Februar-Heft der Schwalbe

Langsam sollte auch bei euch das Februar-Heft der Schwalbe eingetroffen sein: Ich hatte es schon am letzten Samstag direkt von bernd ellinghoven erhalten, als wir uns zu einem halben Dutzend Leuten in Neuss zum „Niederrheintreffen“ getroffen hatten. Ihr seht schon, da wurde der Bereich des Niederrheins sehr großzügig ausgelegt…

Für die Retrofreunde gibt es wieder eine Menge Löse- und Lesestoff: Neun Retro-Urdrucke warten auf Beschäftigung, interessante (nicht Retro, dennoch mit sehr guten Aufgaben) Preisberichte – und dann hat ein gewisser Thomas Brand dort einen Artikel über Niels Høeg veröffentlicht. Der eine oder andere Leser mag erstaunt sein, dass Høeg nicht nur im Bereich der Retroanalyse (und hier besonders der Verteidigungsrückzüger) aktiv war, sondern auch zu den bedeutenden Neudeutschen Pionieren gezählt werden muss.

Ebenfalls findet ihr im Heft einen (vorläufigen) Hinweis auf das diesjährige Schwalbe-Treffen: Es findet voraussichtlich am (langen Feiertags-) Wochenende 30. September bis 3. Oktober in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) statt. Details werden so schnell wie möglich auf der Schwalbe-Seite und natürlich hier im Blog veröffentlicht.

Retro der Woche 07/2016

Seit Ende 2013 gibt es auf Julia’s Fairies auch ein Retro-Informalturnier: Hans Gruber war Preisrichter für die Jahre 2013-2014; nun habe ich das Vergnügen und die Ehre, die Jahrgänge 2015 und 2016 richten zu dürfen.

Den ersten 1. Preis in der nun hoffentlich lang andauernden Tradition von Märchen-Retroinformaturnieren auf der Website möchte ich euch heute vorstellen. Die Bedingung „Disparate“ (deutsch: „ungleichartig“) ist recht einfach zu erklären: Es müssen nacheinander ungleichartige Steine ziehen. Damit ist eine „offene Partie“ (1.e4 e5) unter dieser Bedingung nicht möglich: Nach dem weißen Bauer darf nicht sofort ein schwarzer Bauer ziehen.

Nicolas Dupont
Julia’s Fairies 2014, 1. Preis
Beweispartie in 16,0 Zügen, Disparate (14+14)

 

Auf den ersten Blick scheint dies, ähnlich wie etwa das Duellantenschach (Jede Seite muss so lange mit dem einmal gewählten Stein ziehen, bis es (orthodox-)legal nicht mehr möglich ist, dann wird ein anderer Duellant bestimmt), eine sehr einfache Bedingung zu sein, die nicht allzu viele Möglichkeiten bietet — aber das täuscht bei beiden Bedingungen, wie ich meine.

Zählen wir zunächst ganz „orthodox“ die weißen und schwarzen Züge, die im Diagramm sichtbar sind: Das sind bei Weiß 2+1+2+4+2+0=11, bei Schwarz kommen wir auf 2+2+3+1+3+3=14 Züge.

Im ersten Moment scheinen viele Züge übrig zu sein, aber wir müssen auch betrachten, dass die fehlenen Steine [Bd2], [Be2], [Bc7], [Lc8] irgendwie verschwinden müssen. Würde Weiß etwa seine fehlenden Bauern auf d5 und e5 aktiv opfern, kostete das vier Züge für Weiß und zwei für Schwarz. Dann müsste Weiß in einem Zug die beiden fehlenden Steine verschwinden lassen — das kann nicht klappen!

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Hans Heinrich Schmitz 100

Heute jährt sich zum hundertsten Male der Geburtstag von Hans Heinrich Schmitz (*12.02.1916, † 04.02.2000).

Von Beruf Musiker (leitete z.B. von 1959 bis 1966 das Sinphonieorchester Jena, die heutige Jenaer Philharmonie) hatte er sich früh für die neudeutsche Schule begeistert, sich dann als eminent starker Löser aber allen problemschachlichen Bereichen gewidmet.

