Retro der Woche 44/2023

Mein Retro-Entscheid für PHÉNIX 2020 ist schon etwas speziell: Mit einer speziellen Auszeichnung habe ich einen heftfüllenden Aufsatz von Thierry Le Gleuher zum Thema Ortho-Rekonstruktion (eine Art “Retro-Dissertation”) bedacht; der erste (reguläre) Preis ging an ein wie ich finde höchst interessantes Rebus-Problem der beiden Spezialisten für diese Forderung.

Andrej Frolkin & Jeff Coakley
PHÉNIX 2020, 1. Preis
Jeder Buchstabe repräsentiert eine Figurenart (beliebiger Farbe). Bestimme die Stellung. Letzter Zug? (28)

 

Die Lösungsangabe orientiert sich an einer Darstellung von Hans Gruber, und dieses mal gebe ich den Tipp, bereits den Klick auf das “Weiterlesen” zu lassen, wenn ihr selbst lösen wollt. Anschließend könnt ihr dann unter “Lösung” die Ergebnis-Stellung bestaunen!

Nur R kommt genau zweimal vor, also: R=König.

A kann wegen der Schachgebotsstruktur weder Dame noch Turm noch Läufer sein — noch Bauer wegen der 8.Reihe; also: A=Springer.

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Retro der Woche 42/2023

Eines der “Wettbewerbs-Felder” in der Retroanalyse ist die Suche nach Längenrekorden bei Auflöse-Aufgaben: Wie viele eindeutige letzte Züge lassen sich mit einer bestimmten Anzahl an Steinen darstellen? Hierbei wird im Wesentlichen unterschieden zwischen den Typen A (es wird nicht angegeben, wer am Zug ist; kein König steht im Schach), B (es wird angegeben, wer am Zug ist; kein König steht im Schach) und C (ein König steht im Schach); hinzu kommen noch Nebentypen wie Duplex und Färbe-Aufgaben.

Solche Rekord-Aufgaben sind technisch eigentlich immer interessant, aber häufig nicht allzu schwer zu lösen, und so beurteile ich auch das heutige Beispiel vom Typ A (und lade euch damit explizit zum Selbstlösen ein).

Dmitrij Baibikov
Length Records in ‘Last Single Moves?’ Problems 2009
Letzte 28 Einzelzüge? (10+10)

 

Die Broschüre, in der unser heutiges Stück urgedruckt wurde, wird von Dmitrij Baibikov, Alain Brobecker (“Erfinder” der Broschüre) und Thierry Le Gleuher herausgegeben und gelegentlich aktualisiert; die neueste Fassung stammt vom August 2022 und kann kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden. Sehr zu empfehlender Lesestoff!

Wie bei 20 Steinen nicht anders zu erwarten eine relativ lockere Stellung, jedoch mit einem klar gezeichneten Käfig im Westen, den es natürlich aufzulösen gilt, um anschließend zur Partieausgangsstellung zurückspielen zu können.

Alle fehlenden Steine sind durch Bauernschläge erklärt: Schwarz schlug einmal mit einem seiner Bauern auf der b-Linie und zusammen fünfmal mit sBa2 und sBe2 (5+0 mal, wenn sBa2 von f7 kommt, 4+1 mal, wen er von e7 kommt). Bei Weiß sieht man dxc3 sowie gxh sowie vier Schläge eines der beiden weißen Bauern auf der a-Linie, der also [Be2] ist.

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Retro der Woche 40/2023

An diesem Wochenende findet in Einbeck, organisiert von Achim Schöneberg, die diesjährige Schwalbe-Tagung statt. Daher will ich heute eine Aufgabe aus einem Schwalbe-Retroinformalturnier vorstellen, das euch gleichzeitig zum Lösen einladen soll — viel Spaß dabei!

Nikolai Beluchov
Die Schwalbe 2010, 6. Lob
Letzte 31 Einzelzüge? (13+14)

 

Preisrichter Thierry Le Gleuher schrieb dazu: “Ein recht langes Retrospiel (31 Einzelzüge) für ein einfach aussehendes Problem. Das Retrospiel ist nicht sehr kompliziert, aber ansprechend.” Na, wenn solch ein Kommentar nicht zum Lösen verlockt …

Die schwarzen Bauern haben dreimal geschlagen (gxh sowie cxdxe). Der umgewandelte schwarze schwarzfedrige Läufer muss sich also schlagfrei auf a1 umgewandelt haben, was zwei Schläge durch wBB erfordert. Daher kann [Bg2] nicht direkt geschlagen worden sein; er muss sich also ebenfalls schlagfrei auf g8 umgewandelt haben — und zwar in einen Läufer.

