Retro der Woche 37/2018

Von den französischen Retro-Lösemeisterschaften hatte ich im August zwei Aufgaben in der Rubrik „für zwischendurch“ vorgestellt Zwischendurch 54 und Zwischendurch 55). Daraus zu schließen, dort würden überwiegend relativ einfach gestrickte Aufgaben verwendet, wäre aber verfehlt, wie das heutige Stück euch sicher überzeugen wird.

Roberto Osorio & Jorge J. Lois
Phénix 2016
Beweispartie in 16,5 Zügen (15+14)

 

Hier bringt uns das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge offensichtlich nicht weiter – wie schaut es bei Weiß aus? Hier sehen wir 2+2+5+0+2+2=13 Züge. Dabei gehen wir davon aus, dass [Ke1] über d2 nach c3 gelangt ist; Weiß könnte aber auch lang rochiert haben: Das würde einen Königszug mehr erfordern, allerdings einen Turmzug weniger, wir hätten dann 3+2+4+0+2+2=13.

So oder so bleiben vier weiße Züge noch frei – wirklich?

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Retro der Woche 36/2018

Heute möchte ich wieder eine schon etwas ältere Beweispartie (20 Jahre) vorstellen, die aus mehreren Gründen bemerkenswert ist.

Michel Caillaud
Probleemblad 1998, 2. Preis ex aequo
Beweispartie in 22,5 Zügen (13+12)

 

Das häufig sehr hilfreiche Zählen der sichtbaren Züge bringt uns hier nicht viel weiter: Bei Weiß sind es 1+0+0+1+0+4=6 Züge, bei Schwarz ein paar mehr, aber auch nicht erschöpfend viele: 4+1+0+0+1+2=8 — plus die eines Umwandlungsläufers. Vielleicht hilft uns ja die Überlegung weiter, wo der entstanden sein könnte?! Nicht auf d1: Dort wäre er nicht weggekommen. Auch nicht auf f1 oder h1: Das würde mindestens vier Schlagfälle erfordern, aber bei Weiß fehlen nur drei Steine.

Also entstand er auf b1.

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Retro der Woche 34/2018

Bleiben wir noch ein wenig bei Aufgaben aus Phénix 2015 und 2016: Vor drei Wochen hatte ich von Joaquim Crusats (zusammen mit Andrej Frolkin) bereits einen Verteidigungsrückzüger vorgestellt, heute nun eine klasse Auflöse-Aufgabe.

Joaquim Crusats
Phénix 2016
Löse auf! (15+13)

 

Schauen wir wie üblich zunächst nach den Schlagfällen: Die weißen Doppelbauern auf der b-, der f- un der g-Linie stehen für die fehlenden schwarzen Steine, und der schwarze Doppelbauer auf der d-Linie erklärt den fehlenden weißen Stein.

Der Knoten im Nordosten kann erst nach e6xXf7, aufgelöst werden, der im Nordwesten kann scheinbar durch c6xTb7 aufgelöst werden. Warum geht das nicht sofort? Dazu schauen wir uns an, welche Steine fehlen: Das sind bei Schwarz die beiden Türme und ein Bauer, bei Weiß ein Bauer.

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Retro der Woche 24/2018

Der hochrangige Stuttgarter Kriminalbeamte Josef Haas (28. Januar 1922 – November 2003) hatte eine besondere Vorliebe für Hilfsrückzüger. Dabei kooperieren, wenn mehrere Rückzüge gefordert sind, Schwarz und Weiß, um eine Stellung zu erreichen, in der die angegebene Vorwärts-Forderung realisiert werden kann.

Josef Haas
Mannheimer Morgen 1973
-1s & h#1 (9+8)

 

Hier nimmt also Schwarz einen Zug so zurück, dass er anschließend einen Hilfszug vorwärts spielt, nach dem Weiß Matt geben kann.

Hilfsrückzüger sind normalerweise nicht allzu schwer zu lösen, so wollt ihr es vielleicht selbst versuchen, bevor ihr weiterlest. Wenn ihr meint, gelöst zu haben, solltet ihr aber noch schauen, ob ihr nicht auf die Verführung hereingefallen seid?

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Retro der Woche 21/2018

Vor ein paar Tagen hatte ich auf den (noch vorläufigen) Retro-Preisbericht zum 6. FIDE World Cup hingewiesen und angekündigt, auf einige Aufgaben aus diesem Turnier näher einzugehen.

Da in dieser Rubrik mal wieder eine Beweispartie an der Reihe ist, beginne ich heute mit der zweitplatzierten Aufgabe, dem Silbermedaillenstück von Silvio Baier.

