Retro der Woche 49/2018

Mark Kirtley ist besonders bekannt für seine Beweispartie-Zwillinge, siehe zum Beispiel das Retro der Woche 41/2016, aber auch für relativ kurze, pointierte und strategisch anspruchsvolle Beweispartien.

Ein solches Beispiel möchte ich euch heute vorführen.

Mark Kirtley
Probleemblad 1999
Beweispartie in 15,5 Zügen (13+13)

 

Das Zählen der sichtbaren Züge hilft auf den ersten Blick nicht viel weiter: Bei Weiß sehen wir 0+0+4+0+0+1= 6 Züge – zehn sind also noch frei. Und bei Schwarz sieht es auf den ersten Blick auch nicht besser aus: 1+1+2+1+0+5=10 – somit bleiben „nur“ fünf schwarze Züge noch frei.

Hierbei hatte ich schon stillschweigend angenommen, dass sTh6 der [Ta8] ist: dies ist offensichtlich deutlich schneller zu erreichen, als [Th8] nach h6 zu bringen.

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Constraints

Prüfprogramme für Beweispartien haben besonders dann große Probleme, in überschaubarer Zeit ein Prüfergebnis zu liefern, wenn sowohl bei Weiß als auch bei Schwarz “freie”, also nicht aus dem Diagramm ableitbare Züge vorhanden sind: Beim “Brute Force” Rechnen, also der Berücksichtigung aller theoretisch möglichen Züge, führt dies schnell zu extremen Prüfzeiten, die etwa exponenziell mit der Anzahl der freien Züge wächst. Wie sagte mal ein Professor während meines Studiums? “Nichts wächst so schnell wie exponenziell.” (Schaut euch mal die Ackermannfunktion an, wenn ihr sehen wollt, wie schnell “exponenziell” wachsen kann!)

Kann man einem Prüfprogramm nun “menschliche Erkenntnisse” zum Beispiel zu Reihenfolgen von Zügen oder zur Mindest- und Höchstzahl von Zügen eines Steins mitteilen, so kann man damit die Prüfzeiten drastisch verkürzen — man muss sich dabei “nur” darüber im Klaren sein, dass dies keine vollständige Computerprüfung darstellt, denn wenn die Überlegungen zu möglichen Einschränkungen (englisch: “constraints”) des Suchbaums einen Denk- oder Notationsfehler enthalten, kann das Ergebnis unseres Rechenknechts (englisch: “computer”) natürlich nicht korrekt sein.

Natch und Euklide enthalten rudimentäre Möglichkeiten, solche “constrains” einzugeben und zu nutzen; diese wurden bei Jacobi noch erweitert. In dem interessanten Artikel “Solving program Jacobi equipped with constraints — a new tool to check proof games” haben nun Michel Caillaud, Nicolas Dupont und François Labelle anhand von jeweils drei orthodoxen und Märchen-Beweispartien die Möglichkeiten ausführlich dargestellt. Dieser lesenswerte Artikel kann auf Julias Fairy-Seite als pdf-Datei gelesen bzw. direkt heruntergeladen werden.

Sehr empfehlenswerte Lektüre!

Einsendeschluss 30.11.2018

Ihr erinnert euch an die Ausschreibung des 7. Problemschach-Wettbewerb des SVW? Gefordert ist das möglichst schnelle (nicht unbedingt eindeutige) Erspielen der “Viele-Väter-Stellung” — allerdings nur mit Königs- und Bauernzügen.

Wertvolle Preise könnt ihr gewinnen — ihr müsst natürlich den Einsendeschluss 30. November 2018 beachten…

Retro der Woche 47/2018

Im Retro der letzten Woche habe ich hier den 2. Preis der klassischen Retros im Schwalbe 2008 Informalturnier vorgestellt, nun möchte ich euch den 2. Preis der „Beweispartien“-Abteilung aus dem Preisbericht von Nicolas Dupont zeigen.

Dieser Jahrgang war für mich ein ganz besonderer, da ich mit dem Juniheft 2008 die Sachbearbeitung der Schwalbe-Retros übernommen hatte, nachdem Günter Lauinger diese Abteilung über 31 Jahre -– er übernahm sie von bernd ellinghoven mit dem Februarheft 1977 –- so unnachahmlich geleitet hatte.

Dies erklärt natürlich auch den sehr hohen Anteil an Widmungsaufgaben für Günter im Jahr 2008.

Gianni Donati & Olli Heimo
Die Schwalbe 2008, 2. Preis, Günter Lauinger gewidmet
Beweispartie in 19 Zügen (15+12)

 

Wie üblich beginnen wir mit dem Zählen der sichtbaren Züge und einer Analyse der Schlagbilanz.

