Ein Erstling

Bezugnehmend auf den Beitrag von Bernd Schwarzkopf hier im Blog meldete sich vor ein paar Tagen Andreas Niebler bei mir: Ein bisher „stiller“ Mitleser des Blogs aus der Oberpfalz, der sich aber schon länger neben seinem Partiespiel (und vielen weiteren Hobbies hauptsächlich in der Natur) für Retros interessiert. Schon vor ein paar Jahren hatte er eine Beweispartie gebaut, die ihm nun wieder einfiel und die er hier als sein Erstling veröffentlicht.

Andreas Niebler
Urdruck
Beweispartie in 11,5 Zügen (7+15)

 

Solche „Massaker-Partien“, auch wenn sie nur „einseitig“ sind, sind sauschwer zu lösen, weil sie eigentlich wenige Anhaltspunkte für den Ansatz zum Knacken enthalten – aus dem gleichen Grund sind auch die Prüfzeiten der Computerprogramme hier sehr lang.

Häufig ist die Lösung recht banal, hier aber, finde ich, stecken doch interessante Manöver drin, die die Aufgabe für mich sehr reizvoll machen. Bevor ihr nach der Lösung schaut, mögt ihr vielleicht selbst über eine Lösungsstrategie nachdenken?

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Retro der Woche 10/2019

Nachtrag vom 6.3.2019: Arnold Beine ist es (leider…) gelungen, die Aufgabe zu kochen, siehe seinen Kommentar vom 6.3.19 17:49. Tolle Leistung, Arnold! Dennoch lohnt es immer noch, diesen Beitrag und besonders die Kommentare dazu zu lesen.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie mir Marek Kolčák beim WCCC in Dresden ein Diagramm in die Hand drückte und mich um Veröffentlichung in der Schwalbe bat. Als ich mir die Aufgabe genauer angeschaut hatte, bin ich aus dem Staunen kaum herausgekommen, sie hat mich wirklich begeistert! Schließlich wird dort eine Idee, die ich wohl zum ersten Male publiziert hatte, doppelt gesetzt.

Marek Kolčák
Die Schwalbe 2018
Beweispartie in 23 Zügen (15+14)

 

Nehmen wir wie üblich eine Zählung der sichtbaren Züge vor, so kommen wir zu erschreckenden Ergebnissen: Bei Weiß sehen wir 1+1+0+3+3+4=12 Züge, bei Schwarz 1+1+0+2+2+2=8 Züge. Und das, wo wir Umwandlungen ausschließen können, da noch alle 16 Bauern auf dem Brett stehen.

Ok, wir sehen rasch, dass noch ein paar Züge dazukommen müssen: Zumindest eine Dame muss einen Umweg gemacht haben, und irgendwie müssen noch zwei Türme und [Lc8] verschwinden.

Die fehlenden Steine sind offensichtlich von Bauern geschlagen worden; vielleicht hilft uns das ein wenig weiter beim Versuch, die Lösung aufzuspüren?

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GM-Idee

Der Ungar Pál Benkő (*15.7.1928 in Amiens, Frankreich) lebt schon seit vielen Jahren in den USA und schreibt sich dort Pal Benko. Wahrscheinlich ist er der zweitälteste lebende Partie-Großmeister (Benko-Gambit), aber im Vergleich zu Juri Awerbach (*8.2.1922) beinahe noch ein Jungspund.

Beide beschäftigen sich auch mit Problemschach, hauptsächlich mit Studien, Awerbach auch mit Schachgeschichte, Benkő gelegentlich auch mit Retros und Beweispartien; er ist übrigens seit 1995 Internationaler Meister im Komponieren von Schachproblemen. Zu Weihnachten 2016 hat er bei Chessbase u.a. einige (nicht ganz eindeutige) Beweispartien vorgestellt, in denen ein Springer kräftig “aufgeräumt” und dann Mett gesetzt hat.

Das hat Bernd Schwarzkopf auf den Gedanken gebracht, noch gründlicher aufzuräumen, und das auch eindeutig; auf das Matt zum Ende der Beweispartie hat er dabei verzichtet.

Bernd Schwarzkopf (nach Pál Benkő)
Urdruck
Beweispartie in genau 10,5 Zügen (9+16)

 

Das sollte doch zum Lösen reizen! Setzt euch also selbst erst einmal ans Brett und versucht die Aufgabe zu lösen; neben dem “Aufräumen” (gelegentlich spricht man auch von einem “Schlachtfest”) hat sie noch eine weitere hübsche Besonderheit.

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Retro der Woche 07/2019

Für die regelmäßigen Leser dieser Rubrik ist es sicher keine Neuigkeit, wenn ich erwähne, dass ich ein echter Fan der Aufgaben von Sergej Wolobujew (*18.11.1958) bin; dazu hatte ich in Andernach 2011 einen Vortrag gehalten und in feenschach insgesamt sechs Aufgaben von ihm vorgestellt und ausführlich besprochen (f-187, Juli 2011, S. 109-113).

