Retro der Woche 07/2022

Mal wieder ein nettes Märchen-Retro gefällig? Nein, das wird nicht besonders schwer, und „die Klassik“ überwiegt – trotzdem bekommen wir sehr Märchentypisches zu sehen!

Die kopfstehende Dame im heutigen Diagramm ist ein Grashüpfer: der zieht wie eine Dame, benötigt aber genau einen Sprungbock, hinter dem er landet. Ist der Landeplatz durch einen Stein der anderen Farbe besetzt, so wird dieser geschlagen. Bei allen Märchensteinen in Retroproblemen wird vorausgesetzt, dass sie durch Bauernumwandlungen entstanden sind.

Nikita Plaksin
feenschach 1981
Letzte 9 Züge? (13+12)

 

Der schwarze Grashüpfer ist offensichtlich durch Umwandlung des [Bb7] entstanden. Er bietet im Diagramm dem weißen König Schach, hat aber (als Grashüpfer) keinen letzten Zug; also muss er gerade umgewandelt haben: R 1.d2xXe1=G+.

Betrachten wir die weißen Steine, sehen wir, dass bei Weiß drei Bauern fehlen: [Bg2], [Bh2] und (wahrscheinlich) [Ba2]. Die aber müssen sich alle drei umgewandelt haben, da sie sonst nicht geschlagen werden konnten.

Warum?

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Retro der Woche 06/2022

Das letztjährige Champagnerturnier (Ein Stein schlägt mindestens zwei Umwandlungssteine), traditionell im Rahmen des WCCC von Michel Caillaud organisiert und gerichtet, hat auch im Jahr 2021 wieder sehr gute Retros hervorgebracht. Die Aufgaben, die den ersten bzw. den dritten Preis in der Abteilung für Beweispartien erhalten hatten, habe ich hier schon gezeigt; heute möchte ich auf den zweiten Preis zurückkommen.

Roberto Osorio & Jorge J. Lois
Champagnerturnier 2021, 2. Preis Gruppe A
Beweispartie in 22 Zügen (13+13)

 

Die Analyse der schwarzen Stellung ist recht einfach: Nur ein Zug ist sichtbar, es fehlen die drei östlichen Bauern, ansonsten haben wir die schwarze Partieanfangsstellung auf dem Brett.

Die Aktionen des Weißen sind schon komplizierter: Wir sehen auf dem Brett 1+1+3+2+4+6=17 Züge – gleich fünf sind also noch frei! In denen müssen aber die beiden fehlenden weißen Bauern verschwinden und ebenso der [Lc1], der wegen der Felderfarbe nicht auf a6 geschlagen werden konnte!

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Retro der Woche 05/2022

Am ersten Weihnachtstag 2021 hatte ich hier im Blog als neuen Längenrekord-Versuch eine Beweispartie mit 59,0 Zügen von Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym und Boris Tummes vorgestellt. Doch diese Fassung erlebte nicht mehr das neue Jahr, an Silvester musste ich einen Dual veröffentlichen, den Michael Kosulja entdeckt hatte.

Das ließ Andrej, Werner und Boris nicht ruhen, und so stellen sie hier und heute eine Korrekturfassung mit gleichfalls 59,0 Zügen vor.

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes
Rund um die Retroanalyse 2021 (Korrektur Urdruck)
Beweispartie in 59 Zügen (14+14)

 

Der Unterschied zur „Weihnachtsfassung“ besteht in einem einzigen Zug, nämlich 57.Tf5-f6 (statt 57.Tf5-e5). Dieser Zug verursacht jedoch ein extra Tempo, denn der von f8 stammende Umwandlungsturm kann das Feld f6 theoretisch schon in einem Zug (Tf8-f6) erreichen, hier sind aber zwei (Tf8-f5-f6) intendiert.

Bittere Erfahrungen lehrten die Autoren, dass ein extra Tempo fast immer zu Dualen führt. Aus diesem Grund präsentieren sie zusätzlich einen „Plan B“, nämlich eine Stellung mit 58,5 Zügen ohne extra Tempo; sie hoffen, dass wenigstens einer der zwei Rekordversuche Bestand haben wird.

Und dafür drücke ich natürlich fest alle zur Verfügung stehenden Daumen!

