Retro der Woche 44/2017

Henry Anthony Adamson (21.01.1871 – 21.08.1941) war ein Autor, der sich im Umfeld des jüngeren Thomas Rayner Dawson (28.11.1889 – 16.12.1951) intensiv mit Retroanalyse beschäftigt hat, auch wenn sein „Output“ nicht riesig ist: Die PDB umfasst nur 21 Retros von ihm.

Adamson hat sich speziell mit „Hilfsretraktoren“ beschäftigt: es werden Züge zurückgenommen (Weiß und Schwarz kooperieren, wenn mehrere Züge zurückgenommen werden sollen), anschließend muss eine Vorwärtsforderung erfüllt werden. Bei den komplexen Retraktoren von Adamson gilt es dabei, die möglichen Lösungen retroanalytisch zu untermauern, bzw, auszuschließen. Ein reines Auflöse-Retro von Adamson findet ihr als Retro der Woche 52/2012.

Schauen wir uns nun einen seiner Hilfsretraktoren an:

Henry Adamson
The Fairy Chess Review 1938
Schwarz nimmt 1 Zug zurück, dann h#1 (15+13)

 

Der fehlende weiße Stein wurde mittels g7xf6 geschlagen, ferner sehen wir sofort zwei weiße Schlagfälle: dxe3 und hxg3. Auch den dritten können wir schnell klären, wenn wir betrachten, welcher weiße Stein fehlt: Das ist [Ba2], der aber nicht direkt auf f6 geschlagen werden konnte. Also musste er sich umwandeln, um entweder selbst geschlagen zu werden oder das Schlagopfer zu ersetzen. Als dritten weißen Schlag haben wir also axb7, damit sich [Ba2] auf b8 umwandeln konnte.

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Retro der Woche 38/2017

In der letzten Woche hatte ich eine Beweispartie vorgestellt, die ich dem „Ukraine-Album“ 2004 bis 2006 entnommen hatte.

Heute will ich daraus ein klassisches Retro vorstellen, das nicht allzu schwer zu lösen ist, aber sehr hübschen Inhalt zeigt. Wenn ihr das letzte Retro der Woche verfolgt habt, dann wisst ihr auch schon, wer heute Autor des ausgewählten Stücks ist.

Andrej Frolkin
Messigny 2006, 2. Ehr. Erw.
Löse die Stellung auf! (12+11)

 

Leicht ist die Frage zu beantworten, wer mit der Zugrücknahme beginnen muss: Der schwarze König steht im Schach, also muss Weiß mit der Rücknahme dieses Schachgebots beginnen. Etwas kniffliger ist die Frage nach den Bauernschlägen.

Bei Schwarz haben wir, leicht zu sehen, vier Schlagfälle durch die Bauern: dxe, fxe, gxf, hxg. Wir sehen allerdings keine direkten weißen Bauernschläge.

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Retro der Woche 31/2017

Preisrichter Thierry Le Gleuher war von der durchschnittlichen Qualität der Nicht-Beweispartien im Jahrgang 2015 von StrateGems weniger überzeugt als von der der Beweispartien. Daher vergab er nur einen Preis; der allerdings ist, wie ich meine, sehr sehenswert.

Andrej Frolkin
StrateGems 2015, Preis
Ergänze wS auf der 1. Reihe. Letztes notwendiges Schachgebot? (13+12)

 

Wenn wir nun die Analyse möglicher Schläge vornehmen, müssen wir berücksichtigen,dass Schwarz nur zwei Steine hat schlagen können – im diagramm fehlt ja noch der zu ergänzende weiße Springer.

Offensichtlich ist, dass Schwarz exd gespielt hat. Da Schwarz ja nur zwei Mal schlagen konnte, stammen alle anderen schwarzen Bauern von ihrer Reihe – nur bei sBg3 ist nicht klar, ob er von der g- oder der h-Linie stammt.

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Retro der Woche 20/2017

Am letzten Freitag konnte Andrej Frolkin seinen 60. Geburtstag feiern, und deshalb habe ich natürlich für heute eine weitere Aufgabe von ihm herausgesucht. Sie ist exakt 30 Jahre alt und hat sogar inhaltlich ein wenig mit dem am Freitag vorgestellten Stück zu tun.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1987, 3. Preis
Letzte 34 Einzelzüge? (15+10)

 

Ein paar Details der Stellung sieht man recht schnell:

Der fehlende weiße Springer wurde mittels axb geschlagen; zwei Schläge durch Weiß (dxc, cxb) sind ebenfalls sofort sichtbar.

Und klar ist, dass Schwarz mit der Rücknahme beginnen muss, denn der weiße König steht im Schach. Da sBd3 nicht entschlagen kann, haben wir schon 1/34 der Lösung: R: 1.d4-d3+.

Dann wird es aber ein wenig komplizierter, wenn wir uns überlegen, wie der Knoten im Westen aufgelöst werden kann.

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Retro der Woche 18/2017

Ich bin immer wieder erstaunt, dass man mit dem eingeschränkten Material von nur Königen und Bauern doch interessante Retroaufgaben bauen kann. Peter Kniest nannte Aufgaben mit dieser Steinkonstellation bekanntlich „Kindergartenprobleme“, aber deren Komplexität muss sich nicht zwangsläufig auf „Kindergarten-Niveau“ beschränken.

