Retro der Woche 34/2016

Nachdem ich euch im letzten Retro der Woche den zweiten Preis im diesjährigen Champagne-Turnier gezeigt hatte, soll nun der erste Preisträger folgen. Ihr mögt selbst für euch entscheiden, ob ihr auch Michel Caillauds Reihung vorgenommen oder „anders herum“ entschieden hättet.

Für beide Entscheidungen gibt es aus meiner Sicht gute Gründe.

Kostas Prentos
Champagne-Turnier 2016, 1. Preis Abt. I
Beweispartie in 16 Zügen (14+12)

 

Im Diagramm fallen natürlich sofort die beiden schwarzen Läufer auf, die die Plätze ihrer weißen Gegenspieler eingenommen haben; die hingegen sind die beiden einzigen fehlenden weißen Steine.

Das übliche Züge-Zählen bringt uns zunächst bei Weiß nicht viel weiter: Es sind nur vier Züge sichtbar im Diagramm, es bleiben also zwölf noch übrig.

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Retro der Woche 33/2016

Als Preisrichter bei Thematurnieren steht man gelegentlich vor dem Dilemma, eine „elegantere“ Aufgabe mit einer „noch thematischeren“ vergleichen zu müssen, sie zu reihen. Ich selbst tendiere meist dazu, mich an die bekannte Regel des unvergessenen Zweizüger-Großmeisters Herbert Ahues (2.3.1922 – 11.7.2015) zu halten, der es in einem Aufsatz einmal so formuliert hatte: „Tomatensuppe muss zunächst nach Tomaten schmecken“, erst dann könne man sinnvoll das Sahnehäubchen, die Kräuter beurteilen.

Also eine klare Empfehlung, im Thematurnier die Thematik besonders zu betonen und auszuzeichnen. Daran hat sich offensichtlich auch Michel Caillaud beim Richten des diesjährigen Champagne-Turniers gehalten, als er ein thematisch dichteres Stück auf Platz 1 setzte, das strategisch tiefere auf den zweiten Platz.

Rustam Ubadullalew & Igor Wereschagin
Champagne-Turnier 2016, 2. Preis Abt. I
Beweispartie in 20 Zügen (12+16)

 

Gefordert waren in dem Turnier Rundläufe in einer Beweispartie oder mit anderen Retro-Forderungen. In einer Beweispartie war der rundlaufende Stein anschließend zu schlagen.

Beginnen wir aber die Betrachtung zunächst ohne dieses Wissen um das Thema, das wir hier natürlich auch sehen werden.

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Per Olin 65

Unsere heutigen Glückwünsche gehen in das kleine Dorf Antskog, knapp 100 Kilometer westlich von Helsinki zu Per Olin, der sein 65. Lebensjahr vollendet.

Per ist ein bekannter Autor von Beweispartien und beschäftigt sich intensiv auch mit deren Verallgemeinerung in Form von A→B und Chess960; hierzu hat er u.a. in feenschach einige interessante Artikel veröffentlicht.

Heute möchte ich aber eine hübsche, schon 20 Jahre alte “klassische” Beweispartie von Per vorstellen:

Per Olin
Suomen Tehtäväniekat 1996
Beweispartie in 22 Zügen (13+14)

 

Schnell sieht man, dass die sBb6c6d6 jeweils von der rechten Nachbarreihe kommen, dabei müssen sie die einzig fehlenden weißen Steine Bf2g2h2 geschlagen haben, die sich natürlich vorher umgewandelt haben müssen. Ebenso sieht man schnell, dass all diese Umwandlungen auf g8 erfolgen mussten.

1.h4 f5 2.h5 Kf7 3.h6 Ke6 4.hxg7 Sh6 5.g8=T Kd5 6.Tg6 Lg7 7.Tb6 cxb6 8.g4 Dc7 9.g5 Td8 10.g6 Lh8 11.g7 Sg4 12.g8=T h5 13.Tg6 h4 14.Tc6 dxc6 15.f3 Ld7 16.fxg4 Le8 17.g5 Sd7 18.g6 Tac8 19.g7 Db8 20.g8=T Da8 21.Tg6 Tb8 22.Td6+ exd6.

Besonders gefallen mir der verzögerte dritte Excelsior sowie die netten Manöver im Nordwesten, die Schwarz genau ausreichend lang beschäftigen.

Euclide 1.1

Kaum hatte ich hier die neue Version von Natch angekündigt, gibt es auch vom “Konkurrenzprodukt” Euclide von Étienne Dupuis ein Update: In der Version 1.1 kann man Einschränkungen bezüglich der Lösung angeben, beispielsweise Euclide mitteilen, dass ein bestimmter Bauer auf einem bestimmten Feld in eine bestimmte Figur umgewandelt werden muss.

Mit diesen Möglichkeiten, die die Prüfdauer deutlich verkürzen können, muss man natürlich sehr vorsichtig umgehen, da man damit möglicherweise nicht nur viele Fehlversuche, sondern auch Nebenlösungen ausblenden kann. Sie hilft also besonders während des Kompositionsprozesses, ersetzt schlussendlich aber keine vollständige Prüfung. Auch wenn ihr das sonst nicht so mögt: Lest unbedingt vorher die Beschreibung dazu in der Hilfe-Datei durch!

