Retro der Woche 13/2017

Im letzten Retro der Woche 12/2017 hatte ich den ersten Preis im Troitzki-Gedenkturnier vorgestellt und schon versprochen, nun den zweiten Preis zu besprechen.

Nach dem klassischen Retro in der letzten Woche sehen wir nun eine hochmoderne Beweispartie.

Silvio Baier
Troitzki-Gedenkturnier 2017, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (14+11)

 

Eine sehr elegante Diagrammstellung: Bei Schwarz stehen alle Steine auf ihren Feldern der Partieausgangsstellung („Home Base“), bei Weiß hingegen findet sich kein Stein mehr auf der ersten Reihe – bis in die schwarze Stellung hinein haben sich die weißen Steine vorgekämpft.

Damit müssen wir uns zunächst auch keine Gedanken über schwarze sichtbare Züge zu machen; anders schaut es bei Weiß aus. Dort sehen wir 3+1+4+(3+x)+(2+y)+4=17+x+y Züge.

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Retro der Woche 11/2017

Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich gestehe, dass einer meiner Lieblingskomponisten für Beweispartien Satoshi Hashimoto ist.

Die folgende Aufgabe schätze ich ganz besonders wegen ihrer Eleganz bei der Darstellung eines schwierigen Themas.

Satoshi Hashimoto
Problemesis 2004
Beweispartie in 25 Zügen (12+15)

 

Das scheint ja sehr schwer zu lösen zu sein, wenn man nur zwei weiße Züge auf dem Brett sieht und auch bei Schwarz eine Menge freie Züge übrig bleiben. Sichtbar sind zunächst nur 4+0+2+3+1+10=20.

Doch können wir durch genauere Analyse der Stellung weitere Züge (besser gesagt Zug-Arten) identifizieren.

Dazu betrachten wir erst einmal, welche Steine fehlen. Bei Schwarz ist es genau ein Turm, und bei Weiß fehlen die vier Bauern des Damenflügels.

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Retro der Woche 09/2017

Feedback zu seinen Urteilen sollte jedem Preisrichter wichtig sein: Nur so kann er seine Wertungen und Reihungen selbst kritisch betrachten und womöglich hinterfragen.

Solch eine Feedback-Runde zur Diskussion der vorläufigen Bewertungen für das FIDE-Album führe ich gerade als Direktor der Retro-Abteilung mit den Richtern – nicht um die Einzelurteile anzugleichen, sondern damit wir alle die zum Teil deutlichen Abweichungen in der Bewertung gegenseitig verstehen: Jeder Richter muss natürlich zu seiner „Bepunktung“ stehen, muss sie verantworten!

Von einer anderen Art des Feedbacks berichtet in der aktuellen Schwalbe Bernd Gräfrath: Dort stellt er in seinem höchst lesenswerten Aufsatz „Nachtgedanken eines Preisrichters“ sechs Aufgaben vor, die er als Preisrichter nicht oder relativ niedrig ausgezeichnet hat, die dann aber ins FIDE-Album gelangten.

Schauen wir uns eines seiner Beispiele heute einmal an.

Nicolas Dupont & Michel Caillaud
Probleemblad 2005
Beweispartie in 20 Zügen (13+12)

 

Mit dem Zählen der sichtbaren schwarzen Züge sind wir sehr schnell fertig – wenn alle vorhandenen Steine auf ihren möglichen Ursprungsfeldern stehen, wir also eine Homebase-Position vor uns haben, ist die Summe halt stets null.

Bei Weiß schaut es anders aus: 4+3+2+4+3+4=20: Alle weißen Züge sind erklärt, auch wenn damit noch nicht alles eindeutig ist: Zum Bespiel wissen wir nur, dass der König in der minimalen Zügezahl nach g5 gelangt sein muss, aber noch nicht, auf welchem Wege.

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Retro der Woche 07/2017

Sehr schnell konnte Kostas Prentos seinen Preisbericht zur Retro-Abteilung des 5. FIDE World Cups erstellen: Es gab nur zwölf Einsendungen, von denen auch noch zwei defekt waren. Trotz der dünnen Beteiligung gibt es im Turnier zumindest drei ganz hervorragende Aufgaben.

Den ersten Platz – Tusch und herzliche Glückwünsche nach Dresden – belegte Silvio Baier mit seiner Beweispartie, die ich heute vorstellen möchte; dabei orientiere ich mich an den Anmerkungen von Kostas.

Silvio Baier
5. FIDE World Cup in Composing 2017, 1. Platz
Beweispartie in 30,5 Zügen (13+10)

 

Die drei fehlenden weißen Steine wurden von [Bd7] auf seinem Weg nach a2 geschlagen. Zählt man die weißen sichtbaren Züge 5+1+2+3+3+5=19, so stellt man fest, dass Weiß noch zwölf Züge frei hat. In denen kann er aber nicht [Bf2], [Bg2] und [Bh2] zur Umwandlung bringen, damit drei Umwandlungssteine geschlagen oder das originale Schlagopfer ersetzen können.

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Neuer Längenrekord!