Durch seine ausführlichen, fundierten, sprachlich exzellenten Löser-Kommentare habe ich als junger Retro-Interessierter sehr viel gelernt, seine Überlegungen zur Ästhetik haben viel bewirkt. So forderte er etwa Ende der 70er Jahre heftig die Eindeutigkeit von Beweispartien, auch wenn dann die Anzahl der Themasteine (zu der Zeit waren Rekordkonstruktionen mit dem Ceriani-Frolkin Thema in nicht eindeutigen Beweispartien en vogue) geringer wäre. Zunächst nahm sich Michel Caillaud dieser Gedanken an — der Rest ist Geschichte…

Ich habe Hans Heinrich Schmitz bereits bei meinem ersten Schwalbe-Treffen (1982 in Hennef) kennen gelernt: In der dortigen Sportschule waren wir Zimmergenossen. Im persönlichen Umgang sehr gewinnend hat er mich, auch bei seinen zahlreichen Besuchen des Andernach-Treffens, direkt und indirekt (ob absichtlich oder nicht, mag ich nicht zu beurteilen) immer mehr Richtung Retroanalyse geführt; ich bin ihm dafür sehr dankbar.

Hans Heinrich Schmitz hat nicht viel komponiert; eines seiner bekanntesten Retros (das mit der kuriosen Bepunktung von 4+3+1 den Weg ins Album gefunden hatte), möchte ich hier zeigen.

Hans Heinrich Schmitz
feenschach 1981 (Verbesserung), 2. Preis
Ergänze 24 Steine zu einem Illegal Cluster (1+7)

 

Bei Illegal Clusters wird durch Einfügen der angegebenen Steine in ein unvollständiges Diagramm eine illegale Stellung erzeugt, die nach jeder Entfernung eines beliebigen Steines (außer den Königen) legal wird.

Was kann nun hier die Idee sein, die 24 Steine einzufügen? Zunächst sehen wir, dass die Angabe der Anzahl einzusetzender Steine hier zur deren Eindeutigkeit bereits reicht: Damit stehen in der Lösung 32 Steine auf dem Brett, alles Originalsteine, da kein Schlag stattgefunden hat und damit auch keine Umwandlung möglich war.

Die Grundidee ist, dass eine Seite keinen letzten Zug hat, und auch durch Rücknahme eines Zuges der anderen Partei kein letzter Zug für sie entstehen kann. Entfernt man dann einen Stein, so ist ein letzter Zug möglich.

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Schwalbe 92

Heute jährt sich zum 92. Male der “Geburtstag” der deutschen Problemschach-Vereinigung, der Schwalbe: Sie wurde am 10. Februar 1924 in Essen gegründet.

Bekanntlich geht der Name auf ein berühmtes Problem von Johannes Kohtz und Carl Kockelkorn zurück; zum (erneuten) Betrachten dieses Problems und zum Nachlesen der Gründungsgeschichte der Vereinigung verweise ich euch auf die Internet-Seiten der Schwalbe: Schaut zur Feier des Tages doch einfach dort vorbei!

Retro der Woche 6/2016

Korrektur 14.3.22: Geburtsjahr von Ivan

Recht ungewöhnlich ist es, wenn Vater und Sohn gemeinsam komponieren. Die Makedonier Gligor (*20.8.1946, † 15.01.2015, siehe Retro der Woche 35/2015) und Ivan (*22.3.1973) Denkovski haben gemeinsam nicht nur Retros, sondern auch Hilfsmatts gebaut.

Eine ihrer gemeinsamen Beweispartien habe ich für heute herausgesucht.

Gligor & Ivan Denkovski
Die Schwalbe 2009, 4. ehr. Erw.
Beweispartie in 25,5 Zügen (15+16)

 

Kann man anhand der Diagrammstellung schon thematische Inhalte der Aufgabe erkennen? Hier geht das: Betrachten wir, welcher weiße Stein fehlt ([Bg2], so kann der nicht direkt geschlagen worden sein. Schwarz verfügt zwar über einen Doppelbauern, aber auf der h-Linie kann [Bg2] nicht verschwunden sein, da Schwarz noch „alle Mann an Bord hat“, Weiß also nicht schlagen konnte. Also muss [Bg2] auf g8 umgewandelt haben.

Dass [Sg8] gezogen haben muss, ist allerdings schon durch die Stellung der schwarzen Türme klar. Aber können wir bereits entscheiden, ob es sich bei der Umwandlung um einen „Ceriani-Frolkin“ oder einen „Phoenix“ gehandelt hat? Auch das können wir:

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Zweiter Todestag

Heute jährt sich zum zweiten Male der Todestag von Wolfgang Dittmann. Einen kleinen, hübschen Märchen-Lastmover von ihm möchte ich aus diesem Anlass vorstellen.

