Retro der Woche 26/2023

Bleiben wir noch etwas bei den Jahrtausendwechsel-Schwalbe-Retros, den Berichten zu den Jahrgängen 1999 bis 2001.

Gerade der Jahrgang 1999 war etwas für die Anhänger der klassischen Retros: Wir Preisrichter Hans Gruber, Uli Ring und ich haben klassische Aufgaben auf die ersten sechs(!) Plätze gesetzt; das 1. Lob war dann gleichzeitig die bestplatzierte Beweispartie.

Den ersten Preisträger von Andrej Kornilow und Andrej Frolkin hatte ich bereits im Retro der Woche 20/2016 vorgestellt, heute möchte ich euch das drittplatzierte Stück zeigen.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 1999, 3. Preis
Löse die Stellung auf (Letzte 33 Einzelzüge?) (13+13)

 

Offensichtlich muss Schwarz mit der Rücknahme in Form eines Entschlags auf b3 beginnen. Zusammen mit den schwarzen Doppelbauern auf der c- und der f-Linie sind damit alle fehlenden weißen Steine erklärt.

Auch bei Weiß sehen wir zwei Doppelbauern, nämlich auf der b- und der g-Linie. Damit [Be2] verschwinden konnte, musste er schlagen: entweder, um sich auf d8 unzuwandeln, oder, um sich auf der f-Linie zum Schlag anzubieten. Damit sind auch alle fehlenden schwarzen Steine erklärt — und das schließt ein, dass [Bh7] schlagfrei auf h1 umgewandelt hat, um verschwinden zu können.

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Retro der Woche 25/2023

Heute vollendet René J. Millour sein achtes Lebensjahrzehnt, und dazu gehen meine herzlichen Glückwünsche nach Frankreich!

René begeistert mich immer wieder mit großartigen Märchen-Retros, die meist im Diagramm völlig harmlos ausschauen, aber dann sehr eleganten Inhalt mit niemals erwartetem Tiefgang zeigen.

Solch ein Stück habe ich für heute ausgesucht, das ich etwas anders als üblich präsentieren werde: Ich zitiere im Wesentlichen aus dem Preisbericht von Hans Gruber, Uli Ring und mir — übrigens aus dem in der letzten Woche erwähnten Schwalbe-Heft 233.

René J. Millour
Die Schwalbe 2001, 1. Preis
Forderungen im Text, Monochromes Schach (6+8)

 

Gefragt ist nach
a) In welcher Reihenfolge wurden die Springer geschlagen?
b) Ist die schwarze O-O noch möglich?
c) Wie viele Züge hat der weiße König mindestens ausgeführt?
im monochromen Schach (Schwalbe-Lexikon: „Es sind nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind. Das gilt auch bei der Beurteilung von Matt und Patt.“)

Zunächst der Kommentar von uns drei Richtern, anschließend, nach dem „weiter“, die ausführliche Lösungsangabe, wie wir sie für den Preisbericht geschrieben hatten.

„Auch unter vielen komplexen Monochrom-Retros des Autors ist dieses Problem eines der Topstücke, vor allem, weil das extrem komplizierte Element `Wer zum Henker konnte Stein X schlagen?’ gleich mehrfach zelebriert wird. Die ökonomie-stiftende Wirkung der Monochrom-Bedingung wird ungeheuer gut genutzt, was sich vor allem in der atemberaubend geringen Steinzahl und im Fehlen jeglichen sichtbaren Bauernschlags im Diagramm zeigt. Die in der Konstruktion verborgenen Retro-Überlegungen sind tiefgründig und reichhaltig.“

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Andernach 2023

1975 fand zum ersten Mal ein Problemschachtreffen in Andernach statt, bald schon jeweils am Himmelfahrt-Wochenende jedes Jahr, nur 2020 und 2021 wegen Corona ausgefallen.

Die Einheit „Andernach und Problemschach“ ist untrennbar mit Zdravko Maslar verbunden, der die Treffen bis zur Rente in seinem Restaurant, dem Balkan-Pik, ausrichtete, auch später noch, solange es seine Gesundheit zuließ, mit organisiert hat.

Zum Start des diesjährigen Treffens möchte ich ein Retro von Pile Maslar, dessen großartige Kompositionsleistungen überwiegend mit Hilfsmatts verbunden werden, vorstellen: Mit „Last Movern“ hat er sich in den späten 1950-er Jahren gelegentlich beschäftigt; eines dieser Stücke möchte ich euch heute „zwischendurch“ zeigen.

Zdravko Maslar
problem 1957, 1. Preis e.ae. im 16. Thematurnier
Letzter Zug? (4+9)

 

Wie immer erscheint die Lösung nächste Woche an dieser Stelle!

 

Lösung

Letzter Zug Tc8xDb8 — warum nicht Tc8xS/Lb8 oder Tc8-b8?
Davor geschah Da7-b8 — wieso schlagfrei?

Retro der Woche 20/2023

In der letzten Woche war ich hier auf die bestplatzierte Beweispartie des Retro-Turniers für die Jahre 1999-2000 des Problemist eingegangen.

Nun möchte ich mit euch das vom Ersatzrichter Cedric Lytton auf den ersten Platz gesetzte Stück, eine ganz klassische Auflöse-Aufgabe des Ukrainers Alexander Kisljak (27.12.1938–5.5.2010) genießen.