Dennoch natürlich ein tolles Feature, das Euclide sicher noch attraktiver als bisher schon macht.

Retro der Woche 31/2016

Ich finde es immer wieder spannend, mir ältere Preisberichte anzuschauen, um zu sehen, wie sich seit dem Berichtszeitraum die Retroanalyse weiterentwickelt hat. Beim Schwalbe-Preisbericht für den Jahrgang 1996 können wir diese Betrachtung gleich zweimal anstellen, denn Ersatz-Richter Ronald Schäfer, der im letzten Jahr in Aalen die Schwalbetagung ausgerichtet hatte, erstellte den Bericht erst im Jahre 2006 – jeweils zehn Jahre Abstand sind sehr interessant!

Den ersten Preis der damals noch kleinen Beweispartie-Abteilung (nur 10 von 54 Aufgaben!) hatten wir uns bereits als Retro der Woche 3/2015 angeschaut, hier nun die zweitplatzierte Aufgabe.

Chris Patzke
Die Schwalbe 1996, 2. Preis Abt. II
Beweispartie in 16 Zügen, Zeroposition a) sD→f3, b)+wBe3 (13+14)

 

Die „Zeroposition“ ist nicht zum Lösen gedacht, sondern es müssen die jeweiligen Stellungsänderungen vorgenommen werden, bevor dann a) und b) gelöst werden können. Wenn man so will, ist die Zeroposition einfach ein Trick, zwei Stellungsänderungen bei der Zwillings-Angabe zu vermeiden…

Sofort fällt natürlich auf, dass der weiße König in Teil b) im Doppelschach steht – können wir daraus schon Schlüsse ziehen? In Teil a) liegt kein Doppelschach vor, aber auch da kann das Schachgebot nur so erklärt werden, wobei das Startfeld beim Turmschach noch nicht genau gesehen werden kann.

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Retro der Woche 30/2016

Im Retro der Woche 17/2016 hatte ich bereits den zweiten Preis des Schwalbe-Informalturniers 2014 vorgestellt. Heute möchte ich mich dem vierten Preis zuwenden, der ebenfalls beeindruckende, moderne Beweispartie-Thematik zeigt.

Nicolas Dupont & Silvio Baier
Die Schwalbe 2014, 4. Preis
Beweispartie in 30 Zügen (12+14)

 

In seiner unnachahmlichen Art bezeichnete Hans Gruber als Kommentator das Stück als „Eine der leichtesten Übungen seit langem!“, was er wie folgt erklärte: „Bei DER Kombination von Autoren kann man die Erwartungen gleich auf ‚Knüller‘ einstellen. Und sie werden nicht enttäuscht. … Grandios!!“

Dann wollen wir uns diesen Knüller doch genauer anschauen, bei dem keine Doppelbauern im Diagramm zu sehen sind, bei dem also die Schlagfälle zunächst gut verborgen sind.

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Für zwischendurch (22)

Mal wieder eine Kleinigkeit zum Lösen zwischendurch: Wenn ihr nicht im Urlaub seid, sondern arbeiten müsst, ist das ideal für die Frühstückspause. Lasst es euch munden!

Michel Caillaud & Mark Kirtley
Probleemblad 1999
Beweispartie in 6,5 Zügen (16+15)

 

Das ist doch auch sicherlich ein Appetithappen für euren Schachclub?

Retro der Woche 28/2016

Immer wieder bin ich begeistert, wie pünktlich StrateGems erscheint: Das Heft habe ich trotz Versand aus den USA immer kurz vor dem Quartalsbeginn im Briefkasten. So jetzt auch das neue Heft, in dem der Retro-Urdruckteil bemerkenswert ist: Vier Anticirce-Verteidigungsrückzüger und fünf klassische Beweispartien: So verteilen sich im Moment offensichtlich die Vorlieben der Komponisten.

Im ersten Heft dieses Jahres war es noch extremer: Fünf Anticirce-VRZs und eine Beweispartie. Die möchte ich euch heute zeigen.

Silvio Baier
StrateGems 2016
Beweispartie in 23 Zügen (14+13)

 

Das übliche Zählen der sichtbaren Züge bringt uns hier zumindest bei Weiß nicht signifikant voran: Direkt zu sehen sind nur 0+2+0+2+0+1=5 Züge – bleiben also noch 18 frei! Bei Schwarz sehen wir sofort zwei Umwandlungsläufer, die brauchten schon einige Züge, nämlich zusätzlich zu den insgesamt zehn Bauernzügen noch mindestens jeweils zwei Züge. Neben diesen 14 Zügen sehen wir im Diagramm noch vier weitere Züge: Macht zusammen 18: hier sind also noch fünf Züge frei.

Wie soll man das lösen können? Vielleicht helfen ein paar Überlegungen zu den Umwandlungen weiter?

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