Retros im FIDE-Album 2016-2018

Die Retro-Richter waren mal wieder die schnellsten…

Gestern sind auf der WFCC-Seite die Ergebnisse der Retro-Auswahl für das neue FIDE-Album veröffentlicht worden: Ein Rekord von 112 Aufgaben hat es geschafft (davon 30 über das WCCI und ein Stück als Sieger des 10. WCCT), das liegt aber nicht an besonders großzügigen Richtern — es hat mir mit Nicolas Dupont, Andrej Frolkin und Kostas Prentos als Richtern sehr viel Spaß gemacht, den Auswahlprozess zu (beg)leiten –, sondern an der hervorragenden Qualität der eingereichten Aufgaben: Es waren kaum schwache Stücke dabei, und das macht den Richtern natürlich auch mehr Spaß, als wenn viele (unter)durchschnittliche bewertet werden müssten.

Die meisten Aufgaben (19) konnte Michel Caillaud ins Album bekommen. Wegen möglicher Gemeinschaftsaufgabe entspricht diese Anzahl häufig nicht den erreichten Albumpunkten; bei Michel sind es 17.

Es folgen Andrej Frolkin (18/12,33), Nicolas Dupont (17/15,67), Roberto Osorio (14/7), Silvio Baier (12/9,67), Joaquim Crusats (11/7,83) und Dmitry Baibikov (10/9,5) als diejenigen mit einer zweistelligen Aufgabenanzahl im Album.

Seht bitte von Detail-Nachfragen ab: Die darf und werde ich bis zur Veröffentlichung des Albums nicht beantworten.

Retro der Woche 19/2020

Ich hatte es ja vor zwei Wochen schon angekündigt: Zu der dort vorgestellten Aufgabe will ich heute noch ein „Vergleichsstück“ vorstellen – nicht, um selbst diesen Vergleich mehr oder weniger vollständig durchzuführen, sondern um euch einzuladen, das selbst zu machen, also die Aufgabe vom 19. April noch einmal hervor zu holen und gedanklich neben das heutige Stück zu stellen. Das ist sicherlich sehr spannend für euch selbst, und wenn ihr dann eure Ergebnisse im Kommentar postet, auch für andere Le/öser.

Silvio Baier, Version Roberto Osorio
Die Schwalbe 2015
Beweispartie in 30,5 Zügen (13+10)

 

Wahrscheinlich sofort springt der schwarze Bauer a2 ins Auge: das muss der [Bd7] sein, der sich bis zur a-Linie durchgefressen hat. Gleichzeitig fehlen bei Weiß „nur“ drei Bauern, die aber [Bd7] zumindest nicht alle selbst entsorgt haben konnte; wir können also mit drei weißen Umwandlungen rechnen?

Zählen wir einmal die sichtbaren weißen Züge: 4+1+1+4+3+5=18 –- es sind also „nur“ 13 Züge frei, Weiß kann also nur zwei Umwandlungen gespielt haben, einen der fehlenden Bauern muss also der schwarze Eindringling selbst geschlagen haben.

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Alles andere als Mittelmaß

Pünktlich zum heutigen Feiertag ist ein neues Problem-Buch erschienen, das ihr sicher mit Freude zur Hand nehmen werdet:

Werner Keym hat “Anything but Average” veröffentlicht, und der Titel trifft es sehr gut, wie ich finde. Es erinnert im Aufbau ein wenig an das längst vergriffene “100 Classics of the Chessboard” von Anthony Dickins und Hilmar Ebert, bringt also 100 wahrlich nicht mittelmäßige Probleme “quer durch alle Abteilungen”, darunter auch einige herausragende Partien (!) und dann noch 275 weitere großartige Stücke, die ihr teilweise vielleicht kennt (auch aus Werners letztem Buch”Chess Problem out of the Box”), auf alle Fälle gibt es viele neu aufgenommene Stücke und weit über 100 zusätzliche Verweise auf die PDB. Natürlich gibt es auch wieder viel aus unserer “Lieblingsabteilung”…

