Retro der Woche 31/2025

Mit dem bereits in der letzten Woche hier angesprochenen Juni-Heft der Schwalbe hat Jochen Schröer die ersten zwei Jahre seiner Retro-Sachbearbeiter-Tätigkeit erfolgreich hinter sich gebracht — und ich musste feststellen, dass ich hier noch keine Aufgabe von ihm vorgestellt hatte. Das muss sich natürlich ändern!

Und daher stelle ich euch heute eine Aufgabe vor, die er im letzten Jahr veröffentlicht hat, die er dann aber noch verändert, inhaltlich weiter geschärft hatte.

Jochen Schröder
Die Schwalbe 2024
Beweispartie in 11,5 Zügen, Königsdynastie (12+11)

 
In der Schwalbe wurde die hier verwendete Bedingung „Königsdynastie“ so definiert: „Ein König – außer wenn er königlich ist – kann geschlagen werden und jederzeit – auch zur Schachabwehr – durch Bauernumwandlung neu entstehen. Er ist genau dann königlich, wenn er der einzige König seiner Partei ist. Ein König darf nur dann rochieren, wenn er königlich ist und nicht gezogen hat, seit er zuletzt königlich wurde. Die anderen für die Rochade vorgeschriebenen Bedingungen bestehen weiter.“ Daraus folgt, dass es nur Schachgebote gibt, wenn der einzige König einer Partei bedroht ist — und wegen der Schlag-Regel für Könige wird beim klassischen „Matt“ weitergespielt und im nächsten Zug gegebenenfalls der König geschlagen, womit dann eine Partie beendet wäre, ist es der einzige König.

Zählen wir die weißen Züge, so stellen wir fest, dass theoretisch der wKg1 durch Umwandlung entstanden sein kann (5+7=12) — aber da schafft es Schwarz nicht, all seine Steine loszuwerden und gleichzeitig die fehlenden weißen zu schlagen.

Na ja, bei der Bedingung können wir natürlich auch Umwandlungen erwarten…

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Retro der Woche 28/2025

In den Beiträgen der letzten beiden Wochen hatte ich bereits Preisträger des 11. WCCI vorgestellt: jeweils eine Aufgabe des Drittplatzierten Andrij Frolkin und des „runner-up“, wie die Engländer so schön sagen, Dmitrij Baibikov.

Heute ist nun natürlich der Sieger an der Reihe, da stelle ich eine der Aufgaben, die Silvio Baier fürs WCCI eingesandt hatte, vor.

Silvio Baier
The Problemist 2022, 1. Preis
Beweispartie in 32,5 Zügen (12+14)

Soo viele Züge — und nur einer bei Weiß sichtbar? Das Thema können doch nur ein paar Umwandlungen bei Weiß sein — und vielleicht erinnert ihr euch an eine tolle Artikelserie von Silvio in der Schwalbe Dezember 2022 bis April 2023 zur Themenkombination “Je zwei Ceriani-Frolkins und Pronkins” — die ist übrigens immer noch lesens- und studierenswert.

Beim Blick aufs Diagramm könnte man auf den Gedanken kommen: „die a-, d- und h-Linie sind offen, da bieten sich doch Turm- und/oder Damen-Pronkins an?“ Brav haben ja die schwarzen Offiziere, die anfangs dort auf der 8. Reihe stehen, auch Platz geschaffen.

Nun gilt es also nur noch die zwei Ceriani-Frolkin-Steine zu bestimmen — und dann zu schauen, was Weiß mit den übrig gebliebenen Zügen machen muss?

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Retro der Woche 26/2025

Beim Vorstellen der Retro-Ergebnisse des 9. WCCI Anfang dieser Woche hatte ich angekündigt, auf diese Weltmeisterschaft noch zurück zu kommen. Heute und an den kommenden beiden Sonntagen will ich jeweils eine Aufgabe der drei bestplatzierten Retro-Autoren hier vorstellen. Einige der eingereichten und besonders hoch bewerteten Stücke haben wir hier übrigens schon gesehen.

Beginnen möchte ich mit dem Drittplatzierten Andrij Frolkin, von dem ich hier bereits drei seiner vier in die Wertung gekommenen Stücke hier vorgestellt habe: im Retro der Woche 19/2025 (9,5 Punkte) und im Retro der Woche 2/2023 sowie Retro der Woche 9/2025 (jeweils 9 Punkte).

