Retro der Woche 46/2021

Ich möchte noch beim Preisbericht des diesjährigen Champagne-Turniers, bleiben, nachdem wir an den beiden letzten Sonntagen bereits die ersten Preise der Beweispartien und der übrigen Retros gesehen haben.

Heute präsentiere ich euch „nur“ eine Doppelsetzung des geforderten Themas, aber was für eine — lasst euch überraschen!

Roberto Osorio
Champagne-Turnier 2021, 3. Preis Gruppe A
Beweispartie in 19 Zügen (13+15)

 

Bauernschläge sind im Diagramm nicht zu sehen, darum beginnen wir mit dem Zählen der sichtbaren schwarzen Züge. Da kommen wir auf 2+1+3+5+3+5=19 — damit sind alle schwarzen Züge bereits erklärt. Dabei wissen wir noch nicht, ob Kf8/Te8 durch O-O, Te8, Kf8 oder durch Ke7, Te8, Kf8 entstanden sind — für die Zügezahl ist das auch irrelevant.

Das Schachgebot im Diagramm macht zusammen mit sBg5 den Weg des sLe3 eindeutig: Lf8-d6-f3xe3+. Ansonsten wäre ja auch ein Weg Lf8-h6-e3 und g6/hxg6-g5 möglich, für beides benötigen wir vier Züge.

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Retro der Woche 45/2021

Während für die Gruppe A des diesjährigen Champagne-Turniers beim WCCC 27 Beweispartien eingesendet worden waren (den ersten Preis hatten wir im letzten Retro der Woche angeschaut), gab es für Gruppe B „sonstige Retros“ nur sechs Einsendungen. Beide Male war das geforderte Thema Derselbe Stein schlägt mindestens zwei Umwandlungsfiguren.

Auch aus dieser Gruppe möchte ich euch den ersten Preisträger zeigen.

Dmitry Baibikov
Champagne-Turnier 2021, 1. Preis Gruppe B
Weiß am Zug. Geschichte der schwarzen Bauern a4 und b4? (10+10)

 

Die Fragestellung fokussiert sofort auf das darzustellende Thema: Die beiden Bauern, nach denen gefragt ist, müssen jeder dreimal geschlagen haben: sBa4 ist [Bd7], sBb4 ist [Be7]. Damit sind auch bereits alle fehlenden weißen Steine erklärt.

Und das sind die beiden weißen Türme sowie vier Bauern. Die aber können allesamt nicht direkt geschlagen worden sein.

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Retro der Woche 44/2021

Vor gut einer Woche hatte ich auf den (vorläufigen) Preisbericht des diesjährigen Champagne-Turniers, das Michel Caillaud schon seit vielen Jahren in Zusammenhang mit dem WCCC ausrichtet, berichtet. Nun möchte ich euch heute die siegreiche Beweispartie vorstellen.

Silvio Baier
Champagne-Turnier 2021, 1. Preis Gruppe A
Beweispartie in 28 Zügen (11+15)

 

Ihr erinnert euch vielleicht noch an das vorgegebene Thema? Derselbe Stein schlägt mindestens zwei Umwandlungsfiguren.

Betrachten wir zunächst die Schlagbilanz: Bei Weiß fehlen fünf Bauern, von denen nur [Bb2] direkt geschlagen werden konnte; alle vier anderen fehlenden Bauern mussten sich umwandeln, um sich schlagen zu lassen oder einen geschlagenen Originalstein zu ersetzen; damit sind alle fehlenden weißen Steine erklärt. Geschlagen wurden sie entweder mit exdxcxb und fxe oder (beim geforderten Thema noch attraktiver) mit fxexdxcxb.

Damit ist zugleich der einzige weiße Schlagfall klar: Auch [Bh2] musste sich umwandeln, dazu musste er hxBg spielen, denn sBh4 hat ja keine Schlagmöglichkeit mehr.

