Argentinisches Schach

Bohrte man von Peking aus ein Loch mitten durch die Erde, käme man in der Nähe von Buenos Aires in Argentinien wieder heraus. Dies ist der Grund für den Namen Argentinisches Schach, das Manfred Rittirsch dieses Jahr in Andernach vorgestellt hat: Es ist quasi die Antiform des Chinesischen Schachs.

Beim Argentinischen Schach läuft es also anders herum: Hier zieht eine argentinische Dame, wenn sie nicht schlägt, wie ein Lion, also wie ein Grashüpfer, nur beliebig weit hinter den Sprungstein; argentinischer Turm und Läufer entsprechend. Schlagend ziehen sie wie die orthodoxen entsprechenden Steine.

Eigene Namen haben die Steine auch:

  • Argentinische Dame: Senora (SE)
  • Argentinischer Turm: Faro (FA)
  • Argentinischer Läufer: Loco (LO)
  • Argentinischer Springer: Saltador (SA)

Letzteren müssen wir noch erklären: Der schlägt (nicht wie ein normaler Springer, sondern … [Korrektur 7.5.2016]) wie eine Kombinationsfigur aus Mao und Moa und zieht wie eine Kombinationsfigur aus Maohüpfer und Moahüpfer; ein SAg1 kann also nur schlagfrei nach f3 ziehen, wenn auf f2 oder auf e2 ein Stein steht.

(Informationen und Definitionen zu quasi allen Märchenbedingungen und -Steinen findet ihr im Schwalbe-Märchenschachlexikon.)

Mit argentinischen Schach kann man natürlich auch Retros bauen – Manfred hat bei der Präsentation der neuen Bedingung bereits eine Beweispartie vorgestellt, die ein argentinisch-eigenes Thema zeigt (die “argentinischen Steine” sind im Diagramm nach rechts gekippt dargestellt):

Manfred Rittirsch
Andernach 2016
Beweispartie in 8 Zügen, Argentinisches Schach (13+16)

 

1.e4 FAa4 2.LOe3 FAxe4 3.FAa4 FAh4 4.SAa3 FAd4 5.FAh4 FAxh4 6.LOc5 FAh8 7.h4 FAxa4 8.SAh3 FAa8 mit Platzwechsel der beiden schwarzen Faros bei schwarzer Home Base.

Es macht sicher Spaß, sich mit dieser neuen Bedingung zu beschäftigen, die nun in Andernach „natürlich“ Gegenstand eines Kompositionsturniers ist. Und selbstverständlich können die argentinischen Steine auch “einzeln” als Märchenfiguren genutzt werden, ohne dass sofort alle Steine argentinisch werden. Aber das ist ja z.B. mit den chinesischen Steinen nicht anders.

Nachtrag 11./12.05.2016:
Manfred teilte mir mit, dass Thomas Maeder eine Nebenlösung gefunden hat, nämlich 1.e4 FAa4 2.LOe3 FAxe4 3.FAh4 FAxh4 4.FAa4 SEd4!5.LOc5 SEb6 6.SAa3 FAxa4 7.h4 FAa8 8.SAh3 SEd8. Manfred arbeitet an einer Korrektur, die ich dann sicher hier veröffentlichen werde.

Retro der Woche 14/2016

Die Beweispartien des Russen Rustam Ubaidullajew zeigen immer sehr originellen Inhalt fern jeglicher Schablone. Mir persönlich erscheinen sie auch (deswegen??) meist schwer zu lösen.

Heute habe ich ein schon etwas älteres Stück von ihm ausgegraben, an dem ihr meine Thesen selbst überprüfen könnt.

Rustam Ubaidullajew
Schachmatnaja Komposizija 2003
Beweispartie in 23 Zügen (16+16)

 

Überlegungen zur Schlagbilanz etwa anhand von Doppelbauern können wir uns hier natürlich sparen, da ja noch alle 32 Klötze auf dem Brett stehen.

Auffällig an der Diagrammstellung ist sicher besonders wTd7, der ja „irgendwie“ über die achte Reihe auf sein Zielfeld gelangt sein muss. Und wie üblich sind das „Züge zählen“ und mögliche Schlussfolgerungen daraus auch hier eine Grundlage zur Lösung.

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Retro der Woche 48/2015

Heute möchte ich etwa 25 Jahre zurück gehen und eine Aufgabe vorstellen, die mir als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte, sofort sehr gut gefallen hatte. Ich könnte mir vorstellen, dass es euch ähnlich geht.

Im heutigen Diagramm scheint ein wenig schwarze Farbe zu fehlen — da müssen wir also selbst nachhelfen und zunächst 15 oder 16 Steine (es fehlt a insgesamt nur ein Klotz) schwarz färben, um dann in der „korrigierten“ Stellung die Beweispartie zu lösen.

Andrej Frolkin
The Problemist 1989, 3. Preis (1998-1990)
Färbe für eine Beweispartie in 17,5 Zügen (31+0)

 

Schauen wir uns die Bauernstruktur an, so sehen wir nur auf der e-Linie drei Bauern und auf der f-Linie einen. Damit ist klar, dass die fehlende Dame mittels fxe geschlagen wurde, dass Bf2 von anderer Farbe als der Schläger sein muss.

Wir haben also ganz sicher auf der e-Linie entweder zwei weiße Bauern — dann ist Bf2 schwarz — oder zwei schwarze Bauern, und dann ist Bf2 weiß. Nun betrachten wir die beiden Alternativen genauer.