Lesespaß vom Feinsten in leicht verständlichem Englisch; auf der Buch-Website findet ihr nicht nur die (verblüffend niedrigen) Preise und Bestellmöglichkeiten, sondern ihr könnt euch 20 Seiten vorab anschauen, und ich bin sicher, ihr seid genauso begeistert wie ich, der das Glück hatte, die Druckfahne schon sehen zu können: Das war Genuss pur, und ich freue mich schon, wenn ich das Buch dann “in Papier'” in Händen halten kann. Zur Lesefreude auf der Couch trägt auch der hervorragende Buchsatz von Ralf Binnewirtz bei: Mit vielen Hilfsdiagrammen findet sich die Lösungen zu den Aufgäben immer auf derselben Doppelseite.

Eine hübsche Kleinigkeit, die ich noch nicht kannte, möchte ich hier als (einhundertstes!) “Zwischendurch” Diagramm vorstellen; wie immer gibt es die Lösung hier in einer Woche.

Zwi Roth
Al-Hamishmar 1970, Lob
Weiß nimmt einen Zug zurück, dann #1; b) 180 Grad gedreht (5+1)

 

 

 

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Lösungen

a) zurück O-O und vor 1.Th3#

b) zurück dxe6ep und vor Td8# — nach den Kommentaren zu urteilen nicht so leicht wie gedacht?!

Rochade und ep-Entschlag, beide Male mit Idealmatt: viel Inhalt für nur sechs Steine!

Problemist März 2020

Vor ein paar Tagen erhielt ich (zunächst) die elektronische Version der März-Ausgabe des Problemist. Neben dem Urdruckteil sowie der üblichen Retro-Rubrik von Bernd Gräfrath ist für uns Retrofreunde natürlich besonders der Preisbericht für die Jahre 2017 und 2018 von Cedric Lytton.

Auf diesen Bericht werde ich noch ausführlicher zurückkommen; heute ein hübscher Beweispartie-Zwilling „für zwischendurch“:

Bernd Gräfrath
Problemist 2018, 8. Lob 2017-2018
Beweispartie in 6 Zügen b) in genau 6,5 Zügen (15+13)

 

Viel Spaß beim Finden der zwei Lösungen; wie üblich gibt es die hier in etwa einer Woche.

 

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Das hat hoffentlich Spaß gemacht?!

Lösungen

Retro der Woche 18/2020

Üblicherweise denkt man bei „Märchen-Retros“ an Bedingungen wie beispielsweise Anticirce oder Duellantenschach, die allgemein die zugrunde liegenden Schachregeln ändern. Viel seltener sind Märchenretros, bei denen Märchensteine verwendet werden: Da muss man stets erklären, wie sie denn entstanden sind.

Gelegentlich trifft man auf Aufgaben, in denen in der Partieanfangsstellung bestimmte Stei-ne durch Märchenfiguren ersetzt werden; auf ein Beispiel P1240680 sei hier hingewiesen.

Eine Alternative ist, quasi als Märchenbedingung die Umwandlung in eine bestimmte Märchenfigur zuzulassen; so macht es Dmitrij Baibikov in unserer heutigen Aufgabe.

Dmitrij Baibikov
Julias Fairies 2018, 1. Preis 2017-2018
Letzte 20 Einzelzüge, Umwandlung in Grashüpfer erlaubt (13+11)

 

Kurz zur Erinnerung: Ein Grashüpfer zieht in Damenrichtung und hüpft für seinen Zug auf das Feld hinter dem ersten Stein in seiner Zugrichtung. Ist das Feld von einem Stein anderer Farbe besetzt, so wird der geschlagen; ist es von einem Stein eigener Farbe besetzt, so ist der Zug unmöglich, da das Zielfeld blockiert ist. (Beispiel: wKe1, wLf1, wGa1, sKf6, sBa5a6: mögliche Grashüpferzüge sind Gg7, Gxa6, aber nicht Gf1)

Wir können uns rasch überlegen, dass die Zulassung von Grashüpfern nichts an der üblichen Zählung von Bauernschlägen ändert, dass aber jeder im Rückspiel entstandene Grashüpfer wieder entwandelt werden muss.

