Retractor 2.0

Im Jahr 1998 hatten Theodore Hwa und Chad Whipkey von der Stanford Universität das Windows-Programm “Retractor” entwickelt, das in der Lage war, orthodoxe Auflöse-Retros und Last-Mover zu testen — nicht, wie man Hilfsmatts vollständig testet, sondern in einem sehr weiten Bereich von “Wissen” über (il)legale Stellungen, ohne dass es ein 100%iger Computertest sein kann.

Ein sehr wertvolles Programm, das nur leider nicht mehr unter den heutigen Windows-Versionen lauffähig ist. Nun hat es Theodore Hwa als Browser-Anwendung bei zunächst leichter funktionaler Erweiterung — mehr ist geplant — als Retractor 2.0 mit (natürlich englischer) Dokumentation veröffentlicht; ich kann es nach kurzen Spielen damit (das letzte Zwischendurch-Retro war in geschätzt einer Sekunde gelöst / bestätigt) euch nur herzlich empfehlen!

Letzte fünf Züge?

Heute möchte ich euch einladen, euch “zwischendurch” ein nicht allzu schweres Retrostück anzuschauen mit der klassischen Forderung “Welches waren die letzten n Züge?” Hier gibt es eine inhaltliche Besonderheit, die vom Finnen Matti Myllyniemi wohl hier erstmals dargestellt worden ist.

Matti Myllyniemi
Suomen Tehtäväniekat 1955, Thematurnier 1. Preis
Welches waren die letzten 5 Einzelzüge? (6+7)

 

 

Sicher habt ihr den Inhalt entdeckt?! Und die Lösung gibt es hier wie immer in einer Woche.

Lösung

R: 1.bxc3ep+ c2-c4 2.Ke6xSd6 exf6ep+ 3.f7-f5, und davor Sf5(x)e6+

Diese Aufgabe mit weißen und schwarzen ep-Schlag schaffte es bis ins FIDE-Album 1945-1955 (Nr. 1363)!

Sergej Wolobujew

Eine Nachricht, die mich sehr traurig gemacht hat, erhielt ich eben von Andrej Frolkin: Bereits am 4. August 2020 ist der russische Retro-Autor Sergej Leonidowitsch Wolobujew (*18. November 1958) verstorben.

Schon mit seinem Erstling gewann er 1982 in der renommierten Zeitschrift Schachmati w SSSR das Retro-Informal-Turnier, auf sehr hohem Niveau komponierte er vor allen in den 1980er Jahren überwiegend klassische Retros, ehe er sich Mitte der 1990er Jahre aus gesundheitlichen Gründen vom Komponieren verabschieden musste.

Ich bin ein großer Fan der Aufgaben von Sergej; vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an meinen Andernach-Vortrag 2011, wo ich einige seiner Aufgaben vorgestellt hatte. Der Vortrag erschien dann in erweiterter Fassung in feenschach 187 (Juli 2011), S. 109–113.

Auch hier im Blog hab ich mehrfach Aufgaben von ihm vorgestellt, ebenso vom Turnier zu seinem 60. Geburtstag berichtet. Ich kann euch nur empfehlen, zu seinem Gedenken noch einmal den feenschach-Artikel zu lesen, hier in der Blog-Suche einfach seinen Nachnamen einzugeben — oder nach ihm in der PDB zu schauen. Ich kann euch versichern, es ist ein Genuss, seine Aufgaben zu studieren.

Retro der Woche 14/2021

Beim Andernach-Treffen 2008 hatten Hans Gruber, Ulrich Ring und ich vereinbart, uns als „Richter-Kollektiv“ anzubieten, um noch ausstehende Preisberichte zu erstellen — nicht nur für Die Schwalbe, sondern auch für andere Zeitungen.

Für das Jahr 2005 war in der Schwalbe kein Retro-Preisrichter benannt worden, sodass wir Anfang 2010 diese Aufgabe übernahmen; in Andernach haben wir nach vorheriger Diskussion per Mail die Schluss-Abstimmung vorgenommen.

Heute möchte ich aus diesem qualitativ hervorragenden Turnier den ersten Preis vorstellen; die Aufgabe gehörte zu den sechs, die Reto Aschwanden zum WCCI 2004—2006 einreichte, bei dem er den Weltmeistertitel im Komponieren von Retros gewann.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2005, 1. Preis
Beweispartie in 20 Zügen (14+11)

 

Bei Schwarz sind nur zwei Züge des Königs sichtbar, ansonsten scheint es so, als müsse sich Schwarz „nur“ um das Schlagenlassen seiner fünf fehlenden Steine (beide Läufer, drei Bauern) kümmern.

Bei Weiß hingegen sind im Diagramm alle 20 erforderlichen Züge sichtbar, bis auf wenige Ausnahmen (Bg6, Sh2) sind auch die „Zugwege“ aller weißen Steine erkennbar.

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Retro der Woche 13/2021

Im letzten Retro der Woche hatte ich den ersten Preis der Beweispartie-Abteilung des letztjährigen Champagne-Turniers vorgestellt; gefordert war das Thema: Ein Original-Offizier (also nicht umgewandelt) wird von einem anderen Offizier geschlagen, der geschlagene hat mindestens einmal gezogen und selbst nicht geschlagen. Zum Zeitpunkt des Schlags gibt das Schlagopfer kein Schach, ist auch nicht gefesselt.

