Retro der Woche 02/2020

Nachdem wir in der letzten Woche das neue Jahr in dieser Rubrik mit einem „Blick zurück“ um 90 Jahre begonnen hatten, möchte ich mit euch heute 20 Jahre zurückblicken – das passt ja gut zu „2020“…

Und da dieses Stück auch noch 2.0 Lösungen hat, passt es gar doppelt gut!

Michel Caillaud
Probleemblad 2000, 1. Preis, Joost de Heer gewidmet
Beweispartie in 16 Zügen, 2 Lösungen (14+13)

 

Bei Weiß sind nur zwei Züge sichtbar, 14 sind also noch frei. Bei Schwarz schaut das aus Lösersicht schon besser aus: Wir sehen 1+1+3+1+3+5=14 – also sind noch genau die Hälfte der erforderlichen Züge noch frei.

Aber wir können aus Der Stellung noch eine Menge an Schlüssen ziehen, sodass es gar nicht so schwer wird zu lösen.

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Retro der Woche 01/2020

Zum Jahresanfang passt gut eine Aufgabe, die vor 90 Jahren in der Schwalbe veröffentlicht wurde und das Motto „Prost Neujahr!“ trug –- auch wenn die Aufgabe erst im Maiheft 1930 erschien…

Wir hatten uns vor drei Wochen schon eine Aufgabe von Julio Sunyer angesehen, und auch heute werden wir uns wieder mit einem klassischen Retro beschäftigen.

Julio Sunyer
Die Schwalbe 1930 – Prost Neujahr!
Schwarz zieht und macht remis (14+11)

 

Eine tolle Remis-Kombination des Schwarzen erscheint bei der materiellen Übermacht des Weißen kaum möglich, und wir sind hier ja auch nicht in einem Studien-, sondern einem Retro-Blog 😊

Also fällt uns vielleicht schnell die 50-Züge-Regel ein?! Im Problemschach ist eine Stellung, in der in den letzten 50 Zügen kein Bauernzug und kein Schlag vorkam, automatisch remis. Wenn wir also zeigen können, dass der letzte Schlag oder Bauernzug durch Schwarz vor 50 Zügen erfolgte, so müssen wir nur noch einen nichtschlagenden Nichtbauernzug suchen und den spielen – remis! Das kann nur Kd1-e1 sein.

Damit haben wir schon den eigentlichen Lösungszug gefunden, aber der ist natürlich uninteressant; spannend ist, die Stellung vor 50 Zügen zu finden und zu zeigen, dass sie sich dann legal auflösen, also auf die Partieanfangsstellung zurückführen lassen kann.

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Retro der Woche 52/2019

Im Retro der Woche 36/2019 hatte ich vom Murfatlar-Turniers anlässlich des diesjährigen WCCC in Vilnius berichtet: Dort waren Beweispartien mit der Bedingung „Duellantenschach“ gefordert. Ich hatte dort den ersten Preis hier vorgestellt, doch der wurde leider anschließend gekocht.

Nun möchte ich auf den zweiten Preis des modifizierten Preisberichts (dessen URL hat sich übrigens seit dem Retro der Woche 36/2019 geändert!) eingehen, der mir sehr interessant erscheint, weil er nämlich eine sehr typische Duellantenschach-Strategie thematisiert.

Michel Caillaud
Murfatlar Turnier 2019, 2. Preis
Beweispartie in 23 Zügen, Duellantenschach (15+14)

 

Noch einmal die Definition der Bedingung, entnommen dem Schwalbe-Lexikon: „Der einmal gewählte Stein des Startzuges einer Partei muss auch alle folgenden Züge seiner Partei bestreiten. Ist dies nicht mehr möglich, bringt ein neuer Startzug einen neuen Duellanten ins Spiel. Die Schachwirkung aller Steine bleibt normal erhalten.“ Alle Züge sind also auch unter den orthodoxen Schachregeln legal.

Während es in der Anfang September vorgestellten Aufgabe einige Schlagfälle gab, die, wenn der gerade aktive Duellant geschlagen wird, natürlich für eine ziemlich banale Art der Ablösung sorgen, geht es heute deutlich „strategischer“ zu.

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Retro der Woche 51/2019

Zurzeit beschäftige ich mich unter anderem mit dem Retro-Preisbericht des Probleemblad 2017 und 2018. Daraus möchte ich euch heute ein Stück zeigen, ohne dass ihr daraus Rückschlüsse auf eine mögliche Platzierung im Preisbericht ziehen könnt: Selbst wenn ich es wollte, könnte ich das selbst noch nicht!

Roberto Osorio & Jorge Lois
Probleemblad 1/2018
Beweispartie in 17 Zügen, 2 Lösungen (13+15)

 

Das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge ist schnell beendet, das der weißen ist deutlich interessanter: 3+1+3+3+2+5=17 – alle weißen Züge sind im Diagramm sichtbar. Damit ist auch weiter klar, dass die fehlenden weißen Steine ([Sg1] sowie zwei Bauern zwischen c und f) zuhause geschlagen wurden.

Spannend ist hier auch eine Untersuchung der letzten Züge: Was kann Schwarz zuletzt gezogen haben?