Silvio Baier
6. FIDE World Cup, 2. Preis (nach Nicolas Dupont)
Beweispartie in 33 Zügen (13+11)

 

33 Züge sind für einen Löser „viel Holz“, aber wichtige Details kann man schon im Diagramm erkennen. Wäre das anders, wäre solch eine Aufgabe für den menschlichen Löser kaum knackbar – und auch für ein Computerprogramm nicht, das, wie beispielsweise Natch und Euclide, die Stellung analysiert, um den Suchbaum sinnvoll beschneiden und erst dadurch akzeptable Prüfzeiten erreichen zu können.

Hier fällt sofort auf, dass alle Offiziere an Bord sind, dass also nur Bauern fehlen. Die stammen aus dem Osten des Bretts, während alle sichtbaren Schläge Richtung Westen erfolgt sind. Damit wissen wir schon: Es müssen sich (wegen Bc7xbxa) zwei weiße und (wegen bxa, dxc und zweimal cxb) vier schwarze Bauern umgewandelt haben.

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Retro der Woche 20/2018

Nachdem ich vor einigen Tagen auf das Wolobujew-60-Turnier hingewiesen habe, möchte ich heute mal wieder eine Aufgabe dieses Autors zeigen. Und das auch, weil heute zum „Andernach-Wochenende“ gehört, und vor sieben Jahren habe ich in Andernach diese Aufgabe in einem kleinen Vortrag vorgestellt. Wer mag, kann den erweiterten Vortrag in feenschach 187 (Juli 2011), Seite 109-113 nachlesen.

Sergej Wolobujew
Redkije schanry pljus 1994, 1.-2. Preis
Löse die Stellung auf! (9+14)

 

Das Stück findet sich auch im FIDE-Album und hat dort 11,5 Punkte erhalten; wir können uns also auf eine Delikatesse freuen!

Eine Besonderheit dieser Aufgabe fällt bereits auf, wenn wir uns die Diagrammstellung unter dem Gesichtspunkt der Schlagfälle anschauen: Da stellen wir nämlich fest, dass Weiß entweder axba6 geschlagen hat oder dxc(e)xd. Bei Schwarz sind direkt fünf Schläge im Diagramm sichtbar: LxXf7+ (damit wissen wir auch, dass Schwarz mit der Rücknahme beginnen muss, ob er will oder nicht) sowie bxc, cxd, exf und gxh. Hinzu kommt die Notwendigkeit, wBa7 oder wBd6 durchgelassen zu haben, also entweder axbxa oder dxc(e)xd. Und damit sind auch alle Schlagzüge durch Schwarz verbraucht.

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Retro der Woche 17/2018

Viel haben wir hier in den letzten Wochen über den Volet-Bauern, das Volet-Thema gesprochen (siehe Retros der Woche 11/2018 und 13/2018), nun wollen wir uns mal wieder eine Aufgabe von Tom Volet anschauen:

Thomas Volet
Die Schwalbe 2016 (Verbesserung)
Weg des letzten Umwandlungssteins? (16+11)

 

Umwandlungssteine sind auf dem Brett nicht direkt erkennbar; da Weiß aber noch „alle Mann an Bord“ hat, kann es sich nur um einen schwarzen Umwandlungsstein handeln.

Da verrät uns schon die Bauernstellung, welche Umwandlungsfelder in Frage kommen.

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Retro der Woche 16/2018

(Siehe Hinweis vom 20. April 2018)

Heute habe ich mal wieder ein schon etwas älteres Stück hervorgeholt: In den letzten 15 Jahren hat sich die Gattung der eindeutigen Beweispartien unglaublich weiterentwickelt.

Das heißt aber nicht, dass Aufgaben aus jener Zeit nach heutigem Maßstab „schwach“ sein müssen: Auch damals haben die Könner schon tolle Aufgaben gebaut!

Einer diese Könner ist Gerd Wilts, der leider u.a. wegen seines unglaublichen Engagements für die PDB (richtig: Familie und Beruf hat er auch noch …) viel zu selten zum Komponieren kommt. Aber all seine Aufgaben sind sehenswert, kann ich versichern, so natürlich auch die heutige.

Gerd Wilts
feenschach 2003, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 22,5 Zügen (14+10)

 

Der letzte Zug der Beweispartie ist schon klar: 23.Txd8# — nur ist noch nicht klar, was auf d8 geschlagen wurde. Wenn wir uns die Stellung ein wenig anschauen, fällt sofort auf, dass nur zwei schwarze Züge im Diagramm zu sehen sind; bei Weiß hingegen lohnt es zu zählen: 3+1+5+2+2+9=22 — ein weißer Zug ist noch übrig. Aber reichen 22 Züge wirklich? Das würde voraussetzen, dass wir Tc1xc8xd8# und Th6-c6 spielen. Dafür müsste [Bc7] durch [Bb2] geschlagen worden sein, [Bc2] irgendwie von Schwarz. Um dann aber die drei Bauernschläge am Königsflügel auf schwarzen Feldern hinzubekommen, muss sehr früh Th6-c6 erfpgen, das aber geht erst, wenn schon der weiße Turm auf c8 und der Bauer auf c7 steht.

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