Retro der Woche 45/2014

Manchmal mag man bedauern, dass die Zeit der Wetten auf Schachprobleme, auf deren Lösbarkeit, auf bestimmte Eigenschaften der Lösung ziemlich vorbei sind…

Heute schauen wir uns eine Aufgabe an, mit der man sicherlich Wetten gewinnen könnte – aber betrachten wir zunächst die Diagrammstellung genauer:

Dan Meinking
StrateGems 2002, 1. Preis
Beweispartie in 27,0 Zügen (12+14)

 

Wie meistens schauen wir zunächst nach den Schlagfällen: Weiß hat die beiden fehlenden schwarzen Steine auf e3 und f3 geschlagen; da u.a. der [sLc8] fehlt, muss der auf f3 verschwunden sein. Der zweite im Diagramm fehlende schwarze Stein ist [sBa7], der natürlich selbst nicht auf e3 geschlagen worden sein kann. Er muss sich also umgewandelt haben, um sich dann selbst zu opfern oder das Schlagopfer von e3 im Diagramm zu ersetzen.

Drei der vier fehlenden weißen Steine sind sichtbar geschlagen worden, auch diese Schlagopfer können definitiv keine Bauern gewesen sein, aber irgendwie müssen [wBa2] und [wBh2] verschwunden sein.

Auf alle Fälle muss [wBh2] auf h8 (schlagfrei) umgewandelt haben. Entweder hat er sich dann geopfert oder er ersetzt einen geschlagenen weißen Stein. [wBa2] hingegen kann auf zwei unterschiedliche Arten aus dem Diagramm verschwunden sein: Entweder er wurde einfach geschlagen, oder er hat sich auf a8 umgewandelt, nachdem sBa3xXb2 geschehen ist.

Damit wissen wir auf alle Fälle, dass im Laufe der Lösung mindestens zwei Umwandlungen geschehen sind.

Zählen wir nun also die schwarzen sichtbaren Züge, da dies mehr als bei Weiß sind: 1+2+1+3+4+5=16, da fehlen noch elf Züge! Aber ein paar können wir sofort ergänzen: sLc8-b7-f3 (noch neun), die Umwandlung des [sBa7] (noch vier) – das Schlagopfer auf e3: Jetzt sind es nur noch zwei.

Da fällt uns ein: [wBh2] hat sich schlagfrei auf h8 umgewandelt: Zu dem Zeitpunkt kann also weder [sTh8] zu Hause gestanden haben (vor der Rochade) noch der sK auf g8 (oder er musste auf ein Schachgebot ausweichen und zurückkehren. Also bei Schwarz entweder künstliche Rochade oder Ausweichen und Rückkehr des sK – damit sind auch die beiden noch fehlenden schwarzen Züge erklärt.

Damit wissen wir dann auch, dass [sBa7] auf a1 ungewandelt haben muss: Das Herausspielen von b1 würde nun zu viel Zeit kosten. Und damit wurde [wBa2] auf seiner Linie geschlagen und hat nicht umgewandelt.

Und wir wissen noch mehr, da die Züge für Schwarz nun überraschend eng geworden sind: Entweder hat sich [sBa7] nach seiner Umwandlung in zwei Zügen auf e3 geopfert, oder dort starb ein schwarzer Turm (zwei Züge), und dann ist sTa7 der Umwandlungsstein, für den ja nur ein Zug übrig bleibt von seinem Umwandlungsfeld.

Mit diesem Wissen ist es immer noch nicht ganz leicht, die Lösung zu finden, aber mit systematischem Vorgehen sollte es dann klappen:

1.a4 Sc6 2.Ta3 Sd4 3.Tg3 Sb5 4.Tg6 hxg6 5.b3 Th3 6.Lb2 Te3 7.Lf6 e5 8.dxe3 Le7 9.Dd6 cxd6 10.a5 Dxa5+ 11.Kd1 b6 12.Sf3 Lb7 13.Sfd2 Lf3 14.gxf3 Ld8 15.Lh3 Lc7 16.Le6 fxe6 17.Kc1 Kf7 18.Td1 Tf8 19.Sf1 De1 20.h4 a5 21.h5 a4 22.h6 a3 23.h7 a2 24.h8=T a1=T 25.Th2 Ta7 26.Sc3 Sh6 27.Sa2 Kg8.

Zwei Rückkehren der Phoenix-Türme auf ihr Bauern-Ausgangsfeld sowie zwei Pseudo-Rochaden, eigentlich also ein „Proof Game of the Future“, auch wenn diese beiden Themen nicht zum Standard-Themenkanon gehören. Mir gefällt das Stück sehr gut, gerade wegen der gleichen Thematik bei Schwarz und Weiß – aber mit der Variation der kurzen und der langen Pseudo-Rochade.

Und um auf die Einleitung des heutigen Beitrags zurück zu kommen: Dan schrieb in seiner Problemschachsammlung „When I explained this problem to 2 local OTB masters, and asked them to name 2 moves which they were sure were played, they immediately blurted out ‘castles’. Too bad I didn’t wager dinner, ala Sam Loyd!

Hättet ihr auch sofort auf die Rochaden getippt? Mein Tipp wäre (allerdings nicht ganz immediately) b2-b3 und Ld8-c7 gewesen. Dann hätte ich das Abendessen gewonnen…

3 thoughts on “Retro der Woche 45/2014

  1. Schöne Aufgabe. Die Rückkehr der Bauern nach Umwandlung gibt es in der FPG-Themenliste unter “pawn circuit.” Phönix hatten wir nicht aufgenommen, weil diese praktisch immer auf Pronkin hinauslaufen. Die künstliche Rochade stand noch nicht drin, weil in einem FPG 2 Themen mit jeweils gleichen Figuren gefordert werden und uns keine derartige Aufgabe bekannt war = diese hier ist uns durch die Lappen gerutscht. Hiermit ist die künstliche Rochade aufgenommen.

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