Vor ein par Tagen ist mir ein Beitrag der Computerwoche über den Weg gelaufen, der eine Menge mit Retro zu tun hat, aber rein gar nichts mit Schach, sondern, wie der Zeitungstitel schon suggeriert, etwas mit (ur)alten Computern. Vielleicht findet ihr ja den einen oder anderen Bekannten dort wieder?
Verspätete Glückwünsche
Reichlich verspätet, aber besonders herzlich gehen Geburtstags-Glückwünsche nach Buenos Aires zu Jorge Joaquin Lois, der am 6. November sein 60. Lebensjahr vollendet hat. Bekannt ist er besonders als großartiger Komponist von Beweispartien; nach ihm ist das Lois-Thema (Platzwechsel “hin und zurück”) benannt.
Ich möchte heute von ihm eine schon etwas ältere, vielleicht nicht so bekannte Augabe vorstellen, die einen lustigen Klapptür-Mechanismus zeigt:
Gianni-Donati-50-Turnier 2003, ehr. Erw.
Beweispartie in 15,5 Zügen (15+13)
Hier die witzige Lösung:
1.e3 g6 2.Lb5 Lg7 3.Lc6 dxc6 4.e4 Lf5 5.e5 Sd7 6.e6 Se5 7.exf7+ Kd7 8.fxg8=L Sf7 9.Lxh7 Ke6 10.Lg8 Th4 11.Lh7 Dh8 12.Lg8 Dh5 13.Lh7 Th8 14.Lg8 Th6 15.Lh7 Sh8 16.Lg8+.
Retro der Woche 47/2015
Vor zwölf Jahren, im November 2003, starb der Stuttgarter Retrokomponist Josef Haas (*28. Januar 1922), der etwa 250 Retros komponiert hat, mit Karl Fabel, Luigi Ceriani und auch Werner Keym in engem Kontakt gestanden hatte. Beruflich war er Kriminalist beim LKA in Stuttgart, ein Spezialist für die kriminialtechnische Erfassung und Identifizierung von Schreibmaschinentypen und -schriften — also ziemlich nahe an der Retroanalyse!
Seine Spezialität waren Rücknahme-Retros mit folgendem Vorwärtsspiel, die häufig sehr verführungsreich und auch retroanalytisch sehr tief waren. Das Stück, das ein prominenter Möchte-gern-Löser mit „Ich sehe nur Verführungen, aber keine Lösung“ kommentierte, das der Autor als seine wahrscheinlich beste Rücknahmeaufgabe ansah, wollen wir uns nun anschauen und systematisch versuchen zu lösen.
Die Schwalbe 1996, 4. ehrende Erwähnung
Weiß nimmt einen Zug zurück, dann #2 (15+9)
Leicht ist zu sehen, dass sBg5 den einzig fehlenden weißen Stein, einen Springer, geschlagen haben muss. Bei Weiß meint man im ersten Moment, dass er vier Mal geschlagen haben muss (bxcxd, gxf3, hxg3), aber das kann nicht stimmen, denn dann hätte Lg1 niemals auf dieses Feld ziehen können.
Also kommt Bg3 von g2, und die weißen Schläge waren etwas komplizierter, nämlich bxcxd, exf3 und hxgxfxe, also sechs weiße Bauernschläge.
Für zwischendurch (8)
Heute, am elften im Elften, beginnt (nicht nur) im Rheinland die Karnevals-Session, die in diesem Jahr sehr kurz ist, da 2016 Ostern sehr früh liegt.
Zur Feier des Tages hier eine kleine Scherzaufgabe von Gurkenstein und Piepenbrink — diese Figuren aus der Feder von Karl Fabel mit ihren verrückten Einfällen kennt ihr sicher?
Welt, 3. Januar 1953
Matt in drei Zügen durch den auf h8 stehenden Turm (6+5)
Die Stellung ist natürlich in drei Zügen leicht zu lösen (1.Txh7+ Kxh7 2. Tg8 Kh6 3.Th8#), aber so einfach soll es natürlich nicht sein!
Heute verrate ich ausnahmsweise die Lösung, aber schaut euch die Stellung selbst erst einmal an und überlegt ganz kreativ, welchen Trick sich Gurkenbein hier ausgedacht hatte…
Retro der Woche 46/2015
Heute möchte ich mit euch zurück in die „Jungsteinzeit“ der Beweispartien — in eine Zeit, als sich die Beweispartien als eigenständige Retro-Form etablierten, als man nämlich entdeckte, welche Reize in deren Eindeutigkeit stecken konnten.