Heute schauen wir uns also seine vierte, mit 9,5 Punkten bewertete Aufgabe an:

Andrij Frolkin
Yoav Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, Version, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 24,5 Zügen (15+14)

 

Thema des Turniers waren “zweckreine Bahnungen in Beweispartien”, also ein höchst strategisches Thema; Andrijs 2. Preis in diesem Turnier hatten wir bereits Anfang 2023 hier gesehen. Für das Turnier hatte Andrij damals eine schwächere Vorversion eingesendet, da er diese bessere, nachträglich veröffentlichte, damals noch nicht per Computer prüfen konnte; das schaffte in erträglicher Zeit erst Stelvio.

Im Diagramm fehlen ein weißer und zwei schwarze Bauern, und daraus können wir schon Schlüsse ziehen, obgleich keine Doppelbauern zu sehen sind. Der schwarze Bd3 muss schlagfrei von d7 kommen, und das bedeutet, dass “irgendwie” im Zentrum Weiß zwei Bauernschläge durchgeführt haben muss.

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Retro der Woche 19/2025

Thematurniere sind für Retros — sieht man von Geburtstags- oder Gedenkturnieren ab — relativ selten. Häufig werden sie in Verbindung mit Mannschaftsturnieren ausgeschrieben, wo dann Retros eine der Abteilungen bilden.

So ist gerade im Rahmen der Ausschreibung des 12. World Chess Composition Tournament (WCCT) wieder die ominöse *Abteilung H* ausgeschrieben worden. Informationen zum Turnier könnt ihr auf der Schwalbe-Seite finden.

Die Mannschaftsmeisterschaft im Komponieren in der Ukraine fand 2023 bereits zum 21. Male statt — das erstplatzierte Stück dieses Wettbewerbs möchte ich euch heute zeigen. Wahrscheinlich seid ihr genauso wenig überrascht, dass es von Andrij Frolkin stammt, wie ich es war?

Andrij Frolkin
21. Ukrainische Mannschaftsmeisterschaft 2023, Retros, 1. Platz
Beweispartie in 23,5 Zügen (12+13)

 

Thema war: “Ein Bauer schlägt einen umgewandelten Stein und wandelt selbst um, Schlag und Umwandlung können im selben Zug erfolgen.” Ich finde, ein gut gewähltes Thema, da es den Komponisten viel Freiraum lässt, sodass nicht einfach mechanische Themenerfüllungen zu erwarten waren.

Bc4 kommt von e2 und hat dabei zwei schwarze Steine geschlagen: Bei Schwarz fehlen [Ba7], [Bf7] und [Bg7]. Bei Weiß fehlen [Ta1], der seine Heimat nicht verlassen konnte, [Lf1] sowie ebenfalls f- und g-Bauer.

Kann etwa [Ba7] sich bis c4 “durchgefressen” haben? Dafür müsste Schwarz mit diesem Bauern zweimal schlagen, auf c6 muss er (den [Lf1]? schlagen, und dann muss noch irgendwie [Ta1] verschwinden.

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Retro der Woche 14/2025

Ofer Comay baut, da kann man sich drauf verlassen, stets strategisch anspruchsvolle und interessante Aufgaben, und so habe ich mich sehr gefreut, im Rahmen der Bewertung der Einsendungen zum 12. WCCI mit wieder einige Stücke von ihm intensiver anschauen zu können, die ich bisher noch nicht kannte. Eines davon möchte ich euch heute zeigen.

Ofer Comay
Variantim 2023
Beweispartie in 33 Zügen (14+14)

 

Ein recht langes Stück, und sicherlich kein leicht zu lösendes! Schauen wir zunächst einmal nach offensichtlichen Schlagfällen: Da sehen wir auf bei Weiß einen: axb. Und beide fehlenden weißen Steine wurden von Bauern geschlagen, wir sehen dxe6 und gxf. Bei Schwarz fehlt [Ba7] sowie [Lc8], bei Weiß [Bg2] und [Bh2]. Was bedeutet das für unseren weiteren Vorüberlegungen zur Lösung — was passierte vor allen Dingen mit den fehlenden Bauern? Kann vielleicht Schwarz auf der f-Linie den [Bg2] geschlagen haben?