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Retro der Woche 46/2015

Heute möchte ich mit euch zurück in die „Jungsteinzeit“ der Beweispartien — in eine Zeit, als sich die Beweispartien als eigenständige Retro-Form etablierten, als man nämlich entdeckte, welche Reize in deren Eindeutigkeit stecken konnten.

Schauen wir uns die heutige Aufgabe also einmal genauer an.

Nikita Plaksin & Michel Caillaud
feenschach 1982, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 25,5 Zügen (12+13)

 

Betrachtet man die Stellung ein wenig genauer, merkt man sofort, dass sTa2 ein Umwandlungsstein ist, denn über die erste Reihe konnte er wegen [Lc1] niemals nach a2 gelangt sein. Wegen des schwarzen Doppelbauern auf der a-Linie muss sich also [Bd7] auf a1 umgewandelt und dazu auf a2 [Ta1] geschlagen haben — und damit sind auch alle schwarzen Schlagfälle erklärt.

Bei Weiß fehlen neben [Ta1] noch [Bf2], [Bg2] und [Bh2], die allesamt nicht direkt geschlagen worden sein können; sie müssen sich also alle drei umgewandelt haben. Neben exXd3 stehen Weiß noch zwei Schläge zur Verfügung, und damit ist klar, dass sich die drei Bauern alle auf g8 umgewandelt haben.

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10. WCCT

Die Ausschreibung zum 10. WCCT (World Chess Composition Tournament) ist nun veröffentlicht.

Wie ihr sicherlich wisst, ist dies kein Einzel- sondern ein Mannschafts-Kompositionsturnier, und jetzt endlich auch mit einer Retro-Abteilung. Dort sind orthodoxe Beweispartien mit Platzwechseln verlangt.

Sobald die organisatorischen Fragen in Deutschland über die Schwalbe geklärt sind, werde ich auch hierüber berichten — ihr könnt ja schon anfangen zu komponieren…

Gligor Denkovski (20.08.1946 – 15.01.2015)

Im Altern von 68 Jahren ist am vergangenen Donnerstag Gligor Denkovski in Skopje verstorben. Er war ein vielseitiger Komponist, der sich aber auf Hilfsmatts und Beweispartien konzentriert hatte und viele Aufgaben gemeinsam mit seinem Sohn Ivan komponiert hat.

Eine seiner Beweispartien möchte ich hier vorstellen:

Gligor Denkovski
Thema Danicum 2003, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 18 Zügen (15+14)

 

Die entscheidende Frage ist, wie die beiden fehlenden Läufer geschlagen wurden? 1.Sc3 d5 2.Sxd5 Lf5 3.Sc3 Dd3 4.Sb1 Sd7 5.c3 Dc2 6.h4 Dxc1 7.h5 Dc2 8.h6 Dd3 9.Da4 OOO 10.Kd1 Sdf6 11.De8 Kb8 12.Dxf8 Tc8 13.De8 Dd8 14.Da4 Se8 15.Kc1 Sgf6 16.Dd1 Tf8 17.De1 Sg8 18.Kd1 f6. Sehr originelles Spiel mit einer tollen Eröffnung, wie ich finde. Mit dem Platzwechsel von Dame und König hat Gligor Denkovski sich mehrfach beschäftigt.

Retro der Woche 02/2015

Kuriose Zufälle gibt es manchmal…

Das folgende Stück von Gerd Wilts wurde im Phénix Turnier 2004 mit dem vierten Preis ausgezeichnet, und das wollen wir uns genauer anschauen.

Gerd Wilts
Phénix 2004, 4. Preis
Beweispartie in 18,5 Zügen (14+14)

 

Zählen wir die weißen Züge, so stellen wir fest, dass alle im Diagramm verbraucht sind: 2+1+4+4+4+4=19. Daraus ergibt sich auch, dass Weiß rochiert haben muss, denn ansonsten benötigte der weiße König drei Züge bis b1. Ferner ist klar, dass die drei Zentralbauern des Weißen jeweils einen Doppelschritt gemacht haben müssen. Sie also können nicht trickreich die beiden fehlenden schwarzen Bauern geschlagen haben.

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Retro der Woche 42/2014

Auf der Schwalbe-Tagung in Dresden hat Silvio Baier einen Vortrag über das Lois-Thema („Platzwechsel und zurück“) in Beweispartien gehalten. Leider konnte ich den Vortrag nicht mehr vor Ort mitverfolgen, da ich mich wieder auf den Heimweg ins Rheinland machen musste: Meine Befürchtung, dass nach dem langen Feiertags-Wochenende sich die Fahrt recht Stau-intensiv gestalten würde, war leider nicht ganz unbegründet.

Jedoch hat Silvio mir die Aufgaben dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt, und die in seinem Vortrag dritte Aufgabe möchte ich heute vorstellen; auf eine andere dieses Vortrages werde ich später noch zurückkommen.

Michel Caillaud & Joachim Iglesias
J. Lois 60, Turnier 2007, 3. Preis
Beweispartie in 16 Zügen (16+13)

 

Betrachten wir die fehlenden Steine, so sehen wir, dass bei Schwarz zwei Bauern und der weißfeldrige Läufer fehlen. Der muss auf h3 geschlagen worden sein. Der fehlende [sBe7] muss auf der e-Linie geschlagen worden sein, der [sBg7] muss sich auf g1 umgewandelt haben, um dann entweder selbst auf c3 geschlagen zu werden oder den dort geschlagenen schwarzen Stein zu ersetzen.

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