Retro der Woche 32/2014

Es ist schon sehr bemerkenswert, wenn in einem Kompositionsturnier, das für alle Problemarten offen ist, ein Retro ganz vorn landet, besonders, wenn es sich um logische, neudeutsche Thematik handelt.

Das ist nun gerade Manfred Rittirsch in der Gruppe B des Hans Peter Rehm Jubiläumsturniers von feenschach und Die Schwalbe anlässlich seines 70. Geburtstags gelungen (Preisrichter: der Jubilar zusammen mit bernd ellinghoven) – herzlichen Glückwunsch, Manfred!

Worum ging es in dem Turnier? Um die Darstellung des „Rehmers“ in möglichst origineller Form.

Manfred Rittirsch
Rehm-70 Jubiläumstunier, Gruppe B, 2014, 1. Preis
Beweispartie in 11,5 Zügen (14+15)

 

Der Erfinder und Jubilar erläutert selbst das Thema im Preisbericht:

Der Einfall seinerzeit (1990) war nicht die Umgehung einer Linienfigur durch eine andere, um im Vergleich zum Probespiel die richtige Reihenfolge zweier Linienfiguren mit gleicher Zugart herzustellen, sondern diese Umgehung durch einen antikritischen Zug der am Schluss „vorderen“ Figur auf der Themalinie erst zu ermöglichen.

Eine „richtige“ Reihenfolge kann sinnvoll als solche nur genutzt werden, wenn beide Figuren dann längs der Themalinie „nach vorn“ verwendet werden, was nur durch einen Bahnungszug der vorderen Figur für die hintere möglich ist.

Damit ergeben sich als Bestandteile des Themas:

1. Antikritikus der Figur, die am Schluss „die vordere“ werden soll.
2. Periführung (um die andere Figur „hinter“ die kritisch ziehende zu bringen).
3. Bahnungszug der „vorderen“ Figur.

Inzwischen akzeptiert man die Bestandteile 2. & 3. als Rehmer (schon das war zur
Entstehungszeit wohl eher selten dargestellt), und spricht von „vollständigem Rehmer“, wenn 1. hinzukommt. 2. setzt voraus, dass ein Probespiel vorhanden ist, in dem die eine Themafigur auf der falschen Seite der anderen landet, was durch die Periführung korrigiert wird. Ein Rehmer wirkt besonders eindrucksvoll, wenn die umgehende Figur auf der Themalinie auf der falschen Seite der anderen startet.

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Retro der Woche 31/2014

Heute möchte ich mal wieder einen Verteidigungsrückzüger vorstellen. Ihr erinnert euch: Hier kooperieren Schwarz und Weiß nicht, wie sonst bei Retroaufgaben, ob das nun Beweispartien oder Auflösungs-Aufgaben sind; hier will Weiß ein Vorwärtsziel erreichen – und Schwarz verteidigt sich dagegen, versucht also, dieses Ziel zu verhindern, natürlich stets mit legalen Zugrücknahmen.

Natürlich muss man hier festlegen, wie Entschläge zurückgenommen werden, und hier gibt es zwei verschiedene Typen des Verteidigungsrückzügers: Bestimmt die Partei, die einen Zug zurücknimmt, auch das mögliche Schlagopfer der Gegenseite, so sprechen wir vom Typ Proca. Bestimmt hingegen die Gegenpartei, welcher ihrer eigenen Steine entschlagen wurde, so sprechen wir vom Typ Hoeg.

Zeno Proca und Niels Hoeg haben quasi gleichzeitig im Jahre 1924 die Idee zu Verteidigungsrückzügern gehabt, sie hatten aber unterschiedliche Ideen zum Entschlag.

 

Alexander Jarosch
diagrammes 1999, 4. Lob
#1 vor 4 Zügen, VRZ Proca (3+13)

 

Ähnlich wie bei direkten Mattaufgaben kann es sinnvoll sein zu überlegen, welcher weiße Stein denn matt setzen könne?

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Retro der Woche 30/2014

Und weiter geht es mit dem Pronkin-Thema: Heute stelle ich euch die erste einfarbige Vierfachdarstellung dieses Themas in einer eindeutigen Beweispartie vor.

Ihr erinnert euch? Im Retro der Woche 27/2014 war es eine nun schon eigentlich 25 Jahre alte Dreifachsetzung des Themas, im folgenden Retro der Woche 28/2014 die erste, nun fünf Jahre alte einfarbige Pronkin-Allumwandlung.

Quasi ein Zwischenglied ist das heutige Stück, bei der – wen wundert es?? – der Springer zur Allumwandlung fehlt und durch einen zweiten Turm, normalerweise der am einfachsten darzustellende Pronkin-Stein, ersetzt wird.

Nicolas Dupont
Orbit 2005 (V), 1. Preis, zum Gedenken an Guy Dupont
Beweispartie in 31 Zügen (15+10)

 

Aber auch das ist natürlich alles andere als trivial, wie allein schon die Tatsache zeigt, dass das Stück mit 10,5 Punkten ins FIDE-Album gekommen ist.

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Retro der Woche 29/2014

Das Pronkin-Thema, mit dem wir uns hier in den letzten zwei Wochen beschäftigt haben, ist eigentlich ein klassisches Thema für Beweispartien: Dort wirkt es besonders paradox, wenn ein Stein auf dem Feld der Partieanfangsstellung steht, aber er schon einmal gezogen hat – nicht um zurückzukehren, sondern weil es ein Umwandlungsstein ist, der das Original-Pendant ersetzt.

