Retro der Woche 35/2021

Nach dem 1. Preis der Beweispartien im Schwalbe-Retroturnier 2018 möchte ich nun der Sieger der zweiten Kategorie „Klassische Retros und Rückzüger“ vorstellen: ein imposantes Werk von Michel Caillaud, einer der tiefsten Verteidigungsrückzüger, den ich kenne.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2018, Wolfgang Dittmann zum Gedenken, 1. Preis Abteilung B
#1 vor 71 Zügen, VRZ Proca ohne VV(9+10)

 

„ohne Vorwärtsverteidigung“ bedeutet, dass Schwarz nicht das Recht hat, nach einer Zugrücknahme das Vorwärtsziel zu erfüllen. So war es von Zeno Proca auch gedacht, jedoch hat sich in den letzten gut vierzig Jahren eher als Standard „mit Vorwärtsverteidigung“ durchgesetzt.

Zunächst erkennen wir, dass die schwarzen Bauern auf der a- und der b-Linie alle fehlenden weißen Figuren geschlagen haben. Damit kommt sBf3 schlagfrei von f7; die weißen Bauern haben also zumindest vier der fehlenden sechs schwarzen Steine geschlagen.

Nach R 1.Ld6-b8 wäre Weiß schon am Ziel, wenn nach vor: 1.axb4+ Schwarz nicht noch das Fluchtfeld a6 hätte. Das kann wLg8 nehmen, dafür hat Weiß nun 70 Züge Zeit — und muss natürlich aufpassen, dass der schwarze König in seinem Nest bleiben muss. Das erfordert eine Menge an Zickzack-Manövern von König und Läufer.

Ich gebe nun „einfach“ die Lösung mit den Anmerkungen von Michel wieder: Natürlich lade ich jeden ein, selbst Löseversuche zu unternehmen, aber mit den Anmerkungen zusammen sollte sich die Strategie des Weißen auch im Nachspielen erschließen. Dafür vielleicht die Empfehlung, die Lösung erst einmal komplett durchzuspielen und das dann zu wiederholen, wobei ihr nun besonders auf die Erklärungen des Autors achten solltet.

Weiterlesen

Doppel-Homebase

Die Lösungsbesprechungen in der Schwalbe und in feenschach sind stets sehr ausführlich: Dort können Aufgaben intensiv diskutiert werden, dort können auch viele Vergleichsaufgaben vorgestellt werden. Das macht sie für mich so einmalig, so wertvoll.

Aber auch dort gibt es Platzprobleme, und so nutze ich hier die Gelegenheit, zwei der drei Vergleichsaufgaben, die Manfred Rittirsch zu 18559 in Die Schwalbe April 2021, die ihm zum Geburtstag gewidmet war, eingeschickt hatte, zu präsentieren.

Marco Bonavoglia
Problemkiste 2006
Beweispartie in 4,5 Zügen, Circe (14+16)

 

 

 

 

Marco Bonavoglia
Problemkiste 2006
Beweispartie in 5 Zügen, Circe (15+16)

 

 

 

 

Viel Spaß beim Knnobeln; die Lösung gibt es hier wie immer in etwa einer Woche.

Lösungen

Oben: 1.Sc3 d5 2.Tb1 Lf5 3.Sxd5[d7] Lxc2 4.Sc3 Lxb1 5.Sxb1[Lc8]

Unten: 1.e4 Sf6 2.Df3 Sxe4[e2] 3.Kd1 f6 4.Dxf6[f7] Sxf6 5.Ke1 Sg8

Retro der Woche 34/2021

Nachdem ich in der letzten Woche hier den 1. Preis der Beweispartien im Schwalbe-Retroturnier 2011 vorgestellt hatte, bleiben wir beim Thema, wechseln allerdings ins Jahr 2018. Eigentlich sollte dieses Turnier von einem Zweier-Team gerichtet werden, leider blieb nur Hans Gruber übrig, was allerdings der Qualität des Berichts sicher keinen Abbruch getan hat.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2018, 1. Preis Abteilung A
Beweispartie in 22 Zügen (12+14)

 

Nach längerer Schaffenspause hat sich erfreulicherweise der Schweizer Großmeister Reto Aschwanden zurückgemeldet und sofort wieder großartige Aufgaben veröffentlicht.

Die weiße Stellung weist überhaupt keine sichtbaren Züge auf, hier haben wir also eine sogenannte Home Base, was immer wieder sehr ästhetisch wirkt, aber bei Schwarz lohnt es, de Züge zu zählen: 4+2+3+5+3+5=22 — alle schwarzen Züge sind erklärt. Dies heißt speziell, dass die fehlenden [Ba7] und [Bg7] zuhause geschlagen worden sein müssen: Ihnen fehlen ja Zugmöglichkeiten, da alle bereits erschöpft sind.

In seinem Preisbericht spricht Hans von „Fragen und Verzweiflung“, „denn Weiß kann fast beliebig spielen und muss nur Sorge tragen, dass seine Figuren in der zur Verfügung stehenden Zeit verschwinden“

Weiterlesen

Vorläufiges Ergebnis

Das vorläufige Ergebnis der Retroabteilung im FIDE Worldcup 2021 ist vor ein paar Tagen veröffentlicht worden — da noch Einsprüche möglich sind, noch ohne die Autorennamen!