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Retro der Woche 37/2023

In der letzten Woche habe ich hier den ersten Preis beim 11. FIDE World Cup vorgestellt, heute möchte ich euch das zweitplatzierte Stück zeigen: Wieder eine Beweispartie. Das ist kein Zufall, da das Turnier, wie bereits im letzten Jahr, ausschließlich für orthodoxe Beweispartien ausgeschrieben war; andere Retros waren nicht zugelassen. Das finde ich persönlich bedauerlich; ich hoffe, dass sich das im kommenden Jahr ändert.

Christoph Fieberg
11. FIDE World Cup 2023, 1 ehrende Erwähnung & Silbermedaille
Beweispartie in 22 Zügen (13+14)

 

Üblicherweise sind offensichtliche Umwandlungssteine (wie hier ein zweiter schwarzfeldriger schwarzer Läufer) in Diagrammstellungen von Beweispartien verpönt, weil sie oft schon eine Menge über die Lösung verraten. Das gilt natürlich nicht, wenn dieser Umwandlungsstein thematisch ist, und das ist er im vorliegenden Problem.

Zählen wir zunächst einmal die sichtbaren Züge: Bei Weiß sehen wir 5+0+4+2+3+3=17, bei Schwarz 1+3+0+9+2+3=18. Die neun Läuferzüge von Schwarz schließen natürlich die fünf Bauernzüge zur Umwandlung mit ein. Übrigens könnte die Dame auch in zwei Zügen via h4 nach h1 gelangen, das erfordert aber einen weißen Zug mehr (h2xg3xh4), und dies führt zu Problemen mit dem Weg des [Th1].

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Retro der Woche 33/2023

Ein klassisches Retro mit der Frage nach den eindeutigen letzten Zügen möchte ich euch noch aus der kleinen feenschach-Parade zeigen.

Diese Aufgabenstellung finde ich auch deswegen so attraktiv, weil da ganz genau klar ist, was gefordert ist, ohne dass erst einmal durch die Forderung schon etwas verraten oder auch verschleiert wird.

Gerald Ettl ist in Deutschland ein besonders aktiver Spezialist für diesen Aufgabentyp – dass er das schon lange ist, zeigt er mit dem heutigen Stück.

Gerald Ettl
feenschach 1999, 1. ehrende Erwähnung
Welches waren die letzten 22 Einzelzüge? (13+12)

 

Zunächst stellen wir fest, dass keiner der Könige im Schach steht, wir also auch herausfinden müssen, wer mit der Rücknahme beginnt. Ferner müssen wir berücksichtigen, dass (mindestens) zwei Umwandlungssteine auf dem Brett stehen: eine weiße Dame und ein schwarzer weißfeldriger Läufer – nämlich der auf h1.

Schwarz benötigt für seine Bauernstruktur alle drei Schläge, sodass die weiße Bilanz ausgeglichen ist. Weiß benötigt zwei Schläge, um den [Ba7] nach a3 oder a2 zu lassen – deswegen kann wBd6 auch nicht der [Bh2] sein. Der hingegen muss sich in die zweite weiße Dame umgewandelt haben, wofür er einen Schlag brauchte. Er musste ja an [Bh7] vorbeikommen. Damit bleibt Weiß noch ein Schlag übrig, den er z.B. nutzen kann, um Schwarz Züge zu ermöglichen.

Damit sind wir dann auch schon bei der Frage nach dem Anzug, nach der generellen Auflöse-Strategie.

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Retro der Woche 32/2023

Natürlich können wir nicht über Retros in feenschach reden, ohne auch experimentelle Märchen-Retros zu betrachten. Ausgesucht habe ich für euch eine Aufgabe von Manfred Rittirsch, die wahrscheinlich erstmals die Nutzung der Märchenbedingung Isardam in einer Beweispartie zeigt. Gut zehn Jahre später würde diese Kombination intensiver untersucht.

Hier die Definition von Isardam aus dem Schwalbe-Lexikon:

„Es sind solche Züge illegal, die dazu führen, dass ein Stein einen gegnerischen Stein der gleichen Art beobachtet. Ein König steht daher nicht im Schach, wenn durch den virtuellen Schlag des Königs ein Stein einen gegnerischen Stein der gleichen Art beobachten oder von einem solchen beobachtet werden würde.“

Das erklärt auch den Namen: Es ist quasi das Gegenteil von Madrasi, wo sich gegnerische Steine gleicher Art, die sich beobachten, lähmen — „Isardam“ ist also „Madrasi rückwärts“.

