Retro der Woche 16/2016

Nikita Plaksin ist sicherlich einer der bedeutendsten Komponisten klassischer Retros, der aber auch intensiv im Bereich der Märchen-Retros unterwegs war: Speziell mit Andrej Kisljak zusammen hat er intensiv verschiedene Märchenbedingungen auf Last-mover Rekorde untersucht, bei denen also (zumindest) der letzte Zug eindeutig ist – und das mit möglichst wenigen Steinen.

Heute habe ich aber eine klassische Aufgabe von ihm herausgesucht, die mir immer wieder sehr gut gefällt.

Nikita Plaksin
Schachmati w SSSR 1991, 1. Preis — A. Kisljak gewidmet
#1 durch Schwarz (11+14)

 

Hier sehen wir wieder einmal eine Vorwärtsforderung, die sehr schnell zu lösen ist: Weiß ist am Zug, muss das Schachgebot durch 1.Txg4 parieren, wonach 1.– Sd6# mattsetzt. Aber das ist natürlich nicht der dürftige Inhalt dieser Aufgabe; natürlich geht es um die Stellungsgenese: Wie lässt sich die Diagrammstellung auflösen?

Dazu untersuchen wir wie üblich zunächst einmal die Schläge: Die Konstellation der schwarzen Bauern auf der b- und c-Linie erfordert drei Schläge (axb, bxc, dxc), ferner geschah gxXf6 – und das Schachgebot in der Diagrammstellung konnte auch nur durch Lh3xXg4 gespielt werden, damit sind alle fehlenden weißen Steine erklärt.

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Retro der Woche 15/2016

Nicht nur die neueste Schwalbe bietet viel Lesestoff für uns Retrofreunde, auch die neue Ausgabe von StrateGems (April-Juni 2016): Neben dem reichhaltigen Urdruckteil gibt es den fünften Teil von Silvio Baier, Nicolas Dupont und Roberto Osorio über Weiterentwicklungen der „future proof games“, bei denen mindestens zwei Themen doppelt gesetzt sind. (Die Fortsetzung dieser Reihe, die für jeden Retrofreund, vor allen Dingen jeden Preisrichter ein „Muss“ ist, wird im Januar 2017 starten.)

Dieser Teil mit insgesamt 23 Aufgaben enthält drei Urdrucke, zwei davon von Nicolas, der in diesem Jahr Beweispartie-Preisrichter bei StrateGems ist; eine davon wollen wir uns heute anschauen.

Nicolas Dupont
StrateGems 2016
Beweispartie in 25,5 Zügen (14+13)

 

Man sieht sofort, dass nur Bauern im Diagramm fehlen, die jeweils beiden Doppelbauern konnten aber nicht durch Schlag dieser fehlenden Bauern entstanden sein. Damit wissen wir schon jetzt, dass wir in der Lösung vier Umwandlungen zu erwarten haben – so überraschend ist dies angesichts des Erscheinungsort dieser Aufgabe im Aufsatz natürlich nicht.

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Retro der Woche 14/2016

Die Beweispartien des Russen Rustam Ubaidullajew zeigen immer sehr originellen Inhalt fern jeglicher Schablone. Mir persönlich erscheinen sie auch (deswegen??) meist schwer zu lösen.

Heute habe ich ein schon etwas älteres Stück von ihm ausgegraben, an dem ihr meine Thesen selbst überprüfen könnt.

Rustam Ubaidullajew
Schachmatnaja Komposizija 2003
Beweispartie in 23 Zügen (16+16)

 

Überlegungen zur Schlagbilanz etwa anhand von Doppelbauern können wir uns hier natürlich sparen, da ja noch alle 32 Klötze auf dem Brett stehen.

Auffällig an der Diagrammstellung ist sicher besonders wTd7, der ja „irgendwie“ über die achte Reihe auf sein Zielfeld gelangt sein muss. Und wie üblich sind das „Züge zählen“ und mögliche Schlussfolgerungen daraus auch hier eine Grundlage zur Lösung.

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Retro der Woche 13/2016

Bei meinen Infos zum März-Heft des Problemist hatte ich Bernd Gräfraths Artikel über Retraktoren von Josef Haas erwähnt. Von ihm möchte ich heute eine andere Aufgabe vorstellen

Josef Haas
Mannheimer Morgen 1975, In memoriam Dr. Karl Fabel
Matt in einem Zug (8+12)

 

Der gewitzte Leser/löser wird sofort sagen: Na klar, 1.Kd2#!; 1.0-0-0 geht nicht, denn dann wäre das Stück ja nebenlösig!

Das stimmt schon, aber das „die Rochade geht nicht“ ist natürlich der eigentliche Kern der Aufgabe: Warum nicht?

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Retro der Woche 12/2016

Im letzten Retro der Woche hatten wir uns den Rundlauf einer Dame angeschaut; er war motiviert dadurch, dass kein anderer Stein ein Tempo verlieren konnte. Dadurch war sie gezwungen, sich auf eine lange und verwickelte Tour zu begeben, bei ihrem Tempoverlust nicht den gegnerischen König zu stören.