Die „sonstige“ Abteilung war mit nur sechs eingereichten Aufgaben deutlich dünner besetzt als die der Beweispartien. Den Preis vergab Richter Michel Caillaud an einen ziemlich vogelwilden Verteidigungsrückzüger (Frankfurter Schach, weiße disparate Steine, weißer Längstzüger); ich bespreche hier lieber die erste ehrende Erwähnung:

Andrej Frolkin
Champagne-Turnier 2020, 1. ehrende Erwähnung Gruppe B
a) letzte drei Schläge? B) minimale Zuganzahl seit dem letzten Bauernzug? (15+10)

 

Wir sehen schnell, dass bei Weiß nur ein Stein fehlt, der durch cxb des nun auf b2 stehenden schwarzen Bauern geschlagen wurde. Ferner erkennen wir, dass Schwarz direkt vor dem Retropatt steht, denn die einzig „optisch mögliche“ Rücknahme b7-b6 verbietet sich, da der Zug [Lc8] aussperren würde.

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Mark Bassistyj

Wie ich von Andrej Frolkin erfahren habe, ist der ukrainische Problemist Mark Boryssowytsch Bassistyj (Марк Борисович Басістий, 31.8.1957—21.3.2021) am letzten Sonntag verstorben; Andrej und Mark kannten sich seit genau 40 Jahren.

Mir ist er zuletzt im Zusammenhang mit meiner Problemschachlexikon-Bibliographie besonders als Organisator und Herausgeber von Wörterbuch der Problemschach-Begriffe. Verlag Книга (Bücher), Kiew 2004 (Сло-варь терминов шахматной композиции (Составитель Басистый М.Б.) Киев, издательство “Книга”) mit 820 Diagrammen auf 624 Seiten aufgefallen. Zu den verschiedenen Problemarten gibt es einzelne Kapitel, in denen deren spezifischen Begriffe erläutert werden; der Retro-Teil stammt von Andrej Frolkin.

Mark war FIDE-Meister der Schachkomposition mit 15,49 Album-Punkten, sein Haupt-Kompositionsgebiet war der Zweizüger, aber gelegentlich hat er sich auch im Retro-Bereich getummelt, meist in Gemeinschaftsaufgaben. Die PDB enthält nur zwei Retros von ihm, WinChloe allerdings derer elf. Eines davon mit hübscher Zwillingsbildung möchte ich euch „für zwischendurch“ zum Lösen empfehlen:

Mykola Griva & Mark B. Bassistyj
Problemist Ukraini 2007, Andrej-Frolkin-50-Turnier, 3. Preis
a) Beweispartie in 10,5 Zügen? b) Hilfsmatt in zwei Zügen (14+14)

 

Die Lösung wie immer in etwa einer Woche hier!

Lösung

b) 1.Lf8 Se6 2.De7 Sxc7#

Doppelte Rückkehr, DL-Bahnung in der Beweispartie, LD-Bahnung im Hilfsmatt.

Retro der Woche 12/2021

(Erst) jetzt ist der Preisbericht vom letztjährigen Champagne-Turnier erschienen: Dieses regelmäßig aus Anlass des WCCC von Michel Caillaud ausgerichtete Retro-Kompositionsturnier wird normalerweise zum Ende des jeweiligen WCCC gerichtet, die Preisverleihung erfolgt noch beim Treffen. Da das 2020 ja Corona-bedingt ausfiel, konnte sich Michel nun etwas mehr Zeit fürs Richten lassen …

Thema war „capture in the air”: Ein Original-Offizier wird von einem anderen Offizier geschlagen, der geschlagene hat mindestens einmal gezogen und selbst nicht geschlagen. Zum Zeitpunkt des Schlags gibt das Schlagopfer kein Schach, ist auch nicht gefesselt.

Wie üblich gab es zwei Gruppen: (A) Beweispartien und (B) sonstige Retros. Heute möchte ich den ersten Beweispartie-Preis vorstellen:

Andrej Frolkin
Champagne-Turnier 2020, 1. Preis Gruppe A
Beweispartie in 22 Zügen (14+13)

 

„Ich bin kein großer Freund von Umwandlungssteinen im Diagramm (Dc7, Ta6 und gar Lh1), aber die sind hier durch das exzellente Spiel und den originellen Inhalt kompensiert.“ (Preisrichter Michel Caillaud) – da können wir uns ja auf eine interessante Beweispartie freuen!

Bei Weiß sind zwei Offiziere umgewandelt, am zugökonomischsten sind das wTa6 und wDc7, die dann sieben bzw. sechs Züge benötigten. Darüber hinaus sehen wir noch vier weiße Züge im Diagramm, zusammen also 17. Damit haben wir fünf Züge Zeit, um die fehlenden weißen Läufer loszuwerden.

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Sparsamer geht es nicht

Kürzer als in der heutigen Zwischendurch-Beweispartie lässt sich das Thema nicht darstellen. Und wenn die Doppel-Homebase nicht zum Lösen einlädt, dann weiß ich es auch nicht…

Yaakov Mintz
feenschach 2010
Beweispartie in 7 Zügen (13+13)

 

Viel Spaß damit — und in einer Woche kommt hier wieder die Lösung!

 

Lösung

Durch Pronkin-Läufer geschlagener Donati-Springer. Kürzer lässt sich das nicht darstellen, und sicher auch nicht eleganter!