November-Problemist

Gestern hatte ich das November-Heft des Problemist im Briefkasten.

Drei Retro-Urdrucke bringt der Problemist nun regelmäßig, und die in diesem Heft laden zum lösen ein. Schickt doch einmal Kommentare zu den dortigen Urdrucken ein, daran herrscht beim Problemist gelegentlich leider etwas Mangel.

Bernd Gräfrath stellt nicht nur wieder drei “Selected Retros” vor (dieses Mal aus einem seiner Lieblingsgebiete: Schlagschach-Beweispartien), sondern im Supplement der Ausgabe findet sich auch noch ein interessanter Kurz-Aufsatz “Composing a Record Proof Game” von ihm, der sich mit einem anderen seiner Lieblingsthemen (Pseudo- und Anti-Rochade, wie ich das Thema einmal genannt hatte) beschäftigt.

Eine der dortigen Aufgaben, den aktuellen “Geschwindigkeitsrekord” für dieses Thema, möchte ich hier kurz vorstellen:
 

Bernd Gräfrath
The Problemist 2013
Beweispartie in 11,5 Zügen (10+16)

 
1.b4 a5 2.La3 axb4 3.Dc1 Txa3 4.Db2 Tf3 5.Sc3 Txf2 6.O-O-O! Txf1 7.Sf3 Txh1 8.Tf1! Txh2 9.Kd1 Th6 10.Ke1 Tf6 11.Kf2 h5 12.Kg1!
 
 
Ist damit schon das Ende der Fahnenstange erreicht?

Retro der Woche 46/2013

Im neuen Oktober-Heft der Schwalbe (ja, in der Zwischenzeit ist das Heft auch bei mir angekommen…) ist der sehr ausführliche Retro-Preisbericht 2010 erschienen: Der Preisrichter Thierry Le Gleuher hat gleich 31 Aufgaben ausgezeichnet – wenn das keine tolle Lektüre ist, dann weiß ich es nicht!

Allerdings will ich heute keine Aufgabe hieraus vorstellen, sondern ein Stück des Preisrichters, das mir immer wieder gefällt, das vor beinahe 20 Jahren sicherlich eine ziemliche Begeisterung hervorgerufen haben muss.

Thierry Le Gleuher
Phénix 1994, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (16+14)

Betrachten wir die Stellung, fällt sofort auf, dass bei Schwarz nur zwei sichtbare Züge vorhanden sind, dass andererseits die beiden Bauern [sBa7] und [sBg6] fehlen, die wegen der weißen Doppelbauern auf b und h nicht auf ihren Linien geschlagen worden sein können.

Damit wissen wir schon, dass mindestens eine Umwandlungsfigur noch auf dem Brett steht: Zunächst nämlich musste sich in schwarzer Offizier opfern, bevor einer der beiden fehlenden Bauern umwandeln konnte.

Das sollten wir im Kopf behalten, auch wenn wir nun zuerst einmal die weißen Züge zählen:

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Retro der Woche 44/2013

Die Auswahl der heutigen Aufgabe habt ihr meiner Richter-Tätigkeit für das FIDE-Album 2010-2012 zu verdanken.

„Wie das? Das Stück gehört doch nun wahrlich nicht mehr zur Album-Periode?“ Richtig – aber gelegentlich muss man doch etwas intensiver nach Vorgängern suchen, und in diesem Fall bin ich fündig geworden: Unser heutiges Stück nimmt eine Einsendung für das neue Album recht deutlich vorweg.

Satoshi Hashimoto
StrateGems 1999, 5. Preis
Beweispartie in 15,5 Zügen (14+15)

 

Die übliche Zählung der offensichtlichen weißen und schwarzen Züge hilft hier nicht viel weiter: Bei Weiß sind nur vier, bei Schwarz immerhin neun Züge sichtbar. Schauen wir uns nun also an, welche Steine fehlen – Umwandlungsthematik können wir wegen der 16 Bauern sofort ausschließen.

Bei Schwarz fehlt die Dame, bei Weiß ein Springer und der weißfeldrige Läufer – und der ist besonders wichtig, da er „zu Hause“ auf f1 geschlagen werden musste.

Das wird sicherlich der Springer erledigt haben, und dabei hat er auch sofort den fehlenden weißen Springer mit beseitigt; das geht in weiteren vier Zügen – passt doch, da sind immer noch zwei übrig!?

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Retro der Woche 43/2013

Diese Woche gehen herzliche Glückwünsche nach Mülheim an der Ruhr: Dort feiert am heutigen Sonntag Bernd Gräfrath Geburtstag. Alles Gute für dein neues Lebensjahr wünsche ich dir auch im Namen aller Leser des Retroblogs!