Die Bedingung Ohneschach bedeutet, wie der Name schon vermuten lässt, dass normale Schachgebote nicht zulässig sind — sie sind es nur im Mattzug.

Wolfgang Dittmann
feenschach 1977
Letzter Zug? Ohneschach (9+5)

 

Weiß hat elf Mal geschlagen, daher scheidet R 1.Ta1xXa2# als letzer Zug aus.Der letzte Zug muss also a5xYb6# gewesen sein. Schwarz hat fünf Mal geschlagen, zusammen mit den fehlenden [Lc1], der zu Hause starb, bleibt ein schwarzer Schlag frei.

Wäre der Mattzug durch den Schlag eines schwarzen Offiziers erfolgt, so hätten [Ba7] und [Bb7] beide umwandeln müssen. Dies erfordert aber drei schwarze Schläge, die nicht mehr übrig sind: Letzter Zug war ja offensichtlich aXb6#; der [Ba2] konnte nicht mehr geschlagen haben. Also wurde auf b6 ein schwarzer Bauer geschlagen — jedoch nicht direkt, da dies ein illegales Schach gewesen wäre, sondern es geht als letzter Zug nur a5xBb5e.p.#.

Im Orthodoxen lässt sich dieser letzte Zug dies viel einfacher mittels Schachgebot darstellen (Ihr kennt alle die berühmte Aufgabe von Nils Hoeg? Wenn nicht, findet ihr sie im Februarheft der Schwalbe!), hier erschwert also die Märchenbedingung die Darstellung des Themas, hier ist sie wahrlich keine einfache Hilfe für den Komponisten.

Vorsätze

Nun ist das neue Jahr schon wieder fünf Wochen alt (Wahnsinn, wie die Zeit zu verfliegen scheint — empfinde nur ich das so??), und da sind schon manche guten Vorsätze aus der Silvesternacht vergessen.

Ich hatte mir vorgenommen, auf meiner Website den Kalender und auch das Retro-Lexikon aktueller zu halten als in der letzten Zeit. Beim Kalender ist mir das schon geglückt — wenn ihr Termine habt, die hier veröffentlicht werden sollten, dann schreibt mich einfach kurz an.

Beim Lexikon hat sich auch schon etwas getan — das hoffe ich in der nächsten Zeit noch weiter auszubauen. Auch hier gilt: Wenn ihr Vorschläge oder Wünsche dazu habt, dann meldet euch.

Retro der Woche 05/2016

Erst am Freitagabend habe ich von Günter Lauinger erfahren, dass Werner Frangen bereits am 31. Oktober letzten Jahres, heute genau vor drei Monaten im Alter von 86 Jahren (*14. Februar 1929) in Karlsruhe verstorben ist.

In den letzten Jahrzehnten war es um ihn still geworden, vielen ist er aber durch seine dreiteilige Reihe „Stufen der Retroanalyse“ (feenschach 1975 — 1976) bekannt, mit der er beinahe wissenschaftlich in unser Lieblings-Problemgebiet einführte. Aber schon in jungen Jahren hatte er als Twen hervorragende Retros gebaut und vor allen Dingen in der von Thomas R. Dawson gegründeten und dann von Denisson Nixon fortgeführten Fairy Chess Review veröffentlicht.

Eines seiner bekanntesten Stücke, das es auch in die Fabel-Auswahl „Meisterwerke der Retroanalyse“ (1981 posthum von Werner Keym als sechsteilige Serie in Die Schwalbe publiziert) geschafft hatte, möchte ich heute zu seinem Gedenken vorstellen. Beide erwähnten Serien kann ich euch auch heute noch ans Herz legen, beide sind Lesegenuss pur! Die Meisterwerke findet ihr auf englisch übrigens im Netz.

Werner Frangen
The Fairy Chess Review 1953
#1 (Wer?) (15+10)

 

Sofort fallen natürlich die beiden weißen Umwandlungssteine auf — welches Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen? Hier will ich einfach die Lösungsangaben von Werner Frangen selbst bzw. von Fabel/Keym wiedergeben; ich habe nur einige Schrebweisen vereinheitlich und an die hier übliche Notation angepasst.

Es wäre schön, wenn ihr zunächst selbst Löseversuche unternehmt und dann anhand derer die Lösungsangaben genau anschaut.

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