mit einem Richter-Trio vorgestellt. Auch das parallele Turnier des Problemist fand unter den gleichen Rahmenbedingungen statt, nur war das Richter-Dreigestirn etwas anders zusammengesetzt: Gruber, Ring und Brand. Und auch aus diesem Turnier möchte ich zunächst den zweiten Preis vorstellen.

Andrij Frolkin & Jeff Coakley
The Problemist 2019, 2. Preis 2019-2020
Jeder Buchstabe repräsentiert einen anderen Figurentyp, Groß- und Kleinbuchstaben stehen für die unterschiedlichen Farben. Entferne alle Buchstaben eines Typs, um eine legale Stellung zu erhalten, bestimme die Position und den letzten Zug.

 
Andrij und Jeff sind sicherlich die größten Experten im Bereich dieser Art von „Buchstaben-Problemen“, hier sind sie aber unserer Meinung nach ganz besonders kreativ gewesen: Von den (nur) fünf unterschiedlichen Figurentypen muss auch noch einer komplett verschwinden, um eine legale, dann auch noch eindeutig ableitbare Stellung zu erhalten, in der auch noch der letzte Zug eindeutig war. Das ist schon großes Kino, besonders, wenn man dann sieht, wie logisch ableitbar die Lösung ist.

Je einmal in beiden Farben kommen nur G und I vor, ein Buchstabentyp muss also die Könige darstellen. Repräsentiert G die Könige, dann kann H weder Dame noch Turm oder Springer sein (beide Könige im Schach), auch nicht Läufer (illegales Schach e1-d2) oder Bauer (auf der 1. bzw. 8. Reihe) — H kann also bei G=König nicht legal eingesetzt werden. Aus den gleichen Gründen kann bei G=König auch N nicht legal eingesetzt werden. Es darf aber nur eine Steinart entfernt werden — also ist G nicht König, sondern I.

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Retro der Woche 20/2024

In der letzten Woche hatte ich es bereits angesprochen, dass ich heute auf die einzige Nicht-Beweispartie im Probleemblad-Retro-Preisbericht für 2021 bis 2022 eingehen will.

Und diese Aufgabe passt sehr gut zum „Andernach-Wochenende“, das heute schon wieder zu Ende geht…

Andrej Frolkin & Jeff Coakley
Probleemblad 2021-2022, Lob ‚Van Gogh‘
Bestimme die Position und den letzten Zug (16+12) oder (12+16)

 

Das Autoren-Duo hat sich schon intensiv mit solchen Rebus-Problemen beschäftigt, in denen die eigentliche Stellung herausgefunden werden muss, indem gleiche Buchstaben durch gleiche Steine ersetzt werden müssen. Großbuchstaben und Kleinbuchstaben bilden jeweils eine Farbe – welche, gilt es natürlich auch herauszufinden.

Hier haben wir 16 Groß- und 12 Kleinbuchstaben, und ein paar Vorüberlegungen können wir bereits jetzt anstellen, wenn wir die Buchstaben jeweils zählen: hno5g2a2v und HNO2G4A7V. Wegen der „großen Anzahlen“ haben wir zunächst gG, aA oder vV als Bauern in Verdacht – aber überraschenderweise können wir die ausschließen:

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Retro der Woche 51/2023

Hatten wir uns vor zwei Wochen noch ein Auflöse-Retro mit der Märchenbedingung „Madrasi“ angeschaut, so möchte ich euch heute mal wieder ein klassisch-orthodoxes vorstellen. Obwohl – eine nicht so ganz klassische Besonderheit hat auch das heutige Stück …

Nikolai Beluchow & Andrej Frolkin
StrateGems 2010, 2. Preis
Letzter Zug? Zwei Lösungen (10+13)

 

Das ist schon ungewöhnlich: Ein Retro mit mehreren Lösungen – und die entstehen auch nicht durch Steinversetzung oder Änderung der Forderung. Im Hilfsmatt ist das heute selbstverständlich, dass mehrere Lösungen in einer Stellung vorhanden sein können, das erscheint vielen sogar eleganter als eine Zwillingsbildung etwa durch Steinversetzung.

Aber das war im Hilfsmatt nicht immer so: Der berühmte ungarische Hilfsmattkomponist und -fachmann György Páros lehnte in seinen jungen Jahren mehrere Lösungen ab, sein Credo: „Ein Hilfsmatt kann nur eine Lösung haben, hat es mehr, sind das Nebenlösungen.“ Er akzeptierte für mehr als eine Lösung also nur Satzspiel und Stellungsveränderungen; erst nach dem 2. Weltkrieg setzte sich langsam der heutige Geschmack durch.

Die Frage ist nun: Haber wir es hier mit einer „kultivierten Nebenlösung“ zu tun – oder mit zwei gleichwertigen, inhaltlich verbundenen? Das solltet ihr am Schluss für euch selbst beurteilen.

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Retro der Woche 44/2023

Mein Retro-Entscheid für PHÉNIX 2020 ist schon etwas speziell: Mit einer speziellen Auszeichnung habe ich einen heftfüllenden Aufsatz von Thierry Le Gleuher zum Thema Ortho-Rekonstruktion (eine Art “Retro-Dissertation”) bedacht; der erste (reguläre) Preis ging an ein wie ich finde höchst interessantes Rebus-Problem der beiden Spezialisten für diese Forderung.