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Retro der Woche 43/2021

In der letzten Woche hatte ich hier den ersten Preis der Beweispartie-Gruppe im Schwalbe-Informalturnier 2019 vorgestellt, heute geht es um das Pendant aus der Gruppe B „Rückzügr und andere klassische Retroprobleme“. Nein, keine Panik ob der sehr märchenhaften Forderungen, der Preisrichter Thomas Kolkmeyer beruhigt uns schon mit seiner Vorbemerkung zu dieser Aufgabe: „Hier stimmt einfach alles: Das Problem reizt zum Lösen, es ist überschaubar und ganz logisch.“

Andreas Thoma
Die Schwalbe 2019, 1. Preis Gruppe B
#1 vor 28 Zügen VRZ Høeg, Anticirce Cheylan (7+9)

 

Ich lade euch also herzlich ein, das zu erkunden. Aber erst noch einmal zur Forderung: Im Verteidigungsrückzüger (VRZ) hat Weiß das Ziel, nach der abwechselnden Rücknahme der angegebenen Züge (hier also 28 weiße und, da Weiß beginnt, 27 schwarze) die Vorwärtsforderung (hier also #1) zu erfüllen; Schwarz versucht, das abzuwehren. Beim Typ Høeg bestimmt die Gegenseite jeweils, ob und welcher Steih geschlagen wurde — natürlich alles im Rahmen der Legalität. Im Anticirce wird der schlagende Stein auf seinem entsprechenden Feld der Partieausgangsstellung wiedergeboren, das frei sein muss, damit ein Schlag möglich ist. Im Typ Cheylan darf nicht auf das eigene Partieausgangsfeld geschlagen werden, das wird als „besetzt“ angesehen.

Anhand des Kommentars, der Beschreibung von Preisrichter Thomas Kolkmeyer kann man, glaube ich, recht gut der Lösung folgen; ein wenig mit Verteidigungsrückzügern vertraute können danach sicher selbst Löseversuche unternehmen, die anderen sollten sie vielleicht zwei- oder dreimal nachspielen, um dann auch die Feinheiten der Lösung zu entdecken.

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Retro der Woche 42/2021

Gestern erst habe ich auf die Oktober-2021-Ausgabe der Schwalbe hingewiesen, habe ich erst darauf hingewiesen, dass ich noch darauf zurückkommen werde — und heute ist es schon so weit: Ich möchte euch den ersten Preis der Beweispartie-Abteilung des Jahrgangs 2019 vorstellen.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2019, 1. Preis Gruppe A
Beweispartie in 23,5 Zügen (16+16)

 

Hier müssen wir erst gar nicht nach verräterischen Doppelbauern schauen: Es sind noch „alle Mann an Bord“! Also versuchen wir unser Glück mit den Zählen der sichtbaren erforderlichen Züge: Bei Weiß sind das 7+0+0+2+1+2=12 — das ist erst einmal erschreckend, wenn die Hälfte der Züge noch offen ist.

Bei Schwarz kommen wir auf 1+2+8+3+4+5=23 — alle schwarzen Züge sind erklärt. Um mit acht Zügen der schwarzen Türme auszukommen, brauchen wir die Zugwege Th8-h6-c6-c3(4) sowie Ta8-e8-e6-f6-f4(3)-c4(3), also 3+5.

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Retro der Woche 41/2021

Ähnlich wie StrateGems, von dessen Pünktlichkeit ich in der letzten Woche berichtet hatte, kann man sich auch beim spanischen Problemas darauf freuen, sich pünktlich zum Quartalsbeginn an einem neuen Exemplar erfreuen zu können.

Problemas ist eine sehr vielsprachige Zeitschrift (natürlich spanisch und englisch, gelegentlich auch mal französisch oder deutsch), die allerdings nicht gedruckt, sondern ausschließlich (kostenlos) im Internet erscheint: Natürlich könnt ihr die .pdf-Datei auf euren Rechner, auf euer Tablet laden, um die Exemplare stets griffbereit zu haben.

Das heutige Beispiel (aus dem Januar-Heft) zeigt die inhaltliche Breite, die komplett vom #2 über Studien und Märchenschach bis hin zu (auch nicht-orthodoxen) Retros reicht; der Verfasser ist regelmäßiger Mitarbeiter von Problemas.

