Retro der Woche 16/2019

In dieser Woche ist das Aprilheft der Schwalbe erschienen, und darin auch der Preisbericht des Brand & Gräfrath-120-Geburtstagsturniers, in dem klassische Retros bzw. Beweispartien ohne Bauernumwandlungen gefordert waren (226. Thematurnier der Schwalbe, Ausschreibung in Heft 288, Dezember 2017, Seite 317).

Bernd Gräfrath und ich haben an einem arbeitsamen, aber auch sehr schönen Wochenende gemeinsam den Bericht erstellt, aus dem ich heute den 1. Preis der Beweispartien vorstellen möchte.

Nicolas Dupont & Michel Caillaud
TBBG-120 Turnier 2019, 1. Preis, Abt. B
Beweispartie in genau 29,5 Zügen (15+16)

 

Offensichtlich hilft das übliche Zählen im Diagramm sichtbarer Züge bei Weiß nicht viel weiter, wohl aber bei Schwarz: Da kommen wir auf 3+3+6+6+4+7=29 Züge –- alle schwarzen Züge sind also bereits erklärt. Damit [Ke8] in drei Zügen nach a7 gelangen kann, muss er lang rochiert haben.

Diese Erkenntnis ist der Schlüssel zur Lösung der Aufgabe: [Lf1] muss zum Zeitpunkt der Rochade bereits auf a6 gestanden haben, denn vorher mussten bereits b5 (damit [Lc8] herausgespielt werden konnte) und Sc6 gezogen worden sein. Und nach beiden Zügen konnte der Läufer nicht mehr nach a6 gespielt werden können.

Welcher Stein hat denn dann Schachschutz auf b7 gegeben, damit Schwarz rochieren konnte?

Schwarze Steine scheiden hierfür aus, da keiner von ihnen Zeit hatte, einen Zwischenstopp auf b7 einzulegen. Also muss es ein weißer gewesen sein. Um in den Nordwest-Käfig einzudringen und anschließend daraus wieder zu verschwinden, verfällt man im ersten Moment vielleicht auf den Gedanken: „weißer Springer“ – aber den muss man sofort wieder verwerfen, denn der würde ja das Feld d8 beobachten — und damit die Rochade verhindern.

Also kommt nur [Th1] dafür in Frage: Der muss sich also via c6 nach b7 durchkämpfen und den Nordwesten nach der Rochade auf anderem Wege verlassen – Sc6 steht im Wege, den gleichen Weg retour zu nehmen!

Ein paar weitere Abhängigkeiten erkennt man, wenn man berücksichtigt, dass [Lc8] genau via b7 und f3 sein Zielfeld d1 erreichen musste: Daher konnte Weiß weder e4 noch f3 ziehen, bevor der Läufer auf f3 bzw. d1 gelandet war. Andererseits muss [Lf1] sehr früh, nämlich vor Lc8-b7, auf a6 stehen. Und [Th1] muss ja auch recht schnell seine Reise starten!

Nach diesen Vorüberlegungen ist es vielleicht gar nicht so schwer, selbst die Lösung zu finden: Da seid ihr mit Sicherheit schneller als die Prüfprogramme, zumindest wenn sie „Brute force“ testen.

1.e3 a5 2.La6 b5 3.Sh3 Lb7 4.Tf1 Lf3 5.e4 Lxd1 6.f3 g6 7.Tf2 Lg7 8.Te2 Ld4 9.Te3 Lb6 10.Td3 c5 11.Td6 Dc7 12.Tc6 Df4 13.Tc7 Sc6 14.Tb7 OOO 15.Tc7++ Kb8 16.Tc8+ Ka7 17.Tb8 Tc8 18.c4 Tc7 19.Tf8 f6 20.Tf7 h5 21.Th7 h4 22.Th5 Sh6 23.Td5 Sg4 24.Td3 Th5 25.Te3 Td5 26.Te2 Td3 27.Tf2 Tc3 28.Tf1 Sf2 29.Tg1 Dg4 30.Th1.

Selbstverständlich ist diese grundsätzliche Idee nicht neu; man findet in der PDB mehrere Aufgaben, die ich euch alle zum Anschauen empfehle: von Michel Caillaud (P1000010), Satoshi Hashimoto (P1004020), Joachim Iglesias (P1017476) und Rustam Ubaidullajew (P1340219 und P1288889). Das zuletzt genannte Stück hielt bisher den Längenrekord für die Turmwanderung mit 16 Zügen– dieser Wert wird hier um 50 Prozent (!!) überboten!

Dafür halten wir auch den „Trick“ mit der genau-Forderung für akzeptabel: Ohne die ließe sich das Stück in 29 Zügen lösen, der Zwischenstopp auf g1 ganz am Ende verschwände dann. Auch mit den dann 23 thematischen Zügen wäre dies noch ein fantastischer Rekord.

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