Retro der Woche 49/2016

In seiner Rubrik des The Problemist hat Bernd Gräfrath im aktuellen Novemberheft 2016 drei Aufgaben aus seinem StrateGems Preisbericht für Beweispartien 2014 vorgestellt. Eine weitere Aufgabe aus diesem Preisbericht habe ich für heute ausgesucht.

Silvio Baier
StrateGems 2014, 2. Preis
Beweispartie in 27 Zügen. (14+12)

 

Schauen wir uns das Diagramm an, so fällt auf, dass nur Bauern fehlen. Außerdem sehen wir zwei Schlagfälle durch Weiß und ebenfalls zwei durch Schwarz – letztere erklären die fehlenden weißen Steine.

Damit wissen wir schon, dass mindestens eine weiße Umwandlung stattgefunden hat: Theoretisch kann neben dxe3 und exf3 noch axbxc oder hxgxf geschehen sein, sodass ein weißer Bauer geschlagen worden sein kann – für zwei fehlen Schlagobjekte.

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Retro der Woche 48/2016

Beim französischen Treffen der Problemschachfreunde jedes Jahr am Pfingstwochenende (oder mit anderen Worten: Eine gute Woche nach Andernach) steht auch immer ein Retro-Kompositionsturnier auf dem Programm.

Im Jahre 2009 war das Thema besonders interessant: Es waren Beweispartien gefordert, für die eine möglichst lange Folge von „letzten Zügen“ im Sinne einer klassischen Auflöse-Aufgabe eindeutig sein sollte. Der Anteil an eindeutigen letzten Zügen in der Beweispartie sollte möglichst hoch sein.

Schauen wir uns den ersten Preisträger an.

Michel Caillaud
Messigny2007, 1. Preis
Beweispartie in 16 Zügen. Letzte 12 Einzelzüge? (12+14)

 

Hier ist der Anteil nun 12/32, also 37,5%. Lässt sich der noch steigern?

Beginnen wir mit dem „letzte-Züge-Anteil“ – dann ist ja anschließend nur noch eine Beweispartie in 10 Zügen zu lösen.

Bei Weiß fehlen die beiden Türme und die beiden Springer, bei Schwarz die Läufer. Offensichtlich wurden die Läufer vom [Ba2] geschlagen, und wegen der unterschiedlichen Felderfarben ist auch klar, dass diese Schläge auf b3 und c5 erfolgten. [Bh2] kann nicht geschlagen haben.

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Retro der Woche 47/2016

Ich finde es immer wieder interessant, sich Beweispartien anzuschauen, die etwa 20 Jahre alt sind. Da merkt man, welch unglaubliche Fortschritte auf diesem Gebiet in den letzten Jahren gemacht worden sind, wie stark sich gerade diese Aufgabenart weiterentwickelt hat – vielleicht höchstens noch vergleichbar mit längeren Hilfsmatts.

Bei beiden hilft sicherlich die enorm gestiegene Möglichkeit der Computerprüfung, einerseits gewagtere Themen zu wagen, andererseits besonders elegante Fassungen zu suchen – beides natürlich voll im Sinne aller Problemfreunde.

So war auch die heutige Aufgabe zunächst inkorrekt; die nun vorliegende Fassung ist allerdings Computer-geprüft.

Olli Heimo
Die Schwalbe 1998 (V), 1. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (10+14)

 

Die üblichen Stellungsanalysen bringen uns hier nicht sofort weiter: Zwei schwarze Steine fehlen: ein Turm (wahrscheinlich, aber nicht sicher: [Th8]; bei wBf7 wissen wir nicht, ob er von e2 oder von g2 kommt.

Mit den fehlenden weißen Steinen ist es noch schwieriger: Vier Bauern fehlen, dazu ein Turm und die Dame. Andererseits sind sicher nur zwei schwarze Bauernschläge sichtbar.

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Retro der Woche 45/2016

Nach welchen Kriterien schätzt ihr die Schwierigkeit einer Aufgabe, beispielsweise einer Beweispartie, ein, bevor ihr sie löst? Zügezahl – länger gleich schwerer? Viele / wenige sichtbare Züge bei einer oder beiden Seiten? Nach dem/n Autornamen?

Falls ihr diese Aufgabe bisher noch nicht kennt: Wie schätzt ihr ihre Schwierigkeit ein?

Andrej Frolkin & Kostas Prentos
Messigny 2010, 1.-2. Preis
Beweispartie in 16,0 Zügen (14+14)

 

Allzu lang ist das Stück nicht, bei Schwarz sieht man eine Menge Züge, bei Weiß erst einmal keinen einzigen, da sich die 14 weißen Steine alle zu Hause befinden. Die Autorennamen sprechen eurer Meinung nach eher für leicht oder eher für schwer? So oder so sicher für Qualität!

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Retro der Woche 44/2016

Gelegentlich stellen Autoren anstatt des üblichen „Löse auf!“ auch ganz konkrete Fragen zum Rückspiel, mit denen sie die Löser direkt auf den Inhalt der Aufgabe stoßen wollen. Gelegentlich sind darin die Konstruktion erleichternde Bedingungen enthalten; dies ist bei dem heutigen Beispiel allerdings nicht der Fall: Hier will der Autor mit seiner Frage sofort ein Ausrufezeichen setzen.

