Retro der Woche 48/2025

Wenn ihr in den letzten drei Wochen diese Rubrik verfolgt habt, werdet ihr vielleicht erwartzen, dass ich euch heute das erstplatzierte Retro des

Problemist Turniers 2019-2020 vorstelle:

Eine, wie wir drei Richter Hans Gruber, Ulrich Ring und ich uns sehr schnell einig waren, sehr bemerkenswerte orthodoxe Beweispartie aus französischer Werkstatt — aber die hatte ich bereits als Retro der Woche 38/2025 vorgestellt. Darum heute ein ebenfalls hochoriginelles Stück, das wir auf den dritten Platz gesetzt haben.

Stephen Tayler
The Problemist 2020, 3. Preis 2019-2020
Beweispartie in 16 Zügen (15+14)

 
Bei solch einer recht kurzen Beweispartie erwartet man vielleicht nicht allzu viel spannenden Inhalt — doch lasst euch überraschen! Zunächst einmal zählen wir die sichtbaren Züge: Bei Weiß haben wir 2+2+3+3+3+3=16, alle weißen Züge sind also verbraucht. Bei Schwarz schaut das deutlich anders aus: 2+0+2+1+1+0=6: Zehn Züge sind also noch frei.

Was fehlt an Material im Diagramm? Bei Weiß nur der g-Bauer, der auch zu Hause geschlagen werden musste, da für ihn ja kein Zug mehr übrig ist, bei Schwarz fehlen der g- und der h-Bauer.

Wenn ihr euch nun überlegt, wie das Verschwinden eigentlich nur passiert sein kann, dann habt ihr vielleicht schon eine Thema-Idee?

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Retro der Woche 47/2025

Nach dem zweitplatzierten Stück im Probleemblad Preisbericht für die Jahre 2019 und 2020, das ich hier vor zwei Wochen vorgestellt hatte, möchte ich nun den ersten Preisträger nachreichen. Um schon einmal etwas zu spoilern: „And the winner is … the Retro editor himself!“

Roberto Osorio
Probleemblad 2020, 1. Preis 2019-2020
Beweispartie in 20 Zügen (14+14)

 
Eine völlig harmlos ausschauende Stellung, die man doch leicht in deutlich weniger als 20 Zügen erspielen kann? Der nahe liegende erste Gedanke, die auffällige schwarze Dame sei auf b1 aus dem [Ba7] entstanden, erledigt sich schnell, wenn man die schwarzen Doppelbauern auf der c- und f-Linie entdeckt hat, die für das Fehlen jeweils eines weißen Turms und Springers verantwortlich zeichnen.

OK, also wurde [Ba7] zu Hause geschlagen — und wo der fehlende schwarze Turm? Wenn ihr das nun versucht, werdet ihr feststellen, dass das so leicht gar nicht ist — dass sich diese so plausiblen Gedanken nicht umsetzen lassen.

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Henrik-Juel-Gedenkturnier

Und sofort noch eine Turnierausschreibung, dieses Mal eine „echte“ Retro-Ausschreibung:

Der Dansk Skakproblem Klub schreibt das Henrik-Juel-Gedenkturnier aus: Gefordert sind orthodoxe Retros mit den Forderungen „Löse die Stellung auf“ oder „Letzte n Züge?“; Märchenbedingungen sind nicht zugelassen.

Einsendungen bis zum 31. August 2026 an Bjørn Enemark (bjorn.enemark(at)get2net.dk), Preisrichter, da freue ich mich sehr, bin ich.

Und hier findet ihr die genaue Ausschreibung.

Henrik Juel stand bis bis zu seinem Tod Anfang Januar meinem Blog sehr nahe; er war sicherlich der fleißigste Kommentator und Löser der Retros der Woche.

Da freue ich mich natürlich ganz besonders auf eure guten Einsendungen zum Gedenken an Henrik, zu diesem Turnier.

Retro der Woche 46/2025

In der letzten Woche hatte ich den zweiten Preis aus dem Probleemblad-Retroturnier 2019—2020 mit einem Richter-Trio vorgestellt. Auch das parallele Turnier des Problemist fand unter den gleichen Rahmenbedingungen statt, nur war das Richter-Dreigestirn etwas anders zusammengesetzt: Gruber, Ring und Brand. Und auch aus diesem Turnier möchte ich zunächst den zweiten Preis vorstellen.

Andrij Frolkin & Jeff Coakley
The Problemist 2019, 2. Preis 2019-2020
Jeder Buchstabe repräsentiert einen anderen Figurentyp, Groß- und Kleinbuchstaben stehen für die unterschiedlichen Farben. Entferne alle Buchstaben eines Typs, um eine legale Stellung zu erhalten, bestimme die Position und den letzten Zug.

 
Andrij und Jeff sind sicherlich die größten Experten im Bereich dieser Art von „Buchstaben-Problemen“, hier sind sie aber unserer Meinung nach ganz besonders kreativ gewesen: Von den (nur) fünf unterschiedlichen Figurentypen muss auch noch einer komplett verschwinden, um eine legale, dann auch noch eindeutig ableitbare Stellung zu erhalten, in der auch noch der letzte Zug eindeutig war. Das ist schon großes Kino, besonders, wenn man dann sieht, wie logisch ableitbar die Lösung ist.

