Retro der Woche 25/2016

Ein allgemeiner Tipp gefällig? Wenn ihr eine Aufgabe von Rustam Ubaidullajew findet, solltet ihr sie euch anschauen! Sehr viele existieren nicht von ihm: Die PDB enthält 69 Aufgaben von ihm, ausschließlich Beweispartien.

Er zeigt nicht immer unbedingt hochmoderne Inhalte, aber all seine Aufgaben haben, finde ich, das „gewisse Extra“, zeigen stets originelle, ungewöhnliche Thematik — so auch das Stück, das ich für heute ausgewählt habe.

Rustam Ubaidullajew
Phénix 2008, 3. Preis, Michel Caillaud gewidmet
Beweispartie in 20 Zügen (12+12)

 

Natürlich fällt im Diagramm sofort der weiße König auf dem Standfeld seines Kollegen auf: Damit sind schon sieben Züge des Weißen sichtbar. Darüber hinaus sehen wir, dass [Dd1] zwei Züge brauchte, um nach a3 zu gelangen.

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Retro der Woche 09/2016

Heute möchte ich auf ein fünfzig Jahre altes Problem von Karl Fabel näher eingehen: Nicht nur, weil es eine Idee zeigt, die später mehrfach aufgegriffen wurde, sondern weil ich an diesem Problem ein historisches Diskussionsthema aufgreifen möchte.

Karl Fabel
Die Schwalbe 1966, 2. Preis
-12 & #1, VRZ Proca ohne VV (2+16)

 

Beim Verteidigungsrückzüger nehmen Weiß und Schwarz bekanntlich abwechselnd (natürlich legal) zurück, wobei Weiß das Ziel verfolgt, die Vorwärtsforderung zu erfüllen, was Schwarz zu verhindern sucht.

Beim Typ Proca entscheidet die zurücknehmende Partei, was sie (legal) entschlagen hat, beim Typ Høeg entscheidet dies die andere Seite. Der Zusatz „ohne VV“ (VV=Vorwärtsverteidigung) bedeutet, dass sich Schwarz nicht selbst durch Mattsetzen des weißen Königs verteidigen darf — genau hierauf werde ich am Ende dieses Beitrags noch zurückkommen.

Doch zunächst zur Lösungsidee: Weiß will seinen König nach g4 zurückholen, um dann mit dem Vorwärtszug 1.f5 Matt zu setzen. Hierfür verwendet er den sTa7 immer wieder, um ihn zum Schachschutz gegen die beiden sL im Südosten zu zwingen, so dass er Richtung g4 marschieren kann.

Weiß kann dabei nicht entschlagen, da alle 16 schwarzen Steine an Bord sind — und Schwarz kann z.B. mit dem Turm nicht irgendeinen störenden weißen Stein entschlagen, da alle 14 fehlenden weißen Steine durch schwarze Bauernschläge erklärt sind.

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Retro der Woche 6/2016

Korrektur 14.3.22: Geburtsjahr von Ivan

Recht ungewöhnlich ist es, wenn Vater und Sohn gemeinsam komponieren. Die Makedonier Gligor (*20.8.1946, † 15.01.2015, siehe Retro der Woche 35/2015) und Ivan (*22.3.1973) Denkovski haben gemeinsam nicht nur Retros, sondern auch Hilfsmatts gebaut.

Eine ihrer gemeinsamen Beweispartien habe ich für heute herausgesucht.

Gligor & Ivan Denkovski
Die Schwalbe 2009, 4. ehr. Erw.
Beweispartie in 25,5 Zügen (15+16)

 

Kann man anhand der Diagrammstellung schon thematische Inhalte der Aufgabe erkennen? Hier geht das: Betrachten wir, welcher weiße Stein fehlt ([Bg2], so kann der nicht direkt geschlagen worden sein. Schwarz verfügt zwar über einen Doppelbauern, aber auf der h-Linie kann [Bg2] nicht verschwunden sein, da Schwarz noch „alle Mann an Bord hat“, Weiß also nicht schlagen konnte. Also muss [Bg2] auf g8 umgewandelt haben.

Dass [Sg8] gezogen haben muss, ist allerdings schon durch die Stellung der schwarzen Türme klar. Aber können wir bereits entscheiden, ob es sich bei der Umwandlung um einen „Ceriani-Frolkin“ oder einen „Phoenix“ gehandelt hat? Auch das können wir:

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Retro der Woche 01/2016

Vielleicht habt ihr in den letzten freien Tagen auch einmal tun und lassen können, was ihr wolltet — und euch dann am Ende des Tages gefragt, wo die Zeit denn geblieben sei? So ungefähr könnte es dem Weißen in der heutigen Beweispartie auch gegangen sein, wenn er in der Schlussstellung überlegt, was er eigentlich die ganz Zeit gemacht hat?!

Rustam Ubaidullajew & Igor Wereschtschagin
The Problemist 2005-2006, 4. Preis
Beweispartie in 20.5 Zügen (13+14)

 

Bei Weiß fehlen ein Bauer und die beiden Springer, bei Schwarz zwei Bauern. Nur zwei weiße Züge können wir im Diagramm sehen, und die schwarzen wollen wir fix zählen und dann auch einige Überlegungen zur Reihenfolge der Züge anstellen.

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Retro der Woche 50/2015

Heute möchte ich euch den ersten Preis des The Problemist Retro-Turniers 1989-1990 zeigen; den dritten und zweiten Preis kennt ihr ja schon aus den letzten beiden Beiträgen dieser Rubrik.