Bernd ist (problem)schachlich breit interessiert und engagiert: Viele kennen seine schachgeschichtlichen und schachphilosophischen (da trifft sich Beruf und Hobby!) Artikel, die er in letzter Zeit beispielsweise in feenschach veröffentlicht hat, er ist ein ausgezeichneter Literaturkenner und natürlich, deshalb beschäftige ich mich hier mit ihm, ein hervorragender Retro-Spezialist.

Viele kennen sicher seine Rubrik in The Problemist, wo er in jeder Ausgabe drei Retros vorstellt und diskutiert – für jeden Retrofreund ein MUSS und ein Genuss. In diesem Jahr ist er Preisrichter für die Retro-Urdrucke der Schwalbe und seit 2010 Internationaler Preisrichter der FIDE für Retros.

Sein kompositorisches Spezialgebiet sind Beweispartien mit Märchenbedingungen, die die Realisierung von Themen ermöglichen, die orthodox nicht darstellbar sind; ein Beispiel habe ich herausgesucht.

Bernd Gräfrath
Die Schwalbe 2008, Günter Lauinger gewidmet
Beweispartie in 8 Zügen, Schlagschach (10+12)

 

Beim Schlagschach (die genauen Regeln finden sich hier im Blog-Lexikon) muss bekanntlich ein möglicher Schlag immer ausgeführt werden; Könige verlieren ihre königliche Eigenschaft und dürfen geschlagen und erwandelt werden.

Gewöhnlich finde ich Schlagschach-Beweispartien recht schwer zu lösen: gerade wegen der häufig vielen Schläge, die natürlich leicht Spuren auf dem Brett verwischen. Diese Aufgabe erscheint mir aber recht leicht zu sein.

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Retro der Woche 41/2013

Retro der Woche 41/2013

Im kommenden Jahr wird Kostas Prentos die Original-Retroaufgaben in der Schwalbe richten. Der Retro-Sachbearbeiter von StrateGems ist ein kompetenter und auch erfreulich schneller Richter, davon konnte man sich im Juli-Heft des Problemist überzeugen; dort erschien sein Preisbericht zu den dortigen Retros der Jahre 2011 und 2012.

Aus diesem Preisbericht möchte ich heute den zweiten Preis vorstellen:

Rustam Ubaidullajew
The Problemist 2012, 2. Preis 2011-2012
Beweispartie in 23,5 Zügen (16+16)

Kein einziger Schlag hat stattgefunden, und Weiß brauchte „eigentlich“ nur drei Züge, um seine Steine gemäß Diagramm zu positionieren, hat also eine Reserve von 21 Zügen!

Deutlich enger schaut es bei Schwarz aus; hier betrachten wir die erforderlichen schwarzen Züge genauer:

Offensichtlich reichen vier Bauern- und ein Damenzug für diese Steinarten, fünf Läuferzüge sind erforderlich. Diese zehn Züge sind dann auch determiniert.

Etwas komplizierter ist es bei den anderen Steinarten:

sTb7 ist über b8 gekommen, daher muss Sb8 Platz gemacht haben und zurückgekehrt sein; dies macht für beide Springer zusammen vier Züge erforderlich. STb7 benötigt zwei, sTh4 vier Züge, um auf ihre Zielfelder zu kommen.

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Retro der Woche 39/2013

Der heutige Wochenbeitrag ist verbunden mit ganz herzlichen Glückwünschen nach Roßdorf bei Darmstadt, wo just an diesem Sonntag Uli Ring einen sehr runden Geburtstag feiert: Die besten Wünsche für das neue Lebensjahr(zehnt) dazu von mir, denen sich sicher die Leser des Blogs anschließen werden!

Uli ist nicht nur ein „Retromensch“, sondern im gesamten Bereich des Problemschachs sehr bewandert: In sehr jungen Jahren war er Sachbearbeiter der Schwalbe für Zweizüger, als Komponist trat er besonders (unter dem Einfluss des legendären John Niemann) bei den Hilfsmatts hervor und hat schon sehr gute Beweispartien gebaut, als dieses Genre erst gerade begann aufzublühen.

Ich selbst kenne Uli schon seit meinem ersten Andernach-Treffen, und es war und ist immer eine Freude, sich mit ihm nicht nur schachlich auszutauschen: Sein trockener, stets hintergründiger Humor bereichert jede Diskussion über Schach und Kultur, über Politik und Fußball, über Gott und die Welt, und die gemeinsamen nachmittaglichen Eisdielen-Besuche zusammen mit Hans Gruber gehören für mich in Andernach nicht nur zur Tradition, sondern auch zu den Höhepunkten der jährlichen Treffen dort.

Das Stück, das ich heute ausgesucht habe, zeigte schon vor 27 Jahren sehr moderne Beweispartien-Thematik, und ich kann mich noch erinnern, dass das Lösen und Prüfen dieser Aufgabe meine Begeisterung für die damals noch recht neue Mode der eindeutigen kürzesten Beweispartien weiter gesteigert hat.