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Retro der Woche 50/2019

Der Spanier Julio Sunyer (11. April 1888 – 27. November 1957) ist zwar nicht durch zahlenmäßig viele, aber durch hervorragende Retros bekannt geworden; seit den 1920er Jahren hat er großartige Retros veröffentlicht: hoch komplexe, aber auch sehr elegante. Wer kennt nicht seine Aufgabe aus The Chess Amateur 1923, wKh5, sKe8, -1(w+s), dann h#1? Nee, die Lösung schreibe ich nicht hin…

Julio Sunyer
Fairy Chess Review 1937
Matt in 2 Zügen (12+10)

 

Wie zur damaligen Zeit noch immer recht üblich versteckt sich die eigentliche Retro-Fragestellung hinter einer scheinbar rein orthodoxen Fragestellung, hier nach dem Matt in zwei Zügen. Aber allein schon die Quelle verrät ja, dass dem offensichtlich nicht so ist…

Nach dem ziemlich nahe liegenden 1.Dxa4 kann sich Schwarz mit 0-0 verteidigen – so denn die Rochade zulässig ist?! Und das ist natürlich die eigentliche Fragestellung dieser Aufgabe.

Gehen wir das Stück also wie bei Retros üblich mit einer Analyse der Schlagfälle an:

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Retro der Woche 49/2019

Im Probleemblad-Preisbericht für die Jahre 2009 und 2010 konnte Richter Ulrich Ring eine Menge hervorragender Aufgaben auszeichnen. Die ersten drei Preise könnt ihr schon länger hier bewundern (1. Preis, 2. Preis und 3. Preis). Sie alle zeigen bemerkenswertes Umwandlungsspiel.

Unsere heutige Aufgabe aus diesem hochklassigen Turnier kommt, so viel will ich schon verraten, komplett ohne Umwandlungen aus, was man allerdings auch schnell aus dem Diagramm erkennen kann.

Roberto Osorio, Jorge Lois & Rustam Ubajdullajew
Probleemblad 2009-2010, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 19,5 Zügen (14+14)

 

Bei Weiß sehen wir nur vier (!) von zwanzig Zügen – üblicherweise würde man hier auf mehrere weiße Umwandlungen tippen, aber es sind noch alle acht weißen Bauern an Bord; Weiß muss also „nur“ seine fehlenden Steine, die Dame und einen Springer, loswerden und gleichzeitig die beiden fehlenden schwarzen Steine (Dame und ein Bauer) „entsorgen“.

Bei Schwarz erkennen wir 4+0+5+3+4+2=18 Züge – es ist also nur ein schwarzer Zug frei, der für das Loswerden eines der fehlenden schwarzen Steine (oder das Wegschlagen eines weißen abseits der sichtbaren Zugbahnen) genutzt werden kann.

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Retro der Woche 48/2019

Nicht sofort auf den ersten Blick sieht man, dass wir uns heute wieder mit einer Aufgabe beschäftigen, in der Umwandlungen eine große Rolle spielen – ohne allerdings hier dominante Bedeutung zu haben: Tempospiel (besser gesagt: Unmöglicher Tempogewinn oder Tempoverlust) ist hier der Haupt-Inhalt.

André Hazebrouck
Schachmati w SSSR 1978, 1. Preis
#1 (wer?) (12+11)

 

Wir sehen sofort vier Bauernschläge des Weißen (e2xd3xc4xb5 sowie f2xe3); bei Schwarz kommen wir mit zwei Bauernschlägen aus: a7xb6xc5, da ein Schlag nach c4 nicht möglich ist: Wie sollten sonst sBc4 und wBb5 aneinander vorbeigekommen sein?

Das müssen wir uns noch genauer anschauen, denn „irgendwie“ müssen ja auch die fehlenden fünf Bauern, die allesamt vom Königsflügel stammen, verschwunden sein…

Aber zuvor wollen wir uns anschauen, wie der gewaltige Knoten im Westen überhaupt aufgelöst werden kann?!

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Retro der Woche 47/2019

In den letzten Wochen hatten wir uns hier intensiv mit dem Pronkin-Thema beschäftigt, und auch heute möchte ich euch eine komplexe Beweispartie vorstellen, in der Umwandlungen eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen.

Thierry Le Gleuher
Probleemblad 2001, 1. Preis
Beweispartie in 34,5 Zügen (14+10)

 

Das sieht man sofort beim Blick auf das Diagramm schon: Jede Menge weiße Umwandlungssteine! Wenn ihr genau hinschaut, seht ihr schnell, dass das Diagramm eine weiße Allumwandlung zeigt. Ein Thema haben wir also schon erkannt…

Diese Erkenntnis hilft uns jedoch schon signifikant beim Zählen der erfolgten weißen Züge: 20 Bauernzüge sind schon klar. Nehmen wir die drei weißen Steine auf der achten Reihe als Umwandlungssteine an, so sehen wir 2+2+5+4+1+1=15 –- zusammen mit den 20 Bauernzügen für die Umwandlungen sind damit alle weißen Züge erklärt. Natürlich könnte man einen Turmzug einsparen, wenn wTc1 der [Ta1] wäre – das aber würde zwei Züge des [Sb1] erfordern, und das wäre ein Zug zu viel.

Nun schauen wir uns die Schlagbilanzen an:

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