Manfred Rittirsch
feenschach 1999
Beweispartie in 15 Zügen, Isardam (11+14)

 

Aus meiner Sicht ist diese Aufgabe ganz typisch für viele Erstdarstellungen einer Märchenbedingung mit einer dafür neuen Forderung: Häufig auf einen besonders spektakulären Zug konzentriert — und so ist es hier auch! Ich will schon einmal verraten, dass die ersten 11,5 Züge komplett orthodox sind — als ob dann beim zwölften Zug Schwarz einfiele, dass es doch noch eine Bedingung gebe…

Dennoch hilft uns die Bedingung auch schon vorher für die erste Analyse:

Bei Weiß fehlen drei Bauern, ein Turm und [Lc1]; Schwarz hat aber bereits drei Doppelbauern. Was ist daran so bemerkenswert??

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Retro der Woche 31/2023

Bleiben wir in dieser und den kommenden Wochen noch bei feenschach-Retrobeispielen aus der Zeit der Jahrtausendwende.

feenschach ist dafür bekannt, dass dort auch orthodoxe, aber unkonventionelle Aufgaben gut erscheinen können — „nur“ Märchenschach ist dort trotz des Namens gar nicht erforderlich.

Hier stellt uns Michel Caillaud eine Aufgabe mit sehr ungewöhnlicher Zwillingsbildung vor: Üblich ist ja, entweder mehr als eine Lösung für die gleiche Stellung ohne Änderungen zu fordern, und der Unterschied liegt dann meist schon im ersten Zug — oder halt eine Stellungsänderung.

Michel Caillaud
feenschach 2000
Beweispartie in 15 Zügen, zwei Varianten im 5. weißen Zug (14+14)

 

In dieser Aufgabe haben wir nun den Fall, dass die ersten vier Züge völlig identisch sind, dann quasi zwei Varianten entstehen. In einer Notation, die sich hauptsächlich für Hilfsmatts, aber auch allgemein fürs Hilfsspiel durchgesetzt hat, würde man notieren: 1.1;1.1;1.1;1.1;2.1;1…

Damit wird für jede „Zählstelle“ der einzelnen Züge angegeben, wie viele verschiedene vorgesehen sind: Hier sind es im 5. weißen Zug zwei mögliche, und danach geht es dann eindeutig weiter, das Spiel verzweigt sich dort also.

Interessant wird dann zu beobachten sein, wie sich die beiden Varianten zueinander verhalten, ob es inhaltliche oder formale Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gibt. Bei Beweispartie-Mehrlingen lässt es sich ja generell nicht vermeiden, dass eine Menge Züge in den Varianten gleich sind. Hier ist das etwa für den Weg des schwarzen Königs und auch des weißen Springers zu erwarten.

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Retro der Woche 28/2023

Nachdem ich in der letzten Woche das zweitplatzierte Retro aus dem letztjährigen FIDE World Cup vorgestellt hatte, möchte ich dies nun mit dem aus dem Jahre 2021, vom neunten Turnier tun. Dort waren im Gegensatz zum letzten und zu diesem Jahr, wo nur orthodoxe Beweispartien teilnehmen durften, ausschließlich orthodoxe „klassische“ Retros zugelassen.

die Goldmedaille errang Dmitrij Baibikov aus Israel mit einem bemerkenswerten ergänze-und-löse-auf-Stück{ Silber ging in die Ukraine an Andrej Frolkin.

Andrej Frolkin
9. FIDE World Cup, 2. Preis/Silbermedaille
Letzte 16 Einzelzüge (14+13)

 

Die beiden fehlenden weißen Steine sind durch e7xf6 und hxg erklärt, Bei Weiß muss [Ba2] an seinem schwarzen Kollegen vorbeigeschlagen haben, ebenso muss [Bd2] auf die c-Linie geschlagen haben. Und damit stehen auch die Umwandlungsfelder der beiden weißen Umwandlungsfiguren prinizipiell fest: b8=D und wegen der Felderfarbe dxc8=L (deswegen auch nicht dxe8) — andererseits kann man hxg8=X nicht sofort ausschließen, denn ein Schlagfall ist noch frei. Wäre dann X ein Läufer, wäre auch dxe möglich.

Letzter Zug ist offensichtlich 1.– Lc2-h7+; mit dessen Rücknahme ist der Südkäfig zunächst einmal verschlossen. Der lässt sich offenbar auch nicht mittels exf3 öffnen: Das würde einen Schlag zu viel erfordern.

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