Andrej Frolkin
Problemas 2021
Letzte 6 Züge? 2+2 Grashüpfer (15+11)

 

Die kopfstehenden Damen sind Grashüpfer, die auf Damenlinien ziehen, aber einen Sprungbock brauchen, um direkt dahinter zu landen und dabei ggf. einen gegnerischen Stein zu schlagen. sGa1 könnte also Ga4, Gd4 oder Gxc1 ziehen. Bei Retros gilt die Konvention, dass Märchensteine als durch Bauernumwandlung entstanden angesehen werden.

Bei Weiß fehlt nur [Lf1], der offensichtlich mittels e6xLf5 geschlagen wurde — mehr Schlagfälle stehen Schwarz auch nicht zur Verfügung.

Damit müssen auch die beiden schwarzen Bauernmärsche zu den Umwandlungen in Grashüpfer schlagfrei verlaufen sein. Um zu sehen, wo Weiß möglicherweise geschlagen hat, sollten wir erst einmal bemerken, dass der schwarze König im Schach steht. Das kann Weiß nicht mit Gc6-e8+ zurücknehmen, da der schwarze König ja bereits von c6 aus im Schach gestanden hätte; also muss Weiß entwandeln: R 1.e7-e8=G#.

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Retro der Woche 40/2021

Darauf kann man sich verlassen: Dass pünktlich zum Quartalswechsel die neue Ausgabe von StrateGems im Briefkasten liegt, so auch in der letzten Woche.

In diesem Heft findet man eine Fortsetzung der Serie Notable Composers mit einem Beitrag über Mario Parrinello, Kardiologe und Allgemeinmediziner, Kompositionsgroßmeister seit 2012. Besonders bekannt ist Mario als Hilfsmatt- und Märchenschachkomponist; in diesem Artikel werden zwölf solche Aufgaben vorgestellt und wie immer ausführlich kommentiert — sehr lesenswert!

Hier interessieren wir uns natürlich noch mehr für seine gar nicht so seltenen Ausflüge in den Bereich der Beweispartien: die PDB umfasst 33 solcher Aufgaben, WinChloe gar 58. Meist sind es nicht allzu lange, sehr pointierte Aufgaben; so auch unser heutiges Beispiel.

Mario Parrinello
StrateGems 2002, 1. Lob
Beweispartie in 14 Zügen (15+13)

 

Beginnen wir wie üblich mit der Inventur: Bei Weiß fehlt nur ein Springer, bei Schwarz ebenfalls ein Springer sowie der schwarzfeldrige Läufer und ein Bauer. Die fehlenden schwarzen Steine sind durch Bauernschläge vollständig erklärt, die Frage ist nur, wie der weiße Springer starb.

Auf den ersten Blick könnte er auf e6 geschlagen worden sein, ferner schlug Weiß mit f6xBe7 den Bauern; die beiden schwarzen Offiziere opferten sich dann auf a3 bzw. c3. Funktioniert das aber auch noch auf den zweiten Blick?

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Retro der Woche 39/2021

In seinem Retro-Preisbericht für den feenschach-Jahrgang 2019 setzte Andrej Frolkin drei Märchenretros auf die ersten Plätze, den ersten Preis haben wir uns hier in der letzten Woche ansehen können. Heute möchte ich euch das bestplatzierte orthodoxe Stück vorstellen.

Nein, das ist keine Beweispartie, sondern eine ganz klassische Auflöse-Aufgabe, und zwar aus dem Retro-Sonderlösungsturnier, das Gerald Ettl in feenschach-Heft 238 (XI-XII/2019) mit zwölf eigenen Urdrucken ausgeschrieben hatte; im Retro der Woche 16/2020 war ich auf dieses Turnier bereits eingegangen.

Gerald Ettl
feenschach 2019, 4. Preis
Löse auf! (16+13)

 

Weiß hat alle Mann an Bord, Schwarz kann also nicht geschlagen haben. Bei Schwarz hingegen fehlen drei Steine: ein Springer sowie [Ba7] und [Bf7]. All diese Steine wurden von weißen Bauern geschlagen: axb, dxc3 sowie gxf3.

Damit ist klar, dass [Ba7] umgewandelt haben muss, denn er konnte die a-Linie ja nicht verlassen, aber dort auch nicht geschlagen werden. Und deswegen können wir axb auch erst zurücknehmen, wenn der a-Bauer auf a1 entwandelt und sich schon wieder ein Stückchen zurückgezogen hat.

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