Schauen wir uns die heutige Aufgabe also einmal genauer an.
feenschach 1982, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 25,5 Zügen (12+13)
Betrachtet man die Stellung ein wenig genauer, merkt man sofort, dass sTa2 ein Umwandlungsstein ist, denn über die erste Reihe konnte er wegen [Lc1] niemals nach a2 gelangt sein. Wegen des schwarzen Doppelbauern auf der a-Linie muss sich also [Bd7] auf a1 umgewandelt und dazu auf a2 [Ta1] geschlagen haben — und damit sind auch alle schwarzen Schlagfälle erklärt.
Bei Weiß fehlen neben [Ta1] noch [Bf2], [Bg2] und [Bh2], die allesamt nicht direkt geschlagen worden sein können; sie müssen sich also alle drei umgewandelt haben. Neben exXd3 stehen Weiß noch zwei Schläge zur Verfügung, und damit ist klar, dass sich die drei Bauern alle auf g8 umgewandelt haben.
Glückwünsche nach Dresden
Herzliche Glückwünsche gehen heute nach Dresden, wo Silvio Baier Geburtstag feiert. Silvio ist einer der erfolgreichsten Komponisten von Beweispartien, einer der Protagonisten der “Proof Game of the Future” (kurz formuliert: Jeweilige Doppelsetzung zweier Themen).
Heute möchte ich allerdings eines seiner “Frühwerke” vorstellen, als es sich intensiv mit dem Pronkin-Thema beschäftigt hat. Die Darstellung mit einem weißen und einem schwarzen Springer, die ja besonders sperrig für dieses Thema sind, gefällt mir sehr gut.
Quartz 07-12/2007
Beweispartie in 23,0 Zügen (15+15)
Die Springerumwandlungen sind gut verborgen, und die Aufgabe kommt mit den beiden thematischen Schlägen aus.
1.d4 a5 2.Sd2 a4 3.Sb3 axb3 4.a4 e6 5.a5 Ke7 6.a6 Kf6 7.a7 Sa6 8.d5 Tb8 9.a8=S Kg6 10.Sb6 Df6 11.Sa4 Lb4+ 12.Sc3 Se7 13.d6 Tf8 14.dxe7 d5 15.e3 d4 16.Lb5 d3 17.Ld7 d2+ 18.Ke2 c6 19.Df1 d1=S 20.f3 Sf2 21.Ld2 Sg4 22.Tc1 Sh6 23.Sb1 Sg8.
Retros mit neutralen Steinen
Andreas Thoma und Wolfgang Will haben mit neutralen Steinen im Verteidigungsrückzüger experimentiert und präsentieren in einem kleinen Aufsatz exklusiv für diesen Blog gleich sechs Aufgaben, die ich euch zur genauen Analyse und Prüfung empfehle — viel Spaß dabei und herzlichen Dank den beiden Verfassern!
Retro der Woche 45/2015
Das waren noch Zeiten, als es bei der Schwalbe reguläre „Ortsgruppen“ gab, die gar regelmäßig ihre eigene Zeitschrift mit Informal- und Thematurnieren, mit festen Rubriken herausbrachten.
Die „Hamburger Problem-Nachrichten“ als Mitteilungblatt der Ortsgruppe Groß-Hamburg erschienen in 28 Ausgaben von April 1947 bis Mai-Juni 1951 und mussten dann aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden.
Für uns ist besonders interessant, dass in den HPN eine fünfteilige „Einführung in die Retroanalyse“ erschien, die von Hans Stempel (19.05.1902 — 04.06.1974) aus Neuss bei Düsseldorf — ein sehr weit gefasster Begriff von Groß-Hamburg — beigetragen wurde.
Hieraus möchte ich euch eine Aufgabe vorstellen mit der Anregung, euch selbst damit zu beschäftigen, bevor ihr gleich weiter lest: Soo schwer ist sie nicht, auch wenn man eine Menge bedenken muss!
VII Hamburger Problem-Nachrichten 05-06/1950, Dr. K. Fabel gewidmet
Welches war der letzte Zug? (15+12)
Hier reicht es natürlich nicht, den letzten Zug anzugeben, sondern es muss selbstverständlich die Auflösung der Stellung beschrieben werden, auch wenn dabei die Züge nicht eindeutig sind: Die prinzipielle Auflösungs-Strategie ist es schon!