Retro der Woche 37/2020

Heute vor acht Jahren saß ich an meinem Rechner, um die letzten Feinheiten für meine neue Website, für meinen Retroblog zu implementieren und zu testen, beides ging dann am 8. September 2012 online, pünktlich zum und knapp vier Wochen vor dem Schwalbe-Treffen in Traunstein.

So lange ist das schon her, und das möchte ich zum Anlass nehmen, einige Stücke aus diesem Jahr hier noch einmal Revue passieren zu lassen.

Beginnen wir mit der zweitplatzierten Beweispartie des Schwalbe-Jahrgangs 2012 (die Beweispartie auf dem zweiten Platz des Turniers hatten wir bereits im Retro der Woche 18/2014 betrachtet).

Silvio Baier
Die Schwalbe 2012, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 23 Zügen (14+13)

 

Machen wir zunächst einmal Inventur: Bei Weiß fehlen zwei Bauern, bei Schwarz drei, nämlich [Be7], [Bf7] und [Bg7], bei Weiß sind dies zwei der drei gegenüberstehenden Bauern: Die Doppelbauern auf der h-Linie können nicht von [Bf2] und [Bg2] gebildet sein: Dies würde drei Schläge erfordern, das wären mit axb3 bereits vier -– bei Schwarz fehlen aber nun drei Steine.

Dieser letzte Bauernschlag zeigt schon: Es werden Umwandlungen benötigt, um die fehlenden Bauern loswerden zu können: Entweder ersetzen sie geschlagene Originalsteine oder haben sich selbst schlagen lassen.

Zählen wir nun die im Diagramm sichtbaren Züge: Bei Weiß sind dies 1+2 (oder 2+1) +0+1+1+3=8 Züge (der Platzwechsel von König und Dame erfordert drei Züge, jedoch wissen wir noch nicht, welche der beiden Figuren doppelt gezogen hat); bei Schwarz haben wir 2+0+1+1+3+2=9 Züge. Damit sind noch 15 bzw. 14 Züge frei.

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Hans Gruber 60

Heute gehen ganz herzliche Glückwünsche nach Süddeutschland (Bobingen? Regensburg?), wo Hans Gruber heute seinen 60. Geburtstag feiert — leider hat es mit dem gemeinsamen Feiern in Andernach ja wegen Corona nicht geklappt.

Kaum zu glauben, was Hans schon in diese 60 Jahre hineingesteckt hat: Berufliche Karriere (Professor an der Uni Regensburg), sportliche Karriere (einer der besten zumindest bayerischen Langstreckenläufer (>= 10 Kilometer) seiner Altersklasse), musikalische Karriere (Leiter und Dirigent eines Zither-Orchesters). Das würde für sehr viele Menschen schon reichlich reichen.

Und dann gibt es natürlich „nebenbei“ noch seine schachlichen Aktivitäten: Seit über 40 Jahren engagiert bei der Schwalbe (vielfacher Sachbearbeiter vom #3 bis „Bemerkungen und Berichtigungen“), in der Vereinigung (Ehrenvorsitzender nach acht Jahren Vorsitz), Chefredakteur und treibende Kraft hinter feenschach — die andere treibende Kraft, bernd ellinghoven feiert übrigens heute auch Geburtstag, dazu herzliche Glückwünsche nach Aachen! –, Buchautor (mit Chris Feather und mir das Paros-Buch, mit Erich und Elmar Bartel die Umwandlungen in Märchenfiguren, mit Frank Müller und Peter Kniest die s#/r# Miniaturen, um nur die Veröffentlichungen in der FEE=NIX Reihe zu nennen), Artikelschreiber und Preisrichter: Vielleicht der meist beschäftigte auf der Welt, ein unglaublich kompetenter, schneller und präziser Richter; es ist immer ein Vergnügen für mich, wenn wir beide zusammen (häufig noch mit Uli Ring) ein Turnier richten. Allein das würde für fast alle reichlich den Tag, die Woche, das Jahr füllen…

Lieber Hans, für dein neues Lebensjahrzehnt wünsche ich dir alles denkbar Gute, besonders natürlich Gesundheit, Glück und Zufriedenheit – und uns allen, dass du an deinen schachlichen Aktivitäten weiterhin viel Freude hast, dass du dich dort weiterhin für uns alle so toll engagierst!