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Retro der Woche 12/2025

Wieso die Spezialform des Serienzug-Hilfsmatts, mit der wir uns heute beschäftigen wollen, mit dem Attribut “konsequent” beschrieben wird, hat sich mir noch nie so ganz erschlossen. Vielleicht wegen “konsequenter Amnesie”? Jedenfalls definiert sie das Schwalbe-Problemschachlexikon so:
“Ein Serienzüger, bei dem nach jedem Zug die Retroanalyse der Stellung neu durchgeführt wird (also ohne Kenntnis früherer Züge und Analysen). Beispielsweise wird eine Rochade wieder möglich, wenn König und Rochadeturm auf ihre entsprechenden Felder ziehen (weil in der neuen Analyse ‘vergessen’ ist, dass beide bereits gezogen haben).”
Damit sind nette Spielereien mit Mehrfachrochaden möglich — aber auch tiefsinnigere Retro-Überlegungen, wie in dem Stück, das wir uns heute gemeinsam anschauen wollen:

Thierry Le Gleuher
The Problemist 2022, 3. Lob
Konsequentes Serienzughilfsmatt in 31 Zügen (7+11)

 

Weiß hat nach 31 schwarzen Serienzügen ja nur den Mattzug; das schränkt die Möglichkeiten des Mattsetzens schon deutlich ein. Der wLb6 taugt hier zum Mattsetzen überhaupt nicht, da dazu der schwarze König sein Eckfeld verlassen müsste — das aber funktioniert nur ohne den Läufer.

Das einzig vorstellbare Matt ist axb7#. Das aber setzt voraus, dass sTa7 das Mattfeld b7 nicht mehr deckt. Heraus kommt er aber nur, wenn er nicht den wBa6 schlagen will, nachdem wLb6 verschwunden ist. Dann aber muss a7 dem schwarzen König auf andere Weise unzugänglich gemacht werden. Weiß kann das Feld nicht selbst decken, also muss es durch Schwarz blockiert werden. Wer kommt dafür in Frage?

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Retro der Woche 10/2025

Vorgestern hatte ich auf die Ausschreibung des 12. FIDE WorldCup aufmerksam gemacht. Beim 11. hatte ich die Ehre und das Vergnügen, die Retro-Abteilung zu richten; den überlegenen 1. Preis von Joachim Hambros hatte ich im Retro der Woche 36/2023 vorgestellt. Das Stück hat der damals gerade zwanzigjährige Autor jetzt selbstverständlich zum WCCI 2022-2024 eingeschickt — aber natürlich auch noch fünf andere Aufgaben, vor denen ich eine hier vorstellen möchte.

Joachim Hambros
Die Schwalbe 2024
Beweispartie in 18 Zügen (15+15)

 

Auf beiden Seiten fehlt nur jeweils ein Bauer, und das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge ist schnell erledigt: vier! Allerdings sieht man, dass der letzte schwarze Zug Sa6-b8+ gewesen sein muss, also mindestens sechs Züge. Das ist aber nur ein Drittel all seiner Züge!

Und bei Weiß?

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Retro der Woche 09/2025

Bei den Einsendungen zum WCCI, der „Kompositions-Einzelweltmeisterschaft“ der Jahre 2022 bis 2024 überwiegen bei den Retros nicht wirklich überraschend die Beweispartien. Natürlich gibt es auch eine Menge Märchenretros zu beurteilen — nicht nur Anticirce-Procas! Und sehr erfreulich finde ich, dass auch gar nicht so wenige sehr schöne „klassische“ Auflöse-Retros dabei sind.

Eines davon, das der eine oder andere von euch sicherlich schon in der Schwalbe gesehen hat, möchte ich heute vorstellen und euch dabei zum Selbst-Lösen einladen, denn ich glaube, das ist genau dazu sehr gut geeignet.

Andrij Frolkin
Die Schwalbe 2022, Lob
Löse die Stellung auf (12+15)

 

Schauen wir zunächst nach der Schlagbilanz: Bei Schwarz fehlt genau der [Bh7]; Weiß hat axb geschlagen, also sicher nicht diesen fehlenden Bauer. Das muss sich also (auf g1 ) umgewandelt haben. Dann kommt sBc5 offensichtlich von e7, sodass nur noch ein Schlag durch Schwarz offen ist. Es fehlt bei Weiß noch [Bf2] – und der wurde auf der f-Linie geschlagen.

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