Ihr könnt euch die Aufgaben also schon anschauen und das gleichzeitig mit “fröhlichem Komponisten-Raten” verbinden — viel Spaß bei beidem!

Retro der Woche 33/2021

Nachdem ich im letzten Retro der Woche den ersten Preis im Schwalbe-Turnier 2011 bei den Auflöse-Stücken vorgestellt hatte, möchte ich mich heute dem 1. Preis der Beweispartien zuwenden. Preisrichter Günther Weeth schrieb zu den 71(!) Beweispartien von 101 Urdrucken, die Autoren sollten sich „vielleicht noch intensiver um die Darstellung wirklich herausragender inhaltlicher und ästhetischer Elemente in ihren zukünftigen Urdrucken bemühen, wenn sie in Fachjournalen wie Die Schwalbe reüssieren wollen.“ Mit dieser kritischen Bemrkung hat er aber nicht das folgende Stück gemeint…

Nicolas Dupont
Die Schwalbe 2011, Thomas Brand gewidmet, 1.Preis
Beweispartie in 33,5 Zügen (10+15)

 

Diese Aufgabe hat mich schon, als Nicolas sie für Die Schwalbe einschickte, begeistert, weil hier Inhalt geboten wird, den man sich eigentlich kaum als darstellbar vorstellen konnte. Nochmals herzlichen Dank für die Widmung!

Erschreckend erscheint zunächst, dass man kaum weiße Züge erkennt, andererseits sieht man bei Schwarz drei Springer und gleich vier weißfeldrige Läufer: vier Umwandlungen also!

Und wenn wir dann die anderen schwarzen Züge zählen, die nahe liegenden Umwandlungssteine erst einmal nicht mitzählen, so haben wir 1+2+2+1+3+0=9 Züge bei Schwarz — es bleiben noch 24 Züge übrig.

Weiterlesen

Schwalbe August 2021

Gestern schon hatte ich das neue Schwalbe-Heft im Briefkasten: Für uns Retrofreunde sticht natürlich besonders der ebenso ausführliche wie fundierte Preisbericht 2019 von Hans Gruber hervor, aber auch die anderen Artikel (und natürlich die wie immer extrem interessanten und lehrreichen Lösungsbesprechungen) bieten tollen Lesestoff.

Die Urdruck-Abteilung der Retros ist aus meiner Sicht sehr abwechslungsreich, da sollte jeder etwas nach seinem Geschmack finden! Beachtet bitte den Druckfehler bei 18682: Auf a1 muss ein kleines p stehen! Und 18687 ist ein Anticirce Calvet.

Viel Spaß beim Schmökern, beim Lesen und Lösen!

Retro der Woche 32/2021

Bärenstark war das Retro-Informalturnier der Schwalbe vor 10 Jahren: (Nicht nur) Preisrichter Günther Weeth war sehr angetan von der Qualität der Aufgaben; 101 nehmen am Turnier teil, von denen hat er 27(!) ausgezeichnet, dabei allein elf Preise vergeben. Aufgeteilt hatte er das Turnier in vier Abteilungen: Auflösungsaufgaben, Beweispartien (71 Aufgaben!!), Verteidigungsrückzüger und sonstige Typen.

Bei den Auflösungsaufgaben ging der erste Preis an eine Aufgabe mit thematischer Verführung — so etwas sieht man eher im direkten Zweizüger…

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2011 (Verb.), 1. Preis
Füge eine weiße Figur auf c7 ein. Wer ist am Zug? (14+13)

 

Schauen wir zunächst nach den Schlägen, die wir aus dem Diagramm ableiten können: Ergänzen wir eine weiße Figur, so sind das dann 15 weiße Steine — der 16. wurde durch cxd beseitigt.

Damit konnten aber die fehlenden weißen Bauern [Bb2] und [Bg2] nicht verschwinden. Die mussten zur Umwandlung jeweils einmal schlagen (bxa/c sowie gxh — nicht gxf, da [Lf8] nicht hat ziehen können). Und damit muss auch [Bf7] schlagfrei umgewandelt haben.

Weiterlesen

Retro der Woche 31/2021

Bleiben wir mit dem heutigen „Retro der Woche“ noch ein wenig in den Niederlanden! Da möchte ich euch eine ziemlich aktuelle Beweispartie (erschienen im letzten Probleemblad Heft 2020, die Version, die keine Korrektur, sondern eine „Verschönerung“ der Diagrammstellung beinhaltet, in Proobleemblad 2/2021) vorstellen, die sicher zum Lösen anregt.

Peter van den Heuvel
Probleemblad 2020 (Version)
Beweispartie in 20,5 Zügen (15+14)

 

Zunächst einmal stellen wir fest, dass bei Weiß nur ein Turm fehlt, der auf der a-Linie geschlagen wurde. Bei Schwarz fehlen ein Turm und [Lc8], die sich beide auf der g-Linie opfern mussten: wegen der Felderfarbe der Läufer auf g4, der Turm also auf g3. Und egal, welcher der beiden schwarzen Türme sich nun auf g3 opferte: Er musste zur Minimierung seiner Züge über g6 kommen.

Und damit wissen wir, dass die schwarzen Türme mindestens fünf Züge gemacht haben – und dass zuerst der Turm und anschließend der Läufer geopfert wurden.

Das merken wir uns für später; zunächst wollen wir einmal die sichtbaren Züge zählen.

Weiterlesen