Natürlich kommt Hans, der die Retroanalyse besonders liebt, viel zu wenig zum komponieren. Hier habe ich eine hübsche kleine Beweispartie von ihm herausgesucht, viel Spaß beim Lösen.

Hans Gruber
Schach-Echo 1984, 1. Ehrende Erwähnung
Beweispartie in 8,0 Zügen (13+16)

 

Wie immer findet ihr in etwa einer Woche hier die Lösung — und hier ist sie nun:

 

Lösung

Sehr frühe und zeitökonomische Darstellung der Pseudo-Rochade.

Retro der Woche 35/2020

Im Januar hatte ich euch bereits den großartigen 1. Preis des Schwalbe-Informalturniers von vor 20 Jahren vorgestellt. Satoshi Hashimoto ist in diesem Preisbericht, den das Dreierteam Brand/Gruber/Ring erstellt hatte, noch mit einem weiteren Stück vertreten.

Satoshi Hashimoto
Die Schwalbe 2000, 2. Ehrende Erwähnung
Beweispartie in 14,5 Zügen (16+14)

 

Bei Weiß sind wir schnell mit dem Zählen der sichtbaren Züge fertig; bei Schwarz hingegen kommen wir auf 13: 0+2+3+4+2+2. Dabei haben wir berücksichtig, dass [Dd8] nur auf e3 geschlagen werden konnte. Der weitere fehlende schwarze Stein, nämlich [Bc7], konnte nur auf der c-Linie geschlagen werden, da bei Weiß ja kein Stein fehlt.

Aber stimmt die 13 wirklich? Wenn wir mit den minimalen Zügen bei Schwarz richtig lägen, müsste ja Bd5, Le6, Lb3 gespielt worden sein – das aber geht nicht, da dem Läufer dann das Feld d5 versperrt wäre. Also muss Schwarz den Läufer entweder via d7 und a4 nach b3 gezogen oder Bd7-d6-d5 gespielt haben: Beides erfordert einen weiteren schwarzen Zug, sodass Schwarz mit den „Diagrammfiguren“ all seine 14 Züge ausgeführt hat. Speziell ist damit klar, dass [Bc7] zuhause geschlagen wurde.

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Retro der Woche 31/2020

Ein wenig habe ich meine Planung für den heutigen Beitrag über den Haufen geworfen (d.h. etwas verschoben), als in dieser Woche der (vorläufige) Preisbericht des 8. FIDE-Turniers für die Retro-Abteilung erschienen war. Preisrichter Nicolas Dupont war von der Qualität mancher der 21 Einsendungen offenbar enttäuscht; dies gilt aber garantiert nicht für dieses Stück, das er als klaren Sieger des Turniers bezeichnet.

Mark Kirtley
8. FIDE Worldcup 2020, 1. Preis
Beweispartie in 22,5 Zügen (14+14)

 

Schon rein gefühlsmäßig sehen wir, dass uns das Zählen der sichtbaren Züge nicht allzu sehr weiterbringen wird, da auf beiden Seiten viele Züge nicht erklärt werden können.

Um so spannender ist es dann natürlich, nach anderen, „verräterischen“ Stellungsmerkmalen Ausschau zu halten –- und das können hier die sichtbaren Schläge durch Weiß sein; Schläge durch Schwarz können wir anhand der Bauernstruktur noch überhaupt nicht identifizieren.

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Retro der Woche 30/2020

Ursprünglich fälschlich zum zweiten Mal als “RdW 29/2020” überschrieben.

Vor zwei Wochen hatte ich hier das erstplatzierte „Sonstige Retro“ aus dem StrateGems Jahresturnier 2019 vorgestellt; wie angekündigt soll nun der erste Preis der Beweispartien folgen.

Michel Caillaud
StrateGems 2019, 1. Preis
Beweispartie in 28 Zügen (12+15)

 

Betrachten wir zunächst einmal die Schlagfälle: Bei Weiß fehlen drei Bauern sowie die Dame, bei Schwarz nur ein Bauer. Zweimal (mit [Bb7] und [Bd7]) hat Schwarz auf die c-Linie geschlagen, und zweimal hat auch [Ba7] auf seinem Weg nach a2 geschlagen: Bei Schwarz fehlt ja nur ein Bauer, daher kann Weiß nicht zweimal geschlagen haben (entweder a2xb3xa4 oder ein Kreuzschlag auf a und b), um Ba2 durchzulassen.