 

Ulrich Ring
feenschach 1986
Beweispartie in 24,5 Zügen (14+16)

 

Eine Homebase-Stellung, wo sich also sämtliche noch vorhandenen Steine in ihrer Partieanfangsstellung befinden, über auch heute noch einen hohen ästhetischen Reiz aus; bei Beweispartien sicherlich, weil sie optimal das Spiel dieser Farbe verschleiern.
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Retro der Woche 38/2013

Schon lange, bevor ich die Schwalbe-Sachbearbeitung für Retros übernommen hatte, habe ich dort immer wieder intensiv hingeschaut – besonders intensiv im Jahr 2002, da ich dort die Urdrucke richten durfte.

Eine der Aufgaben möchte ich euch heute vorstellen; sie hat für mich nicht unerwartet den Sprung ins FIDE-Album geschafft, und ich finde sie auch heute noch faszinierend.

Rustam Ubaidullajev
11587 Die Schwalbe 2002, 2. Preis
Beweispartie in 23 Zügen (14+16)

 

Dass die schwarzen Läufer so auffällig auf dem Brett stehen, ist kein Zufall: sie bilden die Hauptfiguren dieser Beweispartie.

Die beiden [wLc1] und [sLf8] kommen, so sollte man meinen, leicht aneinander vorbei: sLf8-g7-a1, dann wLc1-b2-g7-f8, und ähnlich kann sich auch die weiße Dame auf ihr Zielfeld schleichen. Aber ihr vermutet es sicherlich schon: Soo leicht ist die Sache nun auch nicht!

Und auch der [sLc8] scheint ja sehr einfach nach h1 gekommen zu sein: Irgendwann ist er auf die lange Diagonale marschiert, nachdem der weiße König g2 und f3 bereits wieder verlassen hatte?! Aber soo leicht ist auch diese Sache nicht!
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Elsässisches Circe

Vor in paar Tagen begann im Forum von MatPlus.net eine Diskussion über Elsässisches Circe. Diese Bedingung ist ziemlich genau ein Drittel Jahrhundert alt; sie wurde von Jean Zeller (er stammte aus dem Elsaß, daher auf Vorschlag von Michel Caillaud der Name der Bedingung) in 49 feenschach Januar-März 1980 (S.298-303) eingeführt.

Die Regel ist eigentlich ganz einfach, hat aber dann gelegentlich verblüffende Konsequenzen:

Nach jedem Circe-Zug muss die Stellung unter orthodoxen Gesichtspunkten legal bleiben. Auch muss das Diagramm selbst sowohl nach den Circe- als auch nach den orthodoxen Regeln legal sein.

Mit anderen Worten: Zur Diagrammstellung und nach jedem Zug muss es eine orthodoxe und eine circensische Beweispartie (die natürlich nicht eindeutig sein muss) geben, die zu dieser Stellung führt.

Das ist also eine Märchenbedingung, die für uns Retro-Freunde sehr interessant ist — und ich bin mir sicher, auf diesem Gebiet sind noch sehr viele interessante Sachen möglich!

Ein kleines und einfaches Beispiel aus dem oben zitierten Artikel möchte ich hier vorstellen:

Jean Zeller
feenschach 1980
Hilfsmatt in 3 Zügen, Elsässisches Circe (7+3)

Die Stellung ist orthodox legal (wLa6 ist ein Umwandlungsläufer), und es gibt auch keine Zweifel an der circensischen Legalität der Stellung. Wäre die sDh1 ein Turm, löste sich die Aufgabe auch ohne Circe in zwei Zügen (1.Th8 Ta1 2.Tb8 Lc8#), aber die schwarze Dame ist ein denkbar schlechter Block.

Aber irgendwie muss ja die neue Bedingung zum Tragen kommen — und dann finden wir ein Mattbild mit schwarzen Blocks auf a7 und b8 und Lb7#, wenn denn das Schlagen des Läufers aus irgendwelchen Gründen nicht möglich wäre. Das kann natürlich nur elsässisch begründet werden, und dann ergibt sich die Lösung

1.Dh2 f3 2.La7 Tf2! 3.Db8 Lb7#, denn nun entstünde nach einem Schlag des Läufers und dessen circensischer Wiedergeburt auf f1 eine illegale Stellung, da der wTf2 niemals orthodox in diesen Käfig hätte gelangen können — also Matt.

Übrigens lässt sich die elsässiche Bedingung auch mit anderen Bedingungen (z.B. Madrasi, Anticirce, etc.) verknüpfen, und da lassen sich bestimmt noch interessante Sachen entdecken!

Nachtrag 31.8.13:
Beim Blick in WinChloe fand ich die Nebenlösung 1.Lxf2 Ld3 2.La7 Tf7 3.Lb8 Le4# — ganz ohne Circe, von “elsässisch” ganz zu schweigen… Das lässt sich natürlich leicht reparieren, z.B. +wBf5 oder +sBe7.