Heute sehen wir eine der seltenen Beweispartien mit mehr als einer Lösung. Ein Grund für die Seltenheit ist sicher die schwierige Konstruktion: Kann man bei einem Hilfsmatt, einer direkten Aufgabe meist noch zur Not irgendeinen „Cookstopper“ aufstellen, ist dies bei Retros ungleich schwerer, da ja für jeden einzelnen Stein Rechenschaft abgelegt werden muss — ein Grund, weshalb Wolfgang Dittmann beispielsweise in Zweifel zog, dass es in Retros (sieht man von einigen Hilfsrückzügern der Art „Weiß nimmt einen Zug zurück, dann matt in zwei Zügen“ ab) überhaupt Nachtwächter geben könne.

Peter Wong
The Problemist 1990, 1. Preis (1998-1990)
Beweispartie in 17 Zügen, zwei Lösungen (13+14)

 

Bei Weiß fehlen, um mit der Inventur zu beginnen, [Dd1], [Bh2] sowie ein weiterer Bauer (das muss nicht unbedingt [Bc2] gewesen sein, da der auch geschlagen haben könnte). Bei Schwarz fehlen [Dd8] sowie ein Turm. Nur ein einziger fehlender weißer Stein ist durch die Bauernstruktur erklärt.

Zählen wir nun die sichtbaren Züge bei Weiß: 4+0+2+3+3+2=14; bei Schwarz: 2+0+2+2+2+5=13. Aber für das Zählen sollte man auch bei den vielen Königszügen mögliche Rochaden im Auge behalten.

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Glückwunsch!

Herzliche Glückwünsche gehen nach Mülheim an der Ruhr zu Bernd Gräfrath, der heute Geburtstag feiert: Alles Gute für dein neues Lebensjahr und einen schönen Feier-Tag wünsche ich dir im Namen aller Blog-Leser!

Bernd ist ja nicht nur Vorsitzender der Schwalbe, sondern gerade im Retro-Bereich sehr aktiv: Preisrichter, Komponist, Blog-Kommentator, Präsentator der Selected Retros and Proof Games im Problemist — und noch eine ganze Menge mehr.

Aus dem Problemist habe ich eine hübsche Aufgabe von Bernd ausgesucht:

Bernd Gräfrath
The Problemist 2010
Beweispartie in 16 Zügen (16+11)

 

Ok, da muss Weiß ja nur den [Lf8] herausoperieren, und schon kann Schwarz rochieren und dann das überflüssige Holz sicher noch elegant loswerden?!

Das versucht einmal — und dann werdet ihr feststellen, dass es natürlich ganz anders geht:

1.f4 b6 2.f5 La6 3.f6 Ld3 4.exd3 Sa6 5.Dh5 Db8 6.Dxh7 Kd8 7.Dxg8 Kc8 8.Dxf8+ Kb7 9.Dxb8+ Kc6 10.Db7+ Kd6 11.De4 Thf8 12.Dd4+ Ke6 13.Ke2 Kf5 14.g4+ Kg6 15.Lg2 Kh7 16.Le4+ Kg8.

Lustig!

Retro der Woche 41/2015

Nach meinen Glückwünschen zu seinem Geburtstag erhielt ich eine sehr freundliche und persönliche Mail von Erich Bartel, in der er sich unter anderem sinngemäß als blutigen Retro-Laien bezeichnete.

Das hat mich natürlich gereizt und mich veranlasst, doch mal genauer nach seinen Retros zu schauen.

Viele seiner Retros sind kleine, pointierte Hilfsrückzüger, aber dann stolperte ich über eine Aufgabe von ihm, die ich heute vorführen möchte, die so gar nicht nach blutigem Laien ausschaut.

Erich Bartel
Die Schwalbe 1968
#1 vor 8 Zügen, VRZ Proca (6+15)

 

Im Verteidigungsrückzüger nehmen bekanntlich beide Seiten legale Züge zurück; Weiß versucht dabei, eine Stellung zu erreichen, in der er die Vorwärtsforderung (hier also Matt in einem Zug) erreichen kann; Schwarz versucht das zu verhindern. Beim Typ Proca entscheidet die zurücknehmende Partei, ob und ggf. was sie mit der Zugrücknahme entschlagen hat.

Nehmen wir zunächst eine Inventur der Stellung vor:

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Für zwischendurch

Folgende Kleinigkeit ist mir vor ein paar Tagen über den Weg gelaufen; ich finde, die ist ideal für die Frühstücks- oder Mittagspause! Außerdem passt sie gut zum morgigen französichen Nationalfeiertag.

Alexandre Leroux
Retro Championnat de France, RIFACE 2015
Ergänze zu einer Beweispartie in 7 Zügen (2+1)

 

Im ersten Moment verblüffend, dass das eindeutig gehen soll? Dann wird aber schnell klar, dass unbedingt 3.– Xxd2 4.Kxd2 geschehen musste. Nun fragt sich nur, was ist X, woher kam X und warum gehen nicht andere Schläge auf d2? Verblüffende Eindeutigkeit!

Viel Spaß beim Knobeln, und viellleicht zeigt ihr das Stück ja auch euren Schachfreunden, die sonst mit Retro nicht so viel am Hut haben? Nein, die Lösung verrate ich hier nicht…