Bei Weiß sind wir mit dem Zählen recht schnell fertig: 2+1+0+0+0+2=5 sichtbare Züge – das ist nicht viel! Bei Schwarz ist es ein wenig ergiebiger: 1+0+3+3+1+5=13, aber auch das lässt noch komplette sechs Züge frei. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb diese relativ kurze Beweispartie ohne ein „C+“ z.B. in der PDB zu finden ist.

Aber vielleicht hilft uns ja die Analyse der Schlagfälle weiter?

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Zwischendurch (59)

Rolf Kohring gibt für den Münchener Problemkreis die mpk-Blätter heraus, die auch für Nicht-Münchener im Internet frei zur Verfügung stehen. Aus den aktuellen November-Ausgabe möchte ich eine kleine Beweispartie von Rolf “für zwischendurch” vorstellen.

Rolf Kohring
mpk-Blätter 2018
Beweispartie in 5 Zügen (15+13)

 

Wenn man den Trick erkennt, ist das eine Sekundensache — aber nehmt die Aufgabe mal mit in euren Schachclub, das ist sicher etwas für “Partyspieler”!

Retro der Woche 46/2018

Wenn ihr ein klassisches Retro von Thomas Volet seht, ist auch bei euch sicher einer der ersten Gedanken: „Schachschutz“? Mit diesem Thema hat Tom schon viele schöne Aufgaben gebaut; eine ganz besondere möchte ich heute vorführen.

Thomas Volet
Die Schwalbe 2008, 2. Preis
Löse auf (15+12)

 

Beginnen wir wie üblich mit der Analyse der Schlagfälle: Auf f6 wurde der einzig fehlende weiße Stein, ein Springer, geschlagen, bei Schwarz fehlen Springer, Turm und zwei Bauern; drei weiße Schläge sind im Diagramm zu sehen: Bcxbxa und Bh2xg3. Die beiden fehlenden schwarzen Bauern [Bc7] und [Bd7] können selbst nicht geschlagen haben, können aber auch beide nicht von Bauern geschlagen worden sein.

[Bc7] muss sich schlagfrei auf c1 umgewandelt haben, und [Bd7] wurde auf seiner Linie geschlagen.

Schnell sehen wir auch, wie der Knoten im Westen geöffnet werden kann: Durch die Rücknahme von Bd2-d3. Das aber ist nicht so einfach.

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Silvio Baier 40

Heute gehen ganz herzliche Glückwünsche zum 40. Geburtstag nach “Elbflorenz” an Silvio Baier. Silvio arbeitet als promovierter Physiker dort an einem Forschungsinstitut, und neben Arbeit und Familie ist er sicher einer der aktivsten und erfolgreichsten deutschen Problemisten der letzten Jahre.

Bereits seit neun Jahren, ab Februar 2010, betreut er als Schwalbe-Sachbearbeiter die Hilfsmatts, ist einer der weltweit besten Löser (aktuell Löse-IM mit der höchsten Ratingzahl auf Platz 7 der Weltrangliste, vor unseren drei Löse-GMs) — und natürlich ein profilierter “Retroist”, der sich dort vor allen Dingen der Beweispartie verschreiben hat. Allein mit Beweispartien steht er kurz vor dem Titel des Kompositions-IM, hat sich vor allen Dingen den “Future Proof Games” (siehe Schwalbe-Sonderheft 250A, August 2011) verschrieben und dort technisch sehr versiert ungeahnte Höhen erreicht.

Darüber könnte man die vielen weiteren Aktivitäten (Löser/Kommentator, Preisrichter, Autor, Organisator, Nachwuchsförderer in Dresden usw.) beinahe übersehen, sollte das aber nicht.

Schwer ist es, eine Beweispartie von ihm herauszusuchen — einfacher wäre es sicher, gleich 20 zu bringen! Ich wähle ein schon etwas älteres, sehr elegantes Stück aus, in dem er (Future Proof Game!) je zwei weiße Ceriani-Frolkin-Türme und Läufer darstellt:

Silvio Baier
Die Schwalbe 2011
Beweispartie in 26 Zügen (12+15)

 

1.h4 f5 2.h5 f4 3.h6 f3 4.hxg7 h5 5.g4 h4 6.g5 Th5 7.g6 Sh6 8.g8=L Lg7 9.Lb3 Lh8 10.g7 h3 11.g8=L h2 12.Lgc4 d5 13.d4 dxc4 14.d5 cxb3 15.d6 Td5 16.a4 Lf5 17.a5 e6 18.a6 Dh4 19.d7+ Ke7 20.d8=T Dc4 21.Td6 Sd7 22.Tb6 axb6 23.a7 Tg8 24.a8=T Tg5 25.Tf8 Lg6 26.Tf5 exf5.

Lieber Silvio, im Namen aller Leser hier im Blog wünsche ich dir für dein neues Lebensjahr(zeht) alles denkbar Gute, und lass dich heute schön feiern!