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym & Boris Tummes
Rund um die Retroanalyse 2021 (Korrektur Urdruck)
Beweispartie in 58,5 Zügen (14+14)

 

Meine Empfehlungen für Löseversuche bzw. zum mehrfachen Durchspielen der Lösungen gelten natürlich auch für diese beiden Korrekturfassungen: Im Endeffekt solltet ihr die einfach genießen.

 

Beweispartie in 59 Züge


Und hier nun die Lösung der „Ersatzfassung“:

Beweispartie in 58,5 Züge


Ihr macht euch natürlich um das Problemschach verdient, wenn ihr nun noch prüft: Der alte Rekord von Pronkin und Frolkin ist intensiv getestet worden, und es wäre gut, wenn auf diese Weise auch das Vertrauen in die Korrektheit dieser beiden Fassungen gesteigert werden könnte!

Retro der Woche 04/2022

Ich muss gestehen, ich habe nicht nur einige Lieblingsaufgaben, sondern auch einige Lieblingsartikel. Immer wieder greife ich gern zu feenschach-Heft 175, wo Andrej Kornilow und Andrej Frolkin den beinahe 20 Seiten langen Artikel “The Pursuit of a Retrocage” veröffentlichten, der sich mit einer speziellen „Käfig-Matrix“ beschäftigt, die auch in abgewandelter Form in 72 Aufgaben vorgestellt wird. Einer meiner Lieblings-Preisberichte ist die „Langfassung“ des 2008er Retro-Berichts der Schwalbe von Nikolas Dupont.

Heute stelle ich eine Aufgabe vor, die in beiden Artikeln zitiert ist.

Andrej Kornilow & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2008, Günter Lauinger gewidmet, 5. Preis
Matt? (14+14)

 

Indem ich Nikolas‘ Kommentare zitiere, möchte ich euch anregen, auch beide Artikel bei Gelegenheit noch einmal zu genießen!

Es handelt sich hier um eine Aufgabe, bei welcher ein wohlbekannter Käfig zur Anwendung kommt. Dieser wurde von den Autoren erfunden und vielfach ausgenutzt (vgl. deren Artikel „Pursuit of a Retrocage“, feenschach 175, 2009, wo die vorliegende Arbeit unter der Nummer 58 erwähnt wird). Die Bearbeitung zeugt von Originalität, ist finessenreich und rechtfertigt eine hohe Einstufung.

Um zu zeigen, dass die Stellung tatsächlich matt ist, muss man sie für einen stichhaltigen Legalitätsnachweis auflösen. Wie im 2. Preis werden Schilde verwendet, doch deren Motivation beschränkt sich nicht alleine auf Schachschutz, sondern besteht vornehmlich in der Bereitstellung von Tempi, die für die Entriegelung der Stellung benötigt werden.

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Retro der Woche 03/2022

Viele von euch wissen sicherlich, dass ich bei den orthodoxen Verteidigungsrückzüger besonders gern solche mit logischer, möglichst auch noch zweckökonomischer (also „neudeutscher“) Vorplanstaffelung mag. Und wenn dabei dann auch noch retroanalytische Überlegungen und Strategien eine wichtige Rolle spielen, bin ich recht schnell begeistert.

Ein solches Stück möchte ich euch heute vorstellen und zum gründlichen Studium ans Herz legen.

Joaquím Crusats & Andrej Frolkin
StrateGems 2010
#1 vor 13 Zügen, VRZ Proca (13+11)

 

Wir erinnern uns: Beim Verteidigungsrückzüger des Typs Proca entscheidet die am Zug befindliche Partei, ob (und wenn ja was) mit der Rücknahme entschlagen wurde; die Stellung muss natürlich legal bleiben.

Weiß muss in der heutigen Aufgabe nicht nur auf die Erreichung seines Vorwärtsziels achten, sondern dabei auch ein schwarzes Retropatt vermeiden: In der Diagrammstellung hätte Schwarz am Zug keine Rücknahmemöglichkeit. Die drei fehlenden weißen Steine wurden mittels gxf6 sowie hxgxf2 geschlagen; keiner dieser Schläge kann im Moment zurückgenommen werden, und alle anderen schwarzen Steine sind retro-unbeweglich.

