Retro der Woche 06/2021

Zurzeit bin ich u.a. damit beschäftigt, den Retro-Preisbericht 2018 für feenschach vorzubereiten. Mit der ersten Sichtung bin ich nun fertig, und aus den Aufgaben, die es „in die zweite Runde geschafft haben“, möchte ich heute eine Aufgabe vorstellen. Ob und wie sie ggf. platziert wird, weiß ich noch nicht — und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es hier noch nicht verraten…

Gerald Ettl
feenschach 2018
Letzte 22 Einzelzüge? (15+11)

 

 

 

 

Im Diagramm fallen schnell drei Details auf:

  • Weiß muss mit der Rücknahme beginnen, da der schwarze König im Schach steht.
  • Weiß verfügt über einen Umwandlungsspringer.
  • Der einzige Schlag des Schwarzen war Bh7xXg6.

Nun betrachten wir die weißen Schlagfälle: Drei Schläge durch Bauern sieht man, nämlich axb und gxf und fxe. Hinzu kommt der Schlag des Weißen im letzten Zug – und dann wurde der fehlende [Bc7] durch eine weiße Figur geschlagen.

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Retro der Woche 05/2021

Preisrichter Hans Gruber war vom Retro-Zweijahresturnier 2015-2016 von Probleemblad begeistert, hier hatte ich Anfang 2018 bereits den 1. Preis dieses Turniers präsentiert, heute stelle ich euch den 4. Preis vor.

Jorge Lois & Roberto Osorio
Probleemblad 2015-2016, 4. Preis
Beweispartie in 20,5 Zügen (12+13)

 

Der schwarze König, das sieht man sofort, steht im Schach durch den wSf8 — der hat allerdings kein Feld, von dem aus er Schach bieten konnte, er hat also im letzten Zug umgewandelt. Dabei kann er nur von f7 gekommen sein, denn die drei fehlenden schwarzen Steine sind bereits durch die Bauernschläge im Südwesten erklärt.

Daher hat sich [Bf2] schlagfrei nach f8 durchgekämpft. Dafür muss dann [Bf7] Platz geschaffen haben, und das erklärt bereits zwei Schläge des Schwarzen: [Bf7] weg von der f-Linie, ein Bauer auf die f-Linie.

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Retro der Woche 04/2021

24.1.2021: Mario Richter hat die Aufgabe leider gekocht; siehe seinen Kommentar. Die Aufgabe wird natürlich ihre Auszeichnung verlieren.

Seit etwa der Mitte des letzten Jahrzehnts beschäftigen sich hauptsächlich ukrainische Autoren (Andrej Frolkin, aber auch Michail Kosulja) mit „Rebus-Problemen“, in denen im Diagramm nur Buchstaben angegeben werden, aus denen dann auf die Diagrammstellung geschlossen werden muss; häufig gibt es zur gefundenen Diagrammstellung dann weitere (retroanalytische) Fragen. Eine solche Aufgabe findet sich beispielsweise im Retro der Woche 10/2017.

Der feenschach Retro-Preisbericht für 2017 ist im letzten Heft (243, Januar 2021) erschienen; Richter Hans Gruber stellte ein solches Rebus-Problem auf den zweiten Platz; einziger Preisträger ist hier ein komplexer Anticirce-Verteidigungsrückzüger des kürzlich verstorbenen Günther Weeth.

Michail Kosulja
feenschach 2017, 1. ehrende Erwähnung
Bestimme die Steine! Letzte 4 Einzelzüge? (30)

 

Wie löst man solche Aufgaben am besten? Als generelle Regel kann man versuchen, die Bauern und die Könige als erste zu bestimmen, um dann anhand der Stellungs-Spezifika, häufig durch ein Ausschlussverfahren, die Offiziere zu bestimmen. Häufig hilft bei solchen Aufgabe die Unterscheidung von Groß- und Kleinbuchstaben, die dann die Farbverteilung symbolisiert; hieraus konnte der Autor in unserer heutigen Aufgabe verzichten. (Bei den Lösungsangaben habe ich mich am Preisbericht orientiert.)