Das heute erschienene Schwalbe-Februarheft wartet mit einer Sensation auf:

Andrej Frolkin und Werner Keym haben den Längenrekord eindeutiger Beweispartien verbessert!!

Sie haben dabei das Schema des bisherigen Rekords, der bei 57,5 Zügen stand (siehe PDB P0000136), genommen, und den beiden ist es in etwa achtmonatiger intensiver Arbeit gelungen, zwei weitere Halbzüge herauszukitzeln, womit sie den Rekord auf 58,5 Züge erhöhen!

Um mit Oliver Kahn zu sprechen: “Hier ist das Ding!”

Dmitri Pronkin, Andrej Frolkin, Werner Keym
Die Schwalbe 2017
Beweispartie in 58,5 Zügen (14+14)

 

In dem Schwalbe-Artikel erläutert Werner Keym die Lösung ausführlich; hier will ich sie unkommentiert wiedergeben in der Hoffnung, dass ihr euch ein wenig damit beschäftigt, um die Motivation einzelner Manöver herauszufinden. Die Autoren bitten übrigens darum, die Aufgabe intensiv zu prüfen!

1.a4 h5 2.a5 h4 3.a6 h3 4.axb7 hxg2 5.h4 d5 6.h5 d4 7.h6 d3 8.h7 dxc2 9.d4 a5 10.Lh6 c1=T 11.e4 Tc5 12.Se2 Th5 13.e5 c5 14.e6 Sc6 15.b8=T a4 16.Tb4 a3 17.Ta4 c4 18.b4 c3 19.b5 c2 20.b6 c1=T 21.b7 Tc4 22.b8=T Da5+ 23.T8b4 Lb7 24.Sbc3 O-O-O 25.exf7 e5 26.Tc1 Lc5 27.f8=T a2 28.Tf3 a1=T 29.Sa2 g1=D 30.Tfa3 Dg6 31.f4 De8 32.f5 g5 33.f6 g4 34.f7 g3 35.f8=T g2 36.Tf5 g1=T 37.Lf8 Tg7 38.Sg3 e4 39.Ld3 e3 40.O-O e2 41.T1c3 e1=T 42.Lc2 Te3 43.d5 T8d7 44.d6 Tdf7 45.d7+ Kb8 46.Dd6+ Ka8 47.Dc7 Sge7 48.d8=T+ Sc8 49.Td7 Thg8 50.h8=T Tae1 51.Th6 T1e2 52.T1f2 Tce4 53.Kf1 Ld4 54.Tfc5 Se5 55.Thb6 Sd6 56.Sf5 Sdc4 57.Sd6 Sb2 58.T3c4 Sf3 59.Db8+.

Wer nun die Geschichte der Beweispartie-Längenrekorde ein wenig nachverfolgen möchte, den lade ich zu einer Tour durch die PDB ein:

Es begann 1913 mit Thomas R. Dawson und 15,0 Zügen (P0002274), wobei er anmerkte “I expect this task to go much further.” — er sollte Recht behalten!

Nach dem 2. Weltkrieg beschäftigte sich Karl Fabel intensiv mit dem Längenrekord, und er fand ein sehr ergiebiges Schema und damit 1947 einen neuen Rekord von 41,5 Zügen (P0001427); dieses Schema haben dann Michel Caillaud 1982 auf 47,0 Züge (P0002337) und fünf Jahre später Karl-Heinz Bachmann auf 48,0 Züge (P0002277) gesteigert. Dann folgte 1989 der schon erwähnte Riesensprung auf 57,5 Züge, der nun 28 Jahre später um einen weiteren Zug überboten wurde.

Meine Frage nicht nur an Andrej und Werner: Haltet ihr 60 Züge für möglich? (Man wird doch noch träumen dürfen…)

Nachtrag 11.02.2017: Der vollständige Artikel zu dieser Aufgabe ist nun im Internet auf der Schwalbe-Seite (unter “Leseproben aus der Schwalbe”) aufrufbar.

Retro der Woche 05/2017

Ich hatte ja beim letzten Retro der Woche versprochen, die zweitplatzierte Aufgabe des phénix-Retroturniers 2005 noch vorzustellen. Dieses Versprechen hatte ich schon längst, wie mir erst diese Woche auffiel, eingelöst: Schaut euch das Retro der Woche 22/2013 an…

Eine wie ich finde sehr elegante Beweispartie aus dem Jahre 1998 habe ich für heute ausgewählt, mir gefällt sie sehr gut, da sie das Thema im Diagramm klasse versteckt, man es dann aber mit einigen Überlegungen herausfindet, um mit diesem Wissen dann die Lösung erarbeiten zu können.

Thierry Le Gleuher
StrateGems 1999 (Version), Lob
Beweispartie in 25,5 Zügen (15+15)

 

Die beiden einzigen Schläge waren axb durch Weiß und gxf6 durch Schwarz, damit sind die fehlenden Steine erklärt. Nur: Was konnte geschlagen werden? Es fehlen [Ba7] und [Bg2]. Die können, da sie selbst nicht geschlagen haben können, jedoch nicht geschlagen worden sein.

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