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Retro der Woche 17/2020

Anfang des Monats hatte ich schon darauf hingewiesen, dass die Problemzeitschrift harmonie, die Torsten Linß schon als Jugendlicher unter schwierigen Bedingungen in der DDR herausgegeben hatte, leider ihr Erscheinen (zumindest vorläufig) eingestellt hat.

Im letzten Heft 142 erschien nun der Retro-Preisbericht 2015-2016, den Hans Gruber kurzfristig anstelle des ursprünglich benannten Richters erstellt hatte. Von den 37 im Berichtszeitraum veröffentlichten Aufgaben waren 32(!) Märchen-Verteidigungsrückzüger. Ich habe allerdings für heute eine der drei orthodoxen Beweispartien ausgesucht:

Silvio Baier
harmonie 2015, 3. Preis 2015-2016
Beweispartie in 30 Zügen (11+13)

 

Man sieht, dass der weiße Doppelbauer auf der a-Linie für alle drei Schläge der fehlenden schwarzen Steine verantwortlich zeichnet: Noch allerdings können wir nicht sagen, ob nun der Bauer auf a5 oder der auf a7 von d2 kommt.

Wir sehen auch, dass bei Schwarz drei Bauern fehlen, die [Bd2] niemals alle direkt schlagen konnte: Dafür käme höchstens [Bd7] nach einem Schlag (oder [Bf7] nach drei Schlägen) in Frage, die beiden anderen Bauern müssen auf dem Königsflügel umgewandelt haben, um dann die Umwandlungssteine oder die zugehörende Originalfiguren zu opfern.

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Schwalbe April 2020

Pünktlich zum Beginn der vorösterlichen Woche ist das Aprilheft der Schwalbe erschienen, es enthält wieder jede Menge interessanten Lesestoff, auch für uns Retrofreunde.

Der Urdruckteil enthält, wie ich meine, einige hervorragende Probleme — schaut euch besonders die klassischen Retros an und beachtet dabei den Hinweis zu 18162. auf eure Kommentare freue ich mich schon!

Bernd Gräfrath bringt eine Fortsetzung seines Artikels über “selektive Information”: Sehr lesenswert!

Jochen Schröder stellt Allumwandlungen in allen vier Ecken vor und erwähnt darin, dass es auch ein paar Retros gibt, die diesem Thema genügen. Eines davon möchte ich “für zwischendurch” vorstellen: Da das Thema ja schon klar ist sollte es nicht allzu schwer zu lösen sein:

Nikita Plaksin & Wladimir Lewschinski
Die Schwalbe 1982, 8. Lob
Was geschah in den vier Ecken? (12+14)

 

 

Wie üblich gibt es die Lösung hier in etwa einer Woche.

Und vielleicht ist für den einen oder anderen auch ein Artikel über Problemschach-Lexika interessant?!

— Hier nun die sicher prinzipiell nicht sonderlich überraschende Lösung, die aber dann im Detail erst einmal gespielt werden muss:

Lösung

R: 1.g7xSh8=T Lb8-a7 2.a7-a8=L h2-h1=S 3.a6-a7 h3-h2 4.a5-a6 h4-h3 5.a4-a5 h5-h4 6.h4xDg5 Sb5-a3 7.h3-h4 Dc5-g5 8.Tg5-g6 Da3-c5 9.Tf5-g5 Da1-a3 10… a2-a1=D, anschließend kreuzen die sBa2 und b2 sowie die sBg4 und f6.