Die heutige Aufgabe betrachtet das gleiche Thema quasi von der anderen Seite: Heute ist es ein König, der als einziger weißer Stein in der Lage ist, ein Tempo zu verlieren; sein pendelfreier Rundlauf ist sogar noch länger als der der Dame in der letzten Woche.

Unto Heinonen
The Problemist 1992 (Version)
Beweispartie in 26 Zügen (12+15)

 

Sofort fällt im Diagramm einerseits das Schachgebot gegen den weißen König auf und andererseits der zweite weißfeldrige schwarze Läufer, der also durch Umwandlung entstanden ist.

Bevor wir uns fragen, was uns diese beiden Tatsachen bei der Lösungsfindung helfen, sollten wir versuchen, die offensichtlichen schwarzen Züge zu zählen, dabei zähle ich den Umwandlungsläufer mit bei den Bauern: 4+2+2+4+1+11=24. Also hat Schwarz noch zwei Züge frei?

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Retro der Woche 11/2016

Eine wie ich finde sehr attraktive Rekord-Aufgabe möchte ich euch heute vorstellen. „Rekord und attraktiv – ist das kein Widerspruch?“ mag nun der eine oder die andere fragen.

Nein, mir gefällt dieses Stück nicht nur wegen seines „Rekord-Inhaltes“ sehr gut. Mich würde interessieren, was ihr davon haltet.

Olli Heimo
Suomen Tehtäväniekat 1997
Beweispartie in 18 Zügen (15+15)

 

Alle Bauern sind noch auf dem Brett – Umwandlungen können wir also ausschließen. Bei Weiß fehlt die Dame, bei schwarz der weißfeldrige Läufer. [Dd1] ist offensichtlich auf c6 gestorben, beim [Lc8] ist das nicht ganz so offensichtlich, auch wenn man vielleicht bereits eine Vermutung hat…

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Retro der Woche 10/2016

Einer meiner Lieblings-Autoren klassischer Auflöse-Retros ist Sergej Leonidowitsch Wolobujew: Hier hatte ich bereits in zwei Retros der Woche, nämlich 05/2013 sowie 12/2014, Aufgaben von ihm vorgestellt. Darüber hinaus hatte ich nach meinem Vortrag in Andernach 2011 in feenschach 187 (Juni 2911), S. 109 ff. einige Aufgaben von ihm vorgeführt.

Nach fast zwei Jahren scheint es mir an der Zeit, hier eine weitere Aufgabe von Sergej Wolobujew vorzustellen.

Sergej Wolobujew
Schachmatnaja komposizija 1992, 4. Preis
Ist die Mattstellung legal? (13+11)

 

Betrachten wir zunächst wie üblich die Schlagbilanz: Weiß hat beide schwarzen Läufer zu Hause geschlagen, ferner sieht man die Schläge axXb3 und fxYg3. Das Schach des Lf2 gegen den sK kann ebenfalls nur durch einen Schlagzug (Lg1xZf2+) erfolgt sein – damit sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt.

Schwarz hat [Lf1] zu Hause geschlagen. sBc2 kann nur mittels zweier Schlagfälle auf sein Diagrammfeld gelangt sein. Damit kann er [Ba7] oder [Bc7] sein; können wir das bereits entscheiden?

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Retro der Woche 09/2016

Heute möchte ich auf ein fünfzig Jahre altes Problem von Karl Fabel näher eingehen: Nicht nur, weil es eine Idee zeigt, die später mehrfach aufgegriffen wurde, sondern weil ich an diesem Problem ein historisches Diskussionsthema aufgreifen möchte.

Karl Fabel
Die Schwalbe 1966, 2. Preis
-12 & #1, VRZ Proca ohne VV (2+16)

 

Beim Verteidigungsrückzüger nehmen Weiß und Schwarz bekanntlich abwechselnd (natürlich legal) zurück, wobei Weiß das Ziel verfolgt, die Vorwärtsforderung zu erfüllen, was Schwarz zu verhindern sucht.

Beim Typ Proca entscheidet die zurücknehmende Partei, was sie (legal) entschlagen hat, beim Typ Høeg entscheidet dies die andere Seite. Der Zusatz „ohne VV“ (VV=Vorwärtsverteidigung) bedeutet, dass sich Schwarz nicht selbst durch Mattsetzen des weißen Königs verteidigen darf — genau hierauf werde ich am Ende dieses Beitrags noch zurückkommen.

Doch zunächst zur Lösungsidee: Weiß will seinen König nach g4 zurückholen, um dann mit dem Vorwärtszug 1.f5 Matt zu setzen. Hierfür verwendet er den sTa7 immer wieder, um ihn zum Schachschutz gegen die beiden sL im Südosten zu zwingen, so dass er Richtung g4 marschieren kann.

Weiß kann dabei nicht entschlagen, da alle 16 schwarzen Steine an Bord sind — und Schwarz kann z.B. mit dem Turm nicht irgendeinen störenden weißen Stein entschlagen, da alle 14 fehlenden weißen Steine durch schwarze Bauernschläge erklärt sind.

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