Besonders Gerd Wilts und Thierry Le Gleuher beschäftigen sich gelegentlich mit Aufgaben dieser Art, und es ist immer wieder überraschend, wie viel Inhalt sie damit darstellen können. Vielleicht möchtet ihr euch noch einmal das Retro der Woche 42/2012 anschauen?

Heute aber natürlich eine andere Aufgabe.

Thierry Le Gleuher (nach Gerd Wilts)
Phénix 2014
Letzte 13 Einzelzüge? (9+9)

 

Ich lade euch herzlich ein, selbst Löseversuche anzustellen, bevor ihr weiterlest: Das Stück ist sicher eine ideale Aufgabe, selbst einmal klassische Retros zu lösen.

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Retro der Woche 50/2016

Vor gut 10 Jahren hat sich Dmitri Baibikov intensiv mit Retros beschäftigt, in denen zunächst fehlende Steine zu ergänzen waren und dann die Stellung aufgelöst werden sollte. Besonders, wenn nichts über die Art und Anzahl der zu ergänzenden Steine gesagt ist, finde ich das eine sehr attraktive Forderungskombination.

Ein Beispiel habe ich für heute herausgesucht.

Dmitri Baibikov
Problem Paradise 2004-2005, 1.-2. Preis
Ergänze Steine und löse die Stellung auf. (12+13)

 

Wir sehen im Diagramm 25 Steine sowie je zwei Bauernschläge durch Weiß und durch Schwarz. Da der weiße König durch Läufer und Dame im Schach steht, müssen zwei Steine ergänzt werden, um die beiden Schachs aufzuheben. Denn auch der schwarze König steht (durch wSh3) im Schach, sodass wir wissen, dass Weiß mit der Rücknahme beginnen muss.

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Retro der Woche 48/2016

Beim französischen Treffen der Problemschachfreunde jedes Jahr am Pfingstwochenende (oder mit anderen Worten: Eine gute Woche nach Andernach) steht auch immer ein Retro-Kompositionsturnier auf dem Programm.

Im Jahre 2009 war das Thema besonders interessant: Es waren Beweispartien gefordert, für die eine möglichst lange Folge von „letzten Zügen“ im Sinne einer klassischen Auflöse-Aufgabe eindeutig sein sollte. Der Anteil an eindeutigen letzten Zügen in der Beweispartie sollte möglichst hoch sein.

Schauen wir uns den ersten Preisträger an.

Michel Caillaud
Messigny2007, 1. Preis
Beweispartie in 16 Zügen. Letzte 12 Einzelzüge? (12+14)

 

Hier ist der Anteil nun 12/32, also 37,5%. Lässt sich der noch steigern?

Beginnen wir mit dem „letzte-Züge-Anteil“ – dann ist ja anschließend nur noch eine Beweispartie in 10 Zügen zu lösen.

Bei Weiß fehlen die beiden Türme und die beiden Springer, bei Schwarz die Läufer. Offensichtlich wurden die Läufer vom [Ba2] geschlagen, und wegen der unterschiedlichen Felderfarben ist auch klar, dass diese Schläge auf b3 und c5 erfolgten. [Bh2] kann nicht geschlagen haben.

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Joaquim Crusats 50

Unsere heutigen Glückwünsche gehen nach Spanien, genauer gesagt nach Vic in Katalonien, etwa 70 Kilometer nördlich von Barcelona zu Joaquim Crusats – er feiert heute, am 26. November, seinen 50. Geburtstag.

Joaquim ist ein hervorragender Retro-Komponist, der – häufig in Zusammenarbeit mit Andrej Frolkin – besonders auf dem Gebiet klassischer Verteidigungsrückzüger tolle neudeutsche Aufgaben, häufig mit einem gewichtigen Anteil Retroanalyse versehen, baut. Im Dezemberheft der Schwalbe werdet ihr im Rahmen eines Aufsatzes von mir drei Beispiele hierzu finden.

Heute aber möchte ich euch eine einfachere, aber sehr hübsche Aufgabe von Joaquim zeigen und euch zum Selbstlösen empfehlen.

Andrej Frolkin & Joaquim Crusats
Problemas 2015
Letzter Zug? (13+14)

 

sBb3 hat die fehlenden drei weißen Steine geschlagen, [Lc8] starb auf b3 oder b5, und [Bg7] wurde auf der g-Linie geschlagen.

Weiß hat keinen letzten Zug, also muss Schwarz zuletzt gezogen und damit Weiß nun einen Zug ermöglicht haben. Dieser Zug kann nur Tg6-h6 gewesen sein, also hat Schwarz zuletzt Kh8-g8 oder 0-0 gezogen.

Betrachtet man den Käfig im Süden und Südwesten, so kann der nur mit Td1-d2 bzw. Dd1-c2 aufgelöst werden, was aber einen Schachschutz auf c1 benötigt. Ein weißer Stein kann nicht hierhin gelangen, also muss ein schwarzer Stein diese Aufgebe übernehmen. Hierzu ist aber nur der schwarze König in der Lage – also kann Schwarz im letzten Zug nicht rochiert haben, denn wäre der schwarze König ja retro-unbeweglich.

Also war der letzte Zug 1.—Kh8-g8. Recht einfach zu lösen, aber sehr hübsch, wie ich finde.