Retro der Woche 33/2016

Als Preisrichter bei Thematurnieren steht man gelegentlich vor dem Dilemma, eine „elegantere“ Aufgabe mit einer „noch thematischeren“ vergleichen zu müssen, sie zu reihen. Ich selbst tendiere meist dazu, mich an die bekannte Regel des unvergessenen Zweizüger-Großmeisters Herbert Ahues (2.3.1922 – 11.7.2015) zu halten, der es in einem Aufsatz einmal so formuliert hatte: „Tomatensuppe muss zunächst nach Tomaten schmecken“, erst dann könne man sinnvoll das Sahnehäubchen, die Kräuter beurteilen.

Also eine klare Empfehlung, im Thematurnier die Thematik besonders zu betonen und auszuzeichnen. Daran hat sich offensichtlich auch Michel Caillaud beim Richten des diesjährigen Champagne-Turniers gehalten, als er ein thematisch dichteres Stück auf Platz 1 setzte, das strategisch tiefere auf den zweiten Platz.

Rustam Ubadullalew & Igor Wereschagin
Champagne-Turnier 2016, 2. Preis Abt. I
Beweispartie in 20 Zügen (12+16)

 

Gefordert waren in dem Turnier Rundläufe in einer Beweispartie oder mit anderen Retro-Forderungen. In einer Beweispartie war der rundlaufende Stein anschließend zu schlagen.

Beginnen wir aber die Betrachtung zunächst ohne dieses Wissen um das Thema, das wir hier natürlich auch sehen werden.

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Champagner-Turnier

Traditionell richtet Michel Caillaud beim WCCC, das am 30. Juli in Belgrad beginnt, ein Retro-Kompositionsturnier in zwei Gruppen mit separatem Preisbericht aus; es ist nur für Teilnehmer am Kongress offen.

Thema ist Rundlauf A) in einer Beweispartie, B) in einem anderen Retro-Typ; in A) muss der Rundläufer anschließend geschlagen werden. Märchenbedingungen sind in A) und B) zugelassen.

Die genauen Bedingungen und auch Beispielaufgaben könnt ihr schon jetzt anschauen. Die Definition von “Rundlauf” (“A piece returns to a previously occupied square after it occupied at least 2 other squares.”) erscheint mir allerdings gewöhnungsbedürftig und kontra-intuitiv: Nach dieser Definition ist Sb1-c3-d5-c3-b1 ein Rundlauf?!

Retro der Woche 22/2016

Ziemlich unscheinbar kommt das Diagramm unseres heutigen „Retro der Woche“ im ersten Moment daher, und doch werden wir einige subtile Manöver bewundern können.

Satoshi Hashimoto
Probleemblad 2002, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (14+15)

 

Das Zählen der offensichtlichen weißen Züge bringt uns offensichtlich noch nicht weiter; nützlicher ist es, die sichtbaren, minimal erforderlichen schwarzen Züge zu zählen. Dort kommen wir auf 2+2+6+3+2+3=18; ein schwarzer Zug ist damit noch frei. Hierbei haben wir schon vorausgesetzt, dass Schwarz zunächst f5, dann exf6 spielt, denn anders würde es einen weiteren Zug erfordern.

Sagt uns dieser schwarze Doppelbauer auf der f-Linie etwas?

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Retro der Woche 21/2016

In Andernach hatte Thomas Maeder das Buch „schaCHkunst“ von Martin Hoffmann vorgestellt, das die Schweizerische Vereinigung der Kunstschachfreunde, der Schwesterorganisation unserer Schwalbe, herausgegeben hat. Es setzt die schöne Tradition der Anthologien Schweizer Schachprobleme fort, dieses (sechste) Mal für die Jahre 1997-2010.

Aus dem Retrobereich, der dieses Mal aus gutem Grund „Beweispartien“ heißt, habe ich ein vielleicht nicht ganz so bekanntes Stück von Reto Aschwanden herausgesucht.

Reto Aschwanden
Champagner-Turnier Protoroz 2002 (V), 1. Preis
Beweispartie in 17,5 Zügen (16+12)

 

Die beiden fehlenden weißen Bauern haben sich umgewandelt, dafür brauchten sie zehn Züge. Damit hat Weiß Zeit, acht weitere Züge zu „verplempern“. Nicht ganz, denn irgendwie müssen wir ja das Schachgebot des Lc8 noch erklären.