Dennoch lässt sich das Thema natürlich auch prima in klassischen Retros darstellen. Eine solche Aufgabe, die übrigens ebenso wie unser Retro der Woche 27/2014 nun bereits 25 Jahre alt ist, möchte ich euch heute zeigen.

Nikita Plaksin
Schachmati w SSSR 1989, 2. Preis
Ist die Stellung legal? (12+13)

 

Nun soll natürlich die Antwort auf die Autor-Frage nicht einfach „ja“ oder „nein“ lauten, sie muss selbstverständlich begründet werden.

Beginnen wir also wie üblich mit der Analyse der Schlagbilanz: Die vier fehlenden weißen Steine sind alle durch schwarze Bauernschläge erklärt: gxf und dxcxbxa. Bei Weiß ist erst einmal nur ein weißes Schlag sofort sichtbar: axb; damit sind noch zwei weiße Schläge frei.

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Retro der Woche 28/2014

In der letzten Woche hatte ich ein eigentlich schon 25 Jahre altes Stück vorgestellt, das drei verschiedene Pronkin-Figuren einer Farbe zeigt. Da stellt sich natürlich die Frage: Kann man auch eine Pronkin-Allumwandlung zeigen?

Das war natürlich ein spannendes Thema für die Komponisten; es galt also, noch einen Pronkin-Springer in ein solches Schema zu integrieren –- und der Springer ist ob seines langen „Heimweges“ sicherlich die am schwierigsten darstellbare Pronkin-Figur.

Letztendlich klappte es dann -– im Teamwork zweier hervorragender Komponisten, denen auch wieder eine Homebase Darstellung gelang.

Nicolas Dupont & Gerd Wilts
R350 Probleemblad 01-03/2009, A. Frolkin & D. Pronkin gewidmet
Beweispartie in 31,5 Zügen (12+14)

 

Von der technischen Schwierigkeit ist dies im Vergleich zur Vorwochen-Aufgabe noch ein Quantensprung, der sich schon aus den neun zusätzlich erforderlichen weißen Zügen für den Springer-Pronkin ergibt.

In gewisser Weise sieht man dem Stück auch die Schwierigkeiten an: Die zwei „technischen“ Umwandlungen durch Schwarz sind noch im Diagramm sichtbar. Wer das kritisiert, möge sich doch ans Konstruktionsbrett setzen und versuchen, sie „herauszuoptimieren“…

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Retro der Woche 27/2014

Heute möchte ich gern wieder ein wenig in die „Geschichte der Beweispartien“ eintauchen, und das nicht nur zehn Jahre, wie es die Quelle unserer heutigen Aufgabe suggeriert: Nein, wir gehen eigentlich 25 Jahre zurück, denn die ursprüngliche Aufgabe von Uli Ring stammt aus dem Jahre 1989, ist also schon 25 Jahre alt, allerdings damals knapp nebenlösig, da sich zwei schwarze Bauernzüge umstellen ließen. Die vorliegende Aufgabe ist also eine Korrektur von damals.

Ulrich Ring & Joost de Heer
feenschach 2004 (Korrektur)
Beweispartie in 23,5 Zügen (13+15)

 

Beginnen wir mit dem Zählen der schwarzen Züge: Da kommen wir auf 22 (3+2+4+4+0+9); einen schwarzen Zug haben wir also frei.

Wirklich?

Schauen wir uns dazu den Käfig im Nordosten einmal genauer an.

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Retro der Woche 26/2014

Vor ein paar Tagen habe ich mal wieder im feenschach-Heft 186 (April-Juni 2011) geblättert – ein richtig schönes „Retro-Heft“, das neben einem interessanten Artikel von Bernd Gräfrath (Begründungsstrategien für Schnoebelen-Damen) noch die Retro-Preisberichte von 2003 (Richter: Thierry Le Gleuher) und 2009 (Richter: Günther Weeth) enthält.

Aus dem erstgenannten Preisbericht möchte ich heute eine Aufgabe vorstellen, die, wenn man sie genau betrachtet, nicht ganz orthodox ist. Die Frage der Aufgabenstellung impliziert nämlich eine Auflösung unter der Bedingung, dass die Damenzüge minimal sind. Demnach muss man die Auflösung so gestalten, dass möglichst wenige Damenzüge gespielt worden sind.

Alexander Zolotarew
feenschach 151 (2003), S.57 3. Preis
Minimale Zahl aller Damenzüge? (10+13)

 

Was schreibt der Preisrichter zu dieser Aufgabe? „Ein ausgefeiltes Werk, das … es verdient, in allen seinen Details von den Lösern ausführlich studiert zu werden.“

Dazu lade ich euch nun ein, indem ich zunächst die Lösung und anschließend den gesamten Kommentar von Thierry zitiere: Ich kann euch nur einladen, seiner Empfehlung zu folgen!
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Retro der Woche 25/2014

Ich hatte ja schon darauf hingewiesen, dass ich im Rahmen des Richtens für das FIDE-Album auch eine Menge Aufgaben gesehen habe, die ich noch nicht kannte, weil sie in mir üblicherweise nicht zugänglichen Quellen erschienen waren. Dass das wahrlich nicht bedeuten muss, dass diese Aufgaben vielleicht nicht so gut sind, zeigt sich bei dem heutigen Beispiel schon an den Namen der Autoren.