Andrej Frolkin & Jeff Coakley
PHÉNIX 2020, 1. Preis
Jeder Buchstabe repräsentiert eine Figurenart (beliebiger Farbe). Bestimme die Stellung. Letzter Zug? (28)

 

Die Lösungsangabe orientiert sich an einer Darstellung von Hans Gruber, und dieses mal gebe ich den Tipp, bereits den Klick auf das “Weiterlesen” zu lassen, wenn ihr selbst lösen wollt. Anschließend könnt ihr dann unter “Lösung” die Ergebnis-Stellung bestaunen!

Nur R kommt genau zweimal vor, also: R=König.

A kann wegen der Schachgebotsstruktur weder Dame noch Turm noch Läufer sein — noch Bauer wegen der 8.Reihe; also: A=Springer.

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Retro der Woche 35/2023

Bei Aufgaben von Thomas Volet kann man sich fast darauf verlassen, dass sie seine Lieblings-Thematik zeigen: Das sind Schirme, also Schachschutz, der benötigt wird, um weitere Züge zurücknehmen zu können, die ansonsten illegales Retroschach bieten würden. Und so ist es auch bei der Aufgabe, die ich heute ausgewählt habe.

Noch etwas ist typisch für den Kompositionsstil von Tom: Er legt keinen besonderen Wert auf möglichst lange eindeutige Folgen von Rücknahme-Zügen (wie wir das etwa im Retro der Woche vor zwei Wochen gesehen hatten); ihm ist es wichtig, dass die thematischen Züge wie Entschläge, wie Schachschutz-Züge eindeutig sind. Wie die Figuren nun auf diese thematischen Felder kommen, interessiert ihn weniger: Wenn dabei Zugumstellungen oder Alternativ-Wege möglich sind, stört ihn das nicht.

Thomas Volet
Orbit 2004, 1. ehrende Erwähnung
Letzter Zug? (13+13)

 

Zunächst einmal sehen wir, dass alle fehlenden Steine durch gegnerische Bauern geschlagen wurden: schwarze Schläge durch axb, dxc unf h7xg6; weiße Schläge durch bxc, e2xf3 und hxg. Beide Parteien können als Schläge zunächst nur hxg zurücknehmen: b2xc3 würde [Lc1] aussperren, und axb4 kann nicht zurückgenommen werden, weil zunächst der Bauer auf a7 zumindest bis a4 zurückgezogen werden muss: Er kam ja schlagfrei von a2.

Dann wollen wir schauen, wie der riesige Knoten im Süden und Westen geöffnet werden kann? Das funktioniert offenbar nur durch R: Kd5-c5. Dafür aber muss erst [Lf8] nach Hause, da spätestens dann e7-e6 zurückgenommen werden muss. Dafür muss aber ein Stein auf d6 das Schach durch diesen Läufer, der also über e7 heimkommen muss, abschirmen.

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The Hopper Nr. 4

Gestern ist die vierte Ausgabe von The Hopper, dem Schachproblem-Magazin aus Singapur, im Internet erschienen. Das Herausgeber-Trio Andrew Buchanan, Anirudh Daga und James Quah haben wieder interessanten Lese- und Lösestoff zusammengetragen, und gerade für uns Retrofreunde ist natürlich wieder eine Menge dabei: So geht Andrew auf interessante Fragen im Zusammenhang mit Last Movern ein (u.a. mit einer illegalen Stellung!); Jeff Coakley und Andrej Frolkin stellen “Rebus Games” vor.

Ich wünsche euch viel Spaß an dieser Ausgabe!

Last-Move Rekorde

Nachtrag 11.7.23: korrigierte Datei (zwei Diagrammfehler beseitigt)

Werner Keym hat eine aktualisierte Liste (Stand 1. Juli 2023) der ökonomischen Last-Move Rekorde für die Typen

A: Es wird nicht angegeben, wer am Zug ist. Kein König steht im Schach
B: Es wird angegeben, wer am Zug ist
C: Ein König steht im Schach
M: Schwarz ist matt

veröffentlicht; sie kann auf der Schwalbe-Website angeschaut werden.

Viel Spaß beim Studieren — und überbieten?!

Andernach 2023

1975 fand zum ersten Mal ein Problemschachtreffen in Andernach statt, bald schon jeweils am Himmelfahrt-Wochenende jedes Jahr, nur 2020 und 2021 wegen Corona ausgefallen.

Die Einheit „Andernach und Problemschach“ ist untrennbar mit Zdravko Maslar verbunden, der die Treffen bis zur Rente in seinem Restaurant, dem Balkan-Pik, ausrichtete, auch später noch, solange es seine Gesundheit zuließ, mit organisiert hat.

Zum Start des diesjährigen Treffens möchte ich ein Retro von Pile Maslar, dessen großartige Kompositionsleistungen überwiegend mit Hilfsmatts verbunden werden, vorstellen: Mit „Last Movern“ hat er sich in den späten 1950-er Jahren gelegentlich beschäftigt; eines dieser Stücke möchte ich euch heute „zwischendurch“ zeigen.

Zdravko Maslar
problem 1957, 1. Preis e.ae. im 16. Thematurnier
Letzter Zug? (4+9)

 

Wie immer erscheint die Lösung nächste Woche an dieser Stelle!

 

Lösung

Letzter Zug Tc8xDb8 — warum nicht Tc8xS/Lb8 oder Tc8-b8?
Davor geschah Da7-b8 — wieso schlagfrei?