Machen wir zunächst Inventur: Auf dem Brett befinden sich je 7 B,F, je 2 A,C,E,G,L,R sowie je 1 D,H,S,W. Da nur zwei Steine fehlen, können nicht so viele Umwandlungen erfolgt sein, dass B oder F Umwandlungssteine sind; sie sind also Bauern.

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Retro der Woche 03/2021

In meinem kleinen Nachruf auf Yoav Ben-Zvi hatte ich bereits erwähnt, dass seine thematische Vorliebe auch bei seinen Retros allen Arten von Linienspiel galt. Dies zeigte er sowohl in seinen klassischen Auflöse-Retros als auch in den relativ wenigen Beweispartien, die er komponiert hat.

Eine davon möchte ich heute zeigen, die dies, wie ich finde, sehr hübsch, aber auch recht versteckt zeigt.

Yoav Ben-Zvi
StrateGems 2013, nach K. Soltsien & H. H. Schmitz
Beweispartie in 26 Zügen (16+16)

 

An verschiedenen Stellen des Diagramms schimmert Symmetrie durch, besonders auf dem Damenflügel und auf der g-Linie, die aber auch dort durchbrochen ist. Ferner fällt sicherlich der sTa1 auf, der, das sieht man schnell, mindestens sieben Züge nach dort benötigte, auch wenn wir noch nicht wissen, ob es sich um [Ta8] oder [Th8] handelt: Tc8-c6-d6-d3-c3-c1-a1 ist eindeutig.

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Retro der Woche 02/2021

Man kann schwerlich an Günther Weeth erinnern, ohne auf seine großartigen, phantasievollen und tiefgründigen Anticirce-Verteidigungsrückzüger einzugehen, die er mit vielen neuen Ideen versah. Meist sind sie von Wagner’scher Komplexität, doch ich habe für heute eine Co-Produktion von Günther Weeth und Klaus Wenda ausgesucht, die laut Preisrichter Thierry Le Gleuher „ausnahmsweise für diese Art von Problemen nicht sehr kompliziert“ ist. Aber elegant und witzig, das kann ich schon versprechen.
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Günther Weeth & Klaus Wenda
Die Schwalbe 2010, Korr.; 1. Lob
#1 vor 9 Zügen, VRZ Proca, Anticirce (4+8)

 

Die Aufgabe, ursprünglich von Günther Weeth im Oktober 2005 in der Schwalbe veröffentlicht, aber noch defekt, wurde dann von ihm zusammen mit dem Wiener Spezialisten komplett überarbeitet; die originell-witzige Idee (die sei hier schon verraten: Komplettverbau einer im Diagramm noch freien Linie) blieb natürlich erhalten.

Wir erinnern uns: Im Verteidigungsrückzüger will Weiß gegen die beste Verteidigung ein Matt vor der angegebenen Zügezahl erzwingen; Schwarz verteidigt sich. Beim Typ Proca entscheidet die Gegenpartei, ob ein Rücknahmezug ein Schlagfall war und welcher Stein entschlagen wurde — alles natürlich nur mit legalen (Rück-)Zügen.

Und bei der Anticirce-Bedingung entsteht der Schläger auf „seinem circensischen Ausgangsfeld“ neu; ist dieses besetzt, ist ein Schlag unmöglich. Für Retros heißt dies u.a., dass ein Stein unter der Anticirce-Bedingung nur entschlagen kann, wenn er auf seinem Partieanfangsfeld steht. Dies schränkt einerseits die potenziellen Schlagsteine ein, für die allerdings gibt es sehr viele Entschlagmöglichkeiten, da der Entschlag ja quasi „überall“ stattfinden konnte.