So könnt ihr euch sicher vorstellen, dass ich auf das Ergebnis des Wolobujew-60 Turniers sehr gespannt war: Ausgeschrieben war es in zwei Gruppen: Beweispartien und andere orthodoxe Retros; Rustam Ubaidullajew hat das Turnier gerichtet und dabei sechs Beweispartien und elf sonstige Retros ausgezeichnet.

Heute möchte ich euch den ersten Preis der Beweispartien zeigen: Ein großartiges Stück, wie ich finde!

Nicolas Dupont
Wolobujew-60 Turnier 2018, 1. Preis
Beweispartie in 32,5 Zügen (14+15)

 

Betrachten wir zunächst, welche Steine geschlagen wurden: alle fehlenden Steine sind durch Bauernschläge erklärt: einmal durch Weiß: axb, zweimal durch Schwarz: fxe und hxg6.

Bei Schwarz fehlen [Ba7] und [Bb7], dafür hat Schwarz drei Türme. Also wurde [Bb7] durch [Ba2] geschlagen: axBb5, [Ba7] wandelte dann schlagfrei auf a1 in den dritten schwarzen Turm um.

Bei Weiß fehlen [Be2], der durch [Bf7] geschlagen wurde, und [Bh2], der mangels eigener Schlagmöglichkeit nicht auf g6 geschlagen werden konnte. Dort muss also ein weißer Offizier geschlagen worden sein; [Bh2] hat sich dann ebenfalls schlagfrei auf h8 umgewandelt.

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Ergebnis SVW-Wettbewerb

Im Juli 2018 hatte ich euch auf den 7. Problemschach-Wettbewerb des Schachverbandes Württemberg hingewiesen: Es war eine möglichst kurze Beweispartie zu konstruieren, die zur “Viele-Väter-Stellung” führt und in der nur Könige und Bauern ziehen dürfen.

Nun ist das Ergebnis erschienen — mit gleich drei Siegern: Andreas Niebler, Martin Hintz sowie das Team Bernhard Geismann & Christoph Fieberg teilen sich das Preisgeld (jeweils 85 €).

Den sehr interessanten Bericht von Wolfgang Erben könnt ihr in der Ausgabe 02/2019 von Schach für Tiger finden; zum Studium sehr empfohlen!

Retro der Woche 05/2019

In der letzten Woche hatte ich hier einen Verteidigungsrückzüger aus dem Preisbericht von Phénix 2015-2016 gezeigt, heute will ich die bestplatzierte Beweispartie in diesem sehr stark besetzten Turnier vorstellen.

Jorge J. Lois & Roberto Osorio
Phénix 2015-2016, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (13+14)

 

Bei Aufgaben des argentinischen Duos kann man immer davon ausgehen, dass man guten Inhalt technisch perfekt dargestellt zu sehen bekommt. Und so viel darf ich schon verraten: So ist es auch hier!

Mit dem üblichen Zählen der im Diagramm sichtbaren schwarzen Züge sind wir sehr schnell fertig: 0+0+0+1+0+3=4. Irgendwelche zusätzlichen Züge wegen eventueller Umwandlungen durch Schwarz können wir auch hier natürlich ausschließen, da noch alle acht schwarzen Bauern an Bord sind.

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Retro der Woche 03/2019

Heute möchte ich noch einmal auf das letzte Retro der Woche zurückkommen: Natürlich ist die Zeit nicht stehen geblieben, und heute wollen wir also betrachten, was 14 Jahre später Thierry Le Gleuher mit dieser Idee (“Aufspaltung des Bauerndoppelschritts”) gemacht hat; schaut euch also vielleicht vorher noch einmal die Beweispartie von Unto Heinonen an.

Thierry Le Gleuher
Probleemblad 2007
Beweispartie in 29,5 Zügen (9+15)

 

Auch hier fällt im Diagramm sofort ein schwarzer Umwandlungsstein auf, dieses Mal ein Läufer. Und auch er wird technisch dafür genutzt, schwarze Züge zu generieren — und, wie wir gleich noch sehen werden, auch Schlagfälle. Doch zunächst zählen wir die schwarzen sichtbaren Züge.

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Retro der Woche 02/2019

Am ersten Sonntag des neuen Jahres möchte ich euch eine schon etwas ältere und auch thematisch recht ungewöhnliche Beweispartie des Finnen Unto Heinonen (* 25.12.1946) zeigen. Wir kennen ja auch hier Unto als einen Komponisten, der ein wenig abseits des Mainstreams komponiert.

Unto Heinonen
Die Schwalbe 1993, 1. Preis
Beweispartie in 24 Zügen (16+10)

 

Ungewöhnlich ist hier schon der dritte schwarze Turm, der sofort auffällt und den wir gleich benutzen werden, um uns die ersten Schritte der Lösung dieser Aufgabe zu erarbeiten. Wir können zunächst einmal anhand der schwarzen Bauernstellung schnell feststellen, dass der aus [Bd7] entstanden sein muss.

Und nun zählen wir zunächst einmal die schwarzen sichtbaren Züge. Dabei lassen wir zunächst offen, welchen Turm wir als Umwandlungsturm ansehen und stellen fest, dass die beiden Original-türme mindestens fünf Züge gemacht haben müssen: Tf7 zwei, die beiden anderen jeweils drei, und wir zählen den dritten Turm zunächst nicht mit.

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