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Retro der Woche 19/2016

Letzte Woche hatte ich hier den ersten Preis des Hanspeter-Suwe-60 Turniers vorgestellt, heute kommt wie versprochen der zweite Preis an die Reihe, ebenfalls mit einem bemerkenswerten Wechsel der Forderung

Bernd Gräfrath
6. K&T Thematurnier 2016, 2. Preis
a) Wer darf noch rochieren? b) Beweispartie in 12 Zügen (13+14)

 

Beschäftigen wir uns zunächst mit der ersten Fragestellung. Dem ersten Anschein nach spricht nichts gegen die Möglichkeit beider Parteien, noch zu rochieren. Natürlich fällt bei Schwarz die lange Rochade weg, aber warum sollte die kurze nicht mehr möglich sein? Ebenso spricht zunächst nichts gegen eine weiße Rochade.

Schauen wir allerdings genauer hin, so macht uns sBb5 ein wenig Kopfzerbrechen: Bei Weiß fehlen drei Bauern, welchen sollte er dann geschlagen haben, um von der c-Linie nach b zu kommen? Entweder hat sich [Bf2] umgewandelt und wurde dann auf b5 oder b6 geschlagen, oder dort wurde [Ba2] geschlagen.

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Retro der Woche 12/2016

Im letzten Retro der Woche hatten wir uns den Rundlauf einer Dame angeschaut; er war motiviert dadurch, dass kein anderer Stein ein Tempo verlieren konnte. Dadurch war sie gezwungen, sich auf eine lange und verwickelte Tour zu begeben, bei ihrem Tempoverlust nicht den gegnerischen König zu stören.

Die heutige Aufgabe betrachtet das gleiche Thema quasi von der anderen Seite: Heute ist es ein König, der als einziger weißer Stein in der Lage ist, ein Tempo zu verlieren; sein pendelfreier Rundlauf ist sogar noch länger als der der Dame in der letzten Woche.

Unto Heinonen
The Problemist 1992 (Version)
Beweispartie in 26 Zügen (12+15)

 

Sofort fällt im Diagramm einerseits das Schachgebot gegen den weißen König auf und andererseits der zweite weißfeldrige schwarze Läufer, der also durch Umwandlung entstanden ist.

Bevor wir uns fragen, was uns diese beiden Tatsachen bei der Lösungsfindung helfen, sollten wir versuchen, die offensichtlichen schwarzen Züge zu zählen, dabei zähle ich den Umwandlungsläufer mit bei den Bauern: 4+2+2+4+1+11=24. Also hat Schwarz noch zwei Züge frei?

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Retro der Woche 11/2016

Eine wie ich finde sehr attraktive Rekord-Aufgabe möchte ich euch heute vorstellen. „Rekord und attraktiv – ist das kein Widerspruch?“ mag nun der eine oder die andere fragen.

Nein, mir gefällt dieses Stück nicht nur wegen seines „Rekord-Inhaltes“ sehr gut. Mich würde interessieren, was ihr davon haltet.

Olli Heimo
Suomen Tehtäväniekat 1997
Beweispartie in 18 Zügen (15+15)

 

Alle Bauern sind noch auf dem Brett – Umwandlungen können wir also ausschließen. Bei Weiß fehlt die Dame, bei schwarz der weißfeldrige Läufer. [Dd1] ist offensichtlich auf c6 gestorben, beim [Lc8] ist das nicht ganz so offensichtlich, auch wenn man vielleicht bereits eine Vermutung hat…

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Retro der Woche 03/2016

Leider existiert die Zeitschrift Orbit nicht mehr — sie hatte sich zunächst auf Hilfs- und Selbstmatts konzentriert, aber dann auch einen guten Retro-Teil angegliedert.

Aus dem dortigen 2012er Turnier möchte ich heute den Preis vorstellen.

Mark Kirtley
Orbit 2012, Preis
Beweispartie in 18,0 Zügen (15+14)

 

Betrachtet man die Stellung, sieht man sofort die zwei weißen Züge, bei Schwarz muss man etwas genauer hinschauen und kommt dort auf 3+0+4+3+1+5=16 — hier fehlen also noch zwei Züge. Betrachten wir allerdings, welche Steine fehlen (wS, sD, sS), und berücksichtigen wir den Doppelbauern auf der weißen b-Linie, so sind doch alle schwarzen Züge erklärt, denn [Dd8] konnte in zwei Zügen nach b3 gelangen, während dies einem schwarzen Springer nicht möglich gewesen wäre. Damit sind alle schwarzen Züge geklärt.

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