Je einmal in beiden Farben kommen nur G und I vor, ein Buchstabentyp muss also die Könige darstellen. Repräsentiert G die Könige, dann kann H weder Dame noch Turm oder Springer sein (beide Könige im Schach), auch nicht Läufer (illegales Schach e1-d2) oder Bauer (auf der 1. bzw. 8. Reihe) — H kann also bei G=König nicht legal eingesetzt werden. Aus den gleichen Gründen kann bei G=König auch N nicht legal eingesetzt werden. Es darf aber nur eine Steinart entfernt werden — also ist G nicht König, sondern I.

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Stelvio 4.2

Wie schrieb Reto Aschwanden doch so schön zu seiner neuen Stelvio Version 4.2?
“Ein paar Verbesserungen da und dort, neben einem hässlichen Bug weniger…”

Der Fehler trat gelegentlich bei der Parallelisierung auf, und die Verbesserungen resultieren aus den noch tieferen Strategie-Analysen, die Reto im Zusammenhang mit der Prüfung der 57,5 Züge langen Beweispartie eingeführt hat.

Mehr Details gibt es natürlich in der Dokumentation, die wie immer lesenswert ist!

Retro der Woche 45/2025

Vor wenigen Tagen erschien die vierte und letzte Ausgabe des Jahres 2025 von Probleemblad und darin der Retro-Preisbericht für die Urdrucke 2019 und 2020. Der damals vorgesehene Richter konnte aus gesundheitlichen Gründen dieser Aufgabe nicht mehr nachkommen, und so übernahm das Trio Hans Gruber, Ulrich Ring und Dirk Borst die Erstellung des Preisberichts.

Nach Ausscheiden einiger inkorrekter Aufgaben blieben 17 zur Beurteilung, und davon wurden sechs (mit der kuriosen Verteilung vier Preise, je eine ehrende Erwähnung und ein Lob) ausgezeichnet.

Für heute habe ich daraus den zweiten Preis ausgesucht.

Michel Caillaud
Probleemblad 2019, Bernd Gräfrath gewidmet, 2. Preis 2019-2020
Beweispartie in 22 Zügen, Schlagschach (13+15)

 
Die Widmung ist sehr passend, da Bernd Gräfrath sich schon viel mit Schlagschach beschäftigt hat und damit einige sehr schöne Aufgaben gebaut hat.

Beim Schlagschach ist meist das Zählen der geschehenen Züge recht schwierig, da häufig recht komplizierte Manöver erforderlich sind, um ein bestimmtes Feld zu erreichen. Bei etwas genauerem Hinschauen entdeckt man sofort einen „Verdächtigen“, um den es in dieser Aufgabe gehen könnte?

Das ist sicherlich der [Lf1], der ja zuhause geschlagen werden musste. und die alles entscheidende Frage ist nun, wer nicht nur auf f1 schlagen konnte, sondern auch noch unbeschadet den Heimweg nach Norden antreten konnte, denn der Täter hat den Ausflug nach f1 überlebt: Schließlich fehlt bei Schwarz nur [Bc7], der auf c3 oder c4 sterben musste, aber als Läuferschläger nicht in Frage kommt.

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Retro der Woche 44/2025

„Leider gab es keine Kommentare, das Nachspielen der Lösung wird empfohlen!“ Wenn das die einleitenden Worte von Jochen Schröder, dem Retro-Sachbearbeiter der Schwalbe sind, sollte sich das bestimmt lohnen — speziell bei einer Beweispartie des amtierenden Retro-Kompositonsweltmeisters Silvio Baier.

Da sollten wir uns dann gemeinsam draufstürzen?!

Silvio Baier
Die Schwalbe 2025
Beweispartie in 29,5 Zügen (11+14)

 
Beginnen wir wie üblich mit der Inventur: Bei Weiß fehlen fünf Bauern, bei Schwarz drei, von denen einer offensichtlich in einen Springer umgewandelt wurde.

Das Zählen der sichtbaren weißen Züge ist — wie haben hier eine vollständige weiße Homebase vor uns, natürlich schon erledigt, bevor es begonnen hat; bei Schwarz ist da schon etwas mehr zu tun.

Die Springerumwandlung haben wir schon gesehen, da nehmen wir einfach im Sinne der „Zügeminimierung“ an, der Umwandlungsspringer stehe auf e2. Für den rechnen wir dann sechs Züge (5 Bauernzüge plus Sg1/c1-e2).

Wir sehen dann 4+2+3+3+3+(8+6)=29 Züge — kein Zug ist also bei Schwarz noch frei. Andererseits ist damit klar, dass unsere Hypothese „sSe2 ist Umwandlungsspringer“ richtig ist, da Schwarz keine freien Züge für ansonsten erforderliche Springermanöver hätte.

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Beweispartie in 57,5 Zügen Co+

Kürzlich konnte Reto Aschwanden die Sensation vermelden: Es ist ihm mit seinem Prüfprogramm Stelvio gelungen, die Korrektheit der berühmten Beweispartie in 57,5 Zügen von Dmitri W. Pronkin und Andriy Frolkin nachzuweisen.

Dankenswerter Weise lässt er uns mit seinem für diesen Blog geschriebenen Artikel an der Geschichte dieser historischen, noch vor wenigen Jahren für absolut undenkbar gehaltenen Leistung der Verifizierung des 57.5-Beweispartie Längenrekords teilhaben: Der Computer-Laie bekommt einen gut nachvollziehbaren Eindruck von der Komplexität dieser Prüfung, und der Spezialist erhält zusätzliche Hinweise zur ausgefeilten Lösestrategie von Stelvio.

Und wir alle lernen nebenbei noch etwas über die richtige Lagerung von Wein …