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Retro der Woche 01/2021

Günther Weeth war in der Retrowelt besonders bekannt für seine tiefgründigen und phantasievollen Anticirce-Verteidigungsrückzüger, die er mit vielen neuen Ideen versah. Dabei wird oft vergessen, dass er gelegentlich auch auf klassischen Retrowegen unterwegs war — ein solches Beispiel möchte ich in Erinnerung an Günther heute vorstellen.

Andrej Frolkin & Günther Weeth
Die Schwalbe 2010
Löse die Stellung auf! (13+14)

 

Die beiden fehlenden schwarzen Steine wurden Opfer des Doppelbauern auf der c-Linie; der seinen Ursprung in [Ba2] oder [Be2] hat. Damit muss der fehlende [Bg7] umgewandelt haben, was einen Schlag kostet; die beiden anderen Schläge durch Schwarz waren exd sowie im letzten Zug Db3xXb2+. Auch der fehlende weiße Bauer muss umgewandelt haben, um geschlagen werden zu können. Das muss also [Be2] gewesen sein, da die beiden a-Bauern nicht aneinander vorbeikommen konnten.

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Retro der Woche 53/2020

Im letzten Retro der Woche 52/2020 hatte ich eine hoch platzierte Aufgabe aus der Abteilung „Beweispartien“ des Schwalbe 2015 Retro-Preisberichts vorgestellt, heute nun ein solches Stück aus der Abteilung „Klassische Retros“.

Die drei Preise zeigen höchst unterschiedliche, aber allesamt sehr komplexe Verteidigungsrückzüger; ich möchte euch die darauf folgende Auszeichnung vorstellen, die schon mit ihrer höchst originellen Aufgabenstellung hoffentlich zum Lösen reizt.

Jens Guballa
Die Schwalbe 2015, 1. ehrende Erwähnung
Ergänze den wK und nimm den letzten weißen Zug so zurück, dass Schwarz nie mehr rochieren darf. (13+11)

 

wLh2 ist offensichtlich ein Umwandlungsstein, der aus [Ba2], dem einzig fehlenden weißen Bauern, entstanden sein muss. Einer der zwei schwarzen Schläge war bxc, der andere ist nicht durch Bauernschlag geschehen. (Achtung, nicht von der Steinkontrolle verwirren lassen: Weiß muss ja noch den König einfügen, hat also „eigentlich“ 14 Steine auf dem Brett. Sich jetzt hier auf die Angabe „13“ zu verlassen ist ebenso fahrlässig, wie beim „Partyschach“ die Klötze neben dem Brett zu zählen, nicht die auf dem Brett…)

Daher könnte man auf den Gedanken kommen, den [Th8] auszusperren, etwa indem Weiß die Rücknahme von g6-g7 erzwingt: Ein Kreuzschlag der [Bg7] und [Bh7] ist ja nicht möglich; es hätte der schwarze König Platz für den Turm machen müssen, und damit wäre das Rochaderecht verwirkt. (Das “Platz machen” hätte er ja auch durch die Rochade tun können, aber auch damit wäre je eine zukünftige Rochade ausgeschlossen…) Doch scheitert etwa +wKe5, dann zurück Kf4xTe5? an illegalem Doppelselbstschach.

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Retro der Woche 52/2020

Kürzlich hatte ich schon auf die vielen Beiträge im Dezember-Doppelheft der Schwalbe hingewiesen, die für uns Retro-Freunde besonders interessant sind. Darunter ist „natürlich“ auch der Preisbericht der 2015er Urdrucke von Mario Richter.

Den 1. Preis von Nicolas Dupont und Silvio Baier hatte ich bereits im Retro der Woche 33/2019 vorgestellt: die volle Punktzahl hat er im FIDE-Album erhalten.

Heute soll es nun um den 3. Preis gehen, ein deutlich kürzeres Stück, das damit hoffentlich auch mehr zum Selbstlösen einlädt?!

Silvio Baier
Die Schwalbe 2015, 3. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (13+13)

 

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