Alexander Kisljak
The Problemist 1999-2000 (7/2000), 1. Preis
Legales Matt? Letzte 34 Einzelzüge? (12+13)

 

Offenbar hat Weiß soeben mit Txg3+ geschlagen, hat ebenso exd und auch [Th8] geschlagen, der nicht aus dem Nordost-Käfig entkommen konnten, was alle fehlenden schwarzen Steine erklärt. Folglich ist einer der schwarzen Türme durch Umwandlung entstanden. Weiß hat auch einen Bauern in Läufer umgewandelt, der nicht von g8 hätte entkommen können, also wurde er auf a8 schlagfrei umgewandelt.

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Retro der Woche 18/2023

Vor zwei Wochen hatte ich hier eine Aufgabe von Josef Haas (28.1.1922 – 11.11.2003) vorgestellt; heute soll eine weitere folgen. Ich finde seine Aufgaben deshalb sehr schön und werbewirksam, weil die Diagrammstellungen meist recht einfach erscheinen, aber die Lösungen dennoch eine Menge retroanalytischen Tiefgang besitzen.

Josef Haas
feenschach 1971, 2. Preis
Weiß nimmt einen Zug zurück, dann #2 ; b) sBc7>d5, dann #3 (11+9)

 

So ist es hier auch, wie ich finde: eine recht offene Stellung, die aber nette Schlussfolgerungen erfordert, um die Lösungen zu finden.

Überlegen wir aber zunächst, wie wir prinzipiell die Vorwärtsforderung erfüllen können. So kann Weiß in a) 1.Kxg7 und 2.Tf8# spielen — wenn Schwarz nicht mehr rochieren darf.

Die Diagrammstellung lässt sicherlich die schwarze lange Rochade zu — wir müssen also eine Rücknahme finden, nach der die Rochade nachweisbar illegal ist.

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Retro der Woche 16/2023

Bei Aufgaben mit einer Forderung wie beim heutigen Stück oder auch ähnlichen kann es einfach um das Finden desjenigen Zugs gehen, der im Sinne der Vorwärtslösung zurückgenommen werden muss, ohne dass das mit retroanalytischen Überlegungen verknüpft ist — oder es geht um echte Retroanalyse.

Steht über dem Diagramm der Name des Kriminalbeamten Josef Haas (28.1.1922 – 11.11.2003), so könnt ihr euch sicher sein, dass dann eine Aufgabe des zweiten Typs vorliegt, so auch heute.

Josef Haas
Die Schwalbe 1973, 2. Preis
Weiß nimmt einen Zug zurück und setzt in einem Zug matt (13+8)

 

In der Diagrammstellung sehen wir bereits einen Mattzug, nämlich 1.Kc2#, quasi ein „Satzmatt“, denn Weiß muss ja zuvor noch einen Zug zurücknehmen.

Wieso kann das nicht ein fast beliebiger weißer Zug sein (Läufer oder Dame bleiben auf ihrer Diagonale, Te1-d1 oder irgendwelche anderer)?

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Retro der Woche 14/2023

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie kleine Änderungen der Diagrammstellung große Auswirkungen auf die Lösungen haben können. Bei Retroaufgaben ist dies recht schwierig, dies mit wirklich signifikante Änderungen im Spiel interessant darzustellen, da ja „eigentlich“ zwei sehr ähnliche Stellungen eine sehr ähnliche Historie haben müssen.

Heute möchte ich euch ein Stück zeigen, in dem „unterschiedliches Retrospiel“ aus meiner Sicht sehr überzeugend demonstriert wird.

Bernd Gräfrath
feenschach 2003 , 5. Lob
Geringste Zahl der Königszüge? b) Df1>g1 Schlagschach (14+14)

 

Beim Schlagschach verliert ein König bekanntlich seine königliche Eigenschaft, darf also geschlagen und auch erwandelt werden. Und wie der Name schon andeutet, müssen mögliche Schlagzüge durchgeführt werden; bei mehreren Möglichkeiten besteht „freie Auswahl“.

Natürlich fällt sofort der schwarze König im weißen Lager auf, und schnell ist klar, dass er entweder der Originalkönig sein muss oder durch Umwandlung des [Bc7] entstanden ist. Und nun ahnen wir vielleicht schon, was die Zwillingsbildung nun bewirkt? Und noch ein Hinweis für eure eigenen Lösungsansätze: Überlegt euch auch, wie der weiße Springer unter der Schlagzwang-Bedingung nach a8 gelangen konnte?

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Retro der Woche 10/2023

Die gerade erschienene März-Ausgabe des Problemist enthält einen ausführlichen Artikel zum Schweizer Markus Ott (30.01.1960–01.10.2021): Er war ein hervorragender Komponist, der besonders für seine Hilfsmatts und Märchenaufgaben bekannt ist.

In seinen „jungen Jahren“ hat er allerdings auch einige interessante Retros gebaut; ein klassisches Stück aus dieser Zeit möchte ich euch heute zeigen.

Markus Ott
feenschach 1982, 3. Lob
Erster Zug des weißen Turms? (5+11)

 

Anfang der 1980er Jahre wurden in feenschach möglichst ökonomische klassische Auflöse-Aufgaben untersucht, in denen nicht nach dem letzten, sondern nach dem ersten Zug eines Steins gesucht wurde. Eine Vielzahl interessanter Stücke ist dabei entstanden.

wKb8 konnte offenbar nur via g6, f7, e8 auf die achte Reihe gelangen, daher kann Schwarz die offensichtlichen möglichen Züge h7-h6 oder f7xXe6 noch nicht zurücknehmen. Die Rücknahme eines Königszuges würde in ein illegales Retroschach führen, sodass Schwarz nicht als letzter gezogen haben kann; also müssen wir mit der Rücknahme eines weißen Zuges beginnen.

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