Damit sind einerseits alle schwarzen Schläge geklärt, und andererseits wissen wir, dass der fehlende schwarze Bauer nicht geschlagen haben kann, er muss also auf der h-Linie geschlagen worden sein.

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Retro der Woche 29/2020

Am letzten Dienstag haben wir an dieser Stelle Dmitri Pronkin zum 60. Geburtstag gratuliert, und heute möchte ich euch von ihm eine weitere Aufgabe aus der Pionierzeit der Beweispartie vorstellen, die mir auch heute noch mehr als reizvoll erscheint.

Dmitri W. Pronkin
Themes-64 1985-1986, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (14+16)

 

Schwarz ist noch mit allen Mann an Bord vertreten, bei Weiß fehlen zwei Bauern; da sie nicht geschlagen haben können, sind dies [Bb2] und [Bg2]. Die aber können nicht direkt geschlagen worden sein, sondern müssen umgewandelt haben, um sich entweder auf der sechsten Reihe geopfert zu haben oder den Originalstein zu ersetzen, der dort geschlagen wurde.

Mindestens ein Originalstein musste geschlagen werden, denn anders kann ja zumindest der erste Bauer nicht zur Umwandlung gekommen sein.

Zählen wir erst einmal die sichtbaren schwarzen Züge, wobei wir die schwarze lange Rochade voraussetzen, da sie das Herausspielen signifikant beschleunigt: Das sind 4+3+3+6+1+3=20 — drei Züge sind also frei?!

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Dmitri Pronkin 60

Heute feiert einer der Pioniere der Beweispartien einen runden Geburtstag: Der Ukrainier Dmitri Pronkin vollendet heute sein 60. Lebensjahr; herzlichen Glückwunsch dazu!

Schon lange habe ich keine neue Aufgabe mehr von Dmitri gesehen, und über sein Leben – er hat zumindest eine Zeitlang auch in Deutschland gelebt – ist mir quasi nichts bekannt.

Dafür sind seine Aufgaben allesamt auch heute noch anschauens- und lösenswert: Wer verbindet mit seinem Namen nicht ein sehr fruchtbares Beweispartien-Thema – und wer kennt nicht seinen gemeinsam mit Andrej Frolkin gebauten Längenrekord aus dem Jahr 1989 P0000136?

Den solltet ihr zur Feier das Tages sowieso genießen, und bei einem Gläschen Bier/Wein/Whisky/Mineralwasser je nach Präferenz die folgende Aufgabe lösen: ein granidioser Zwilling!

Dmitri W. Pronkin
Die Schwalbe 1985, 1. Preis
Beweispartie in 12,5 Zügen, zwei Lösungen (15+14)

 

Viel Spaß beim Lösen; wie immer findet ihr die Lösung hier in etwa einer Woche.

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Lösung

Großartig : 2x Pronkin-Thema, Homebase, einmal mit, einmal ohne Rochade. Was würde Franz Beckenbauer sagen? „It‘ a classic!“

Retro der Woche 27/2020

Vor zwei Wochen hatte ich es bereits im Retro der Woche 25/2020 angekündigt, dass ich heute eine Beweispartie wiederum aus Phénix 2019 vorstellen möchte, die mit der dort gezeigten interessant zu vergleichen ist.

Michel Caillaud
Phénix 2019, Pascal Wassong gewidmet
Beweispartie in 20,5 Zügen (13+15)

 

Hier haben wir wiederum eine sehr „übersichtliche“ Menge an sichtbaren weißen Zügen: Genau zwei, mit denen der einzige fehlende schwarze Stein, [Ba7], geschlagen wurde. Bei Weiß fehlen [Lf1], [Bh2] sowie ein Springer. Besonders interessant ist natürlich der fehlende [Lf1], der ja nur zu Hause geschlagen worden sein kann.

Als Schläger bietet sich erst einmal der Se5 an – zählen wir die dann erforderlichen schwarzen Züge.

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