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Retro der Woche 02/2022

Als Preisrichter für die Retro-Urdrucke der Schwalbe im Jahr 2022 konnte ich Richard Dunn, meinen Sachbearbeiter-Kollegen von The Problemist, gewinnen. Aus seiner Rubrik, konkret vom Januar 2021, habe ich für heute eine Beweispartie eines Autors ausgesucht, an dessen Werken ich immer Freude habe.

Rustam Ubaidullajew
The Problemist 2021
Beweispartie in 15,5 Zügen (14+12)

 

Rustam ist kein wahnsinnig produktiver Komponist: Die PDB enthält 77 Aufgaben von ihm – und davon sind 74 Beweispartien! Ohne sich auf spezielle Modethemen zu konzentrieren sind seine Aufgaben stets originell und attraktiv zu lösen. Ich glaube, das gilt auch für das heutige Beispiel. Und so ist es nicht überraschend, dass ich in dieser Rubrik bereits mehrere seiner Aufgaben vorgestellt habe. Wenn ihr Lust und Zeit habt, nutzt einfach die Suchfunktion, um die Aufgaben zu finden, zu lösen oder durchzuspielen!

Das heutige Beispiel ist relativ kurz, sodass ich nur wenige Hinweis zur Lösung geben möchte. Bei Weiß fällt natürlich sofort die Homebase auf; da gibt es also keine Züge zu zählen. Die schwarzen zu zählen ist schon deutlich interessanter:

4+1+1+3+0+4=13 – zwei Züge sind also frei? Nein, nicht wirklich, denn woher sTd8 auch kommen mag, dem muss einer der beiden Springer Platz gemacht haben: der muss also einschließlich seiner Rückkehr zwei Mal gezogen haben, und damit sind alle schwarzen Züge erklärt.

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Retro der Woche 01/2022

Im Retro der Woche 42/2021 hatte ich den ersten Preis in der Beweispartie-Abteilung des Retro-Turniers 2019 in der Schwalbe vorgestellt. Heute will ich den zweiten Preis folgen lassen, der mir auch sehr gut gefällt, da er eine sehr originelle Idee höchst elegant präsentiert.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2019, 2. Preis Gruppe A
Beweispartie in 18,5 Zügen (14+14)

 

Kein einziger Bauernschlag ist im Diagramm auszumachen, bei Schwarz ist nur ein einziger Zug zu sehen — also beginnen wir mit dem Zählen der weißen Züge: Sicherlich können wir daraus erste Schlüsse ziehen.

Also: 3+1+3+4+1+5=17 — zwei Züge sind noch frei. Aber waren wir da nicht zu optimistisch? Was passierte beispielsweise auf der h-Linie?

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Retro der Woche 52/2021

In den letzten Wochen haben wir uns intensiv mit der Geschichte der Längenrekorde eindeutiger Beweispartien beschäftigt, die dann gestern hier ihren Höhepunkt im neuen Rekord fand.

Darum möchte ich heute einerseits die Retro-Art wechseln, andererseits auch ganz aktuell werden; ich möchte euch heute einen orthodoxen Verteidigungsrückzüger vorstellen, der im Juni 2021 in der Schwalbe veröffentlicht wurde und mir sehr gut gefällt. Ihr erinnert euch? Beim Typ “Proca” bestimmt die schlagende Partei, welcher gegnerische Stein geschlagen wurde.

Joaquim Crusats
Die Schwalbe 2021
#1 vor 6 Zügen, VRZ Proca (15+12)

 

Bei so vielen Steinen auf dem Brett, von denen wahrscheinlich einige nicht am Rückspiel bzw. dem Matt teilhaben werden, lohnen sich häufig ein paar retroanalytische Überlegungen vor.

Umwandlungen haben nicht stattgefunden, da alle 16 Bauern auf dem Brett stehen. Bei Weiß fehlt nur [Lf1], der auf b5 geschlagen wurde. Bei Schwarz fehlen Dame, Turm, (schwarzfeldriger) Läufer und Springer; die weiße Bauernstellung verrät nichts über mögliche Schlagfelder.

Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass Schwarz retropatt ist, er im Moment überhaupt keine Zugrücknahme zur Verfügung hat.

Also müssen wir mit dem Schlüssel Schwarz eine Rücknahme ermöglichen, um uns dann um das Matt zu kümmern.

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