Nikolai Beluchow
Die Schwalbe 2010, Hugo August gewidmet, 1. Preis
Wie oft stand der schwarze König in den letzten 66 Einzelzügen im Schach? (16+10)

 

Wenn man kurz die Stellung betrachtet und sieht, wie der schwarze König im Zentrum eingekesselt ist von weißen Langschrittlern, so könnte man direkt auf den Verdacht kommen, dass das wohl 33 Mal gewesen sein könnte?!

Aber bevor wir diesem Verdacht nachgehen, wollen wir uns die Stellung etwas genauer anschauen: Weiß hat noch all seine Steine, während bei Schwarz insgesamt sechs Steine fehlen. Direkt sichtbar ist nur axb5, aber Weiß verfügt ja über zwei Umwandlungssteine: eine Dame sowie einen weißfeldrigen Läufer. Beide müssen, aus [Bg2] und [Bh2] entstanden, via f7 auf e8 oder g8 umgewandelt haben. Und damit sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt.

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Retro der Woche 43/2016

Ich habe den Eindruck, dass in den letzten Jahren kürzere Beweispartien (weniger als etwa 20 Züge) wieder mehr in Mode gekommen sind, die konzentriert interessanten Inhalt zeigen. Solch ein Beispiel ist unsere heutige Aufgabe.

Roberto Osorio
Orbit 2014, 1. Preis
Beweispartie in 16 Zügen (14+12)

 

Zählt man allein die im Diagramm sichtbaren Züge, so bringt uns das nicht sehr weit. Bei Schwarz sieht man nur drei Bauernzüge, bei Weiß immerhin 0+2+0+2+1+3=8 Züge. Aber auch das ist nur die Hälfte der Zügezahl – mit anderen Worten, noch sind acht weiße und 13 schwarze Züge frei!

Aber zum Glück fehlen ja einige Steine, sodass die uns vielleicht weiterhelfen können.

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Retro der Woche 42/2016

Heute möchte ich euch mal wieder explizit zum Selbstlösen auffordern. Dazu habe ich eine Aufgabe herausgesucht, wo sofort die Fragestellung auf das wesentliche Thema zielt: Wie konnte das Schachgebot (legal) entstehen?

Juri Lebedjew
Redkie schanri pljus 1995, Preis
Schach? (12+12)

 

Das Schach des Lc8 kann nicht durch Bauernumwandlung entstanden sein: wBd5 kommt von c2, wBe5 von g2, und dann bleibt noch ein Schlag für Weiß frei. Alle Schläge des Schwarzen sind durch die Bauernstruktur erklärt: sBc5 kommt von a7, einer der schwarzen d-Bauern von e7, und sBg6 kommt natürlich von h7.

Für die schlussendliche Stellungsauflösung merken wir uns schon mal, dass [Ba2] und [Bh2] schlagfrei umgewandelt haben müssen; anders können sie nicht vom Brett verschwunden sein. Daher können axb und hxg6 erst nach der entsprechenden weißen Entwandlung zurückgenommen werden.

Doch nun zur Erklärung des Schachgebots, zur Stellungsauflösung:

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Retro der Woche 41/2016

Im Hilfsmatt hat sich spätestens nach dem zweiten Weltkrieg die Tendenz gefestigt, dass zumindest kürzere Aufgaben (heute sicherlich bis mindestens vier Züge) mehr als eine Lösung haben; typischerweise sind diese Lösungen irgendwie thematisch miteinander verwoben.

Bei Beweispartien hat sich dies ähnlich wie bei klassischen Auflöse-Aufgaben, die ja beide die Kooperation von Weiß und Schwarz nutzen und damit dem Hilfs-Vorwärtsspiel „bis auf die Richtung“ ähneln, bisher kaum durchgesetzt.

Das liegt nicht nur daran, dass es offensichtlich sehr schwierig ist, beispielsweise solche Beweispartien zu bauen, sondern auch an einem inhärenten Problem, dass nämlich quasi „automatisch“ viele Züge in den Lösungen identisch sind: Schließlich müssen ja alle Steine die Diagrammstellung erreichen. Das ist im Vorwärts-Spiel einfacher zu vermeiden, da ja dort die Mehrspänner nur die Startposition (Diagramm) teilen, entsprechende Retros aber immer Start- und Endstellung.

Dennoch gibt es immer wieder attraktive Mehrspänner auch bei Beweispartien; einen möchte ich euch heute vorstellen.

Mark Kirtley
StrateGems 2016
Beweispartie in 11,5 Zügen, 2 Lösungen (9+13)

 

Insgesamt fehlen nach jeweils 23 Halbzügen insgesamt zehn Steine – das ist eine ganze Menge, und das erschwert auch die Lösung ganz erheblich. Dennoch bietet auch diese Stellung natürlich einige Anhaltspunkte für die Lösung.

Die Anzahl der sichtbaren Züge hilft nicht sehr viel weiter: 0+0+2+0+0+2=4 bei Weiß; bei Schwarz ist gar nur ein einziger Zug sichtbar.

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