Retro der Woche 15/2022

Nachdem wir in der letzten Woche den ersten Preis der (sonstigen) Retros im 2020er Jahrgang von StrateGems angeschaut hatten, möchte ich nun zu den Beweispartien dieses Jahrgangs springen. Preisrichter Ryan McCracken äußert in seinen Vorbemerkungen die Befürchtung, dass aus den orthodoxen Beweispartien alles an Saft herausgepresst sei, was noch möglich ist – dennoch konnte er ein orthodoxes Stück mit dem zweiten Preis auszeichnen.

Satoshi Hashimoto
StrateGems 2020, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (13+15)

 

Bei Schwarz sind die sichtbaren Züge schnell gezählt: das sind exakt fünf Bauernzüge. Hinzu kommen noch zwei Züge des einzig fehlenden schwarzen Steins, des [Lf8]. Der muss wegen des weißen Doppelbauern auf der e-Linie auf e3 geschlagen worden sein. Es bleiben also noch zwölf(!) freie schwarze Züge!

Bei Weiß kommen wir mit dem Zählen schon ein Stück weiter: 0+2+4+3+3+5=17 mit also noch zwei freien weißen Zügen.

Betrachten wir nun die Schlagfälle:

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Retro der Woche 14/2022

Noch liegt das StrateGems Heft April – Juni 2022 nicht in meinem Briefkasten, dennoch kann ich bereits vom dort veröffentlichten Retro-Preisbericht 2020 (Richter Kostas Prentos) berichten: Hans Gruber hat bereits den Turnierbericht für feenschach geschrieben, sodass ich daraus unsere heutige Aufgabe entnehmen kann.

Andrej Frolkin & Sergej I. Tkatschenko
StrateGems 2020, 1. Preis
Füge je 1 s+w Läufer auf den Feldern h1 und h5 ein. Wo wurden die fehlenden Steine geschlagen? (13+10)

 

Beginnen wir mit der Schlagbilanz: Offenbar wurde [Lc1] zu Hause geschlagen, der zweite Läufer wird auf der h-Linie eingesetzt; somit wurde der nun noch fehlende Stein mit hxg6 geschlagen.

Daher haben die weißen Bauern [Be2] und [Bf2] überkreuz geschlagen: fxe4 und exf6. Die fehlenden Bauern [Bb7], [Bc7] und [Bd7] wurden auf ihrer Linie geschlagen; für sie bleibt ja kein mögliches Schlagopfer. Zusammen mit dem noch einzusetzenden Läufer sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt. Und wegen der Felderfarben sehen wir auch, dass auf f6 ein Läufer und auf e4 entsprechend ein Springer geschlagen wurden.

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Retro der Woche 13/2022

Bleiben wir noch bei den Schwalbe-Retros des Jahrgangs 2015. Daraus möchte ich euch heute das aus meiner Sicht absolute Glanzstück, den ersten Preis aus der Abteilung der klassischen Retros vorführen – „ein Werk von nahezu epischer Breite“ (Preisrichter Mario Richter).

Dmitrij Baibikov
Die Schwalbe 2015, W. Dittmann zum Gedenken, 1. Preis
#1 vor 187 Zügen, VRZ (10+15)

 

Das ist eine herausfordernde Zügezahl, aber das Stück erschießt sich nicht ganz so schwer. Auffällig sind die schwarzen Bauern im Südwesten, die viele Rückzüge haben, und auffällig sind die Türme auf der h-Linie. Könnte Weiß den Schwarzen zur Rücknahme von Th8-h7 zwingen, wäre schon Schluss: Dann nämlich R 1.Th7-h6 & vor: Sh6#.

Damit ahnen wir vielleicht: Es wird zu Tempoduellen auf der h-Linie kommen, wo Schwarz dann zur Rücknahme eines Bauernzuges gezwungen ist, um die Illegalität wegen dreifach gleicher Stellung zu verhindern – und wenn das nicht mehr geht, dann ist es wie schon beschrieben zu Ende.

Betrachten wir noch die Schlagfälle: 10 (im Diagramm) + 6 (sBc:wBb, sBd:c, sBe:f, sBf:e, sBh7:g6, wBa auf seiner Linie geschlagen, wBh umgewandelt) = 16. Schwarz: 15 (im Diagramm) + 1 (wBc:Sd) = 16.
Wenn ihr selbst zu lösen versuchen wollt zu lösen (ich kann es euch eigentlich nur empfehlen!), dann wartet noch mit dem Klick auf „Weiterlesen“, denn dort bringe ich sofort die gesamte Lösung, die ich der Schwalbe-Lösungsbesprechung entnommen habe.
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Retro der Woche 12/2022

Korrektur 25.3.22: Stellung durch Co-geprüfte (Die Schwalbe VI/2016, S. 525) ersetzt

Im Zusammenhang mit dem Retro der letzten Woche hatte ich erwähnt, dass der Retro-Schwalbe-Jahrgang 2015 „bärenstark“ gewesen sei. Das will ich auch gern noch einmal anhand der Beweispartien zeigen. Den ersten und dritten Preis konntet ihr bereits in den Retros der Woche 33/2019 (mit 12 Punkten im FIDE-Album!) bzw. 52/2020 ansehen. Heute will ich auf das sechstplatzierte Stück eingehen – übrigens die erste der „Nicht-Dupont-Baier“ Aufgaben in diesem Bericht.

Roberto Osorio & Joaquin J. Lois
Die Schwalbe 2015 (V), 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 16 Zügen (13+15)

 

Wenn man sich die Diagrammstellung anschaut, fällt auf, dass der weiße König im Schach steht, dass der Schachzug schlagend gewesen sein muss. Dann fällt auf, dass kein Schlag durch irgendwelche Doppelbauern verraten wird.

Bei Weiß fehlt neben dem [Ba2] noch ein weiterer Bauer (vermutlich der [Bd2], aber das wissen wir noch nicht genau) sowie [Lf1]. Bei Schwarz fehlt nur ein Bauer, vermutlich der [Bc7].

Das hilft noch nicht viel weiter – schauen wir nach den offensichtlichen Zügen.

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Retro der Woche 11/2022

Andrej Frolkin ist ein hervorragender und sehr produktiver Komponist, er veröffentlicht auch viele Gemeinschaftsaufgaben mit Problemfreunden aus aller Welt. Hoffen wir, dass sich bald auch wieder die Gelegenheit ergibt, in friedlicher Umgebung Aufgaben gemeinsam mit russischen Problemisten zu bauen…

Heute möchte ich euch eine bemerkenswerte Aufgabe von Andrej aus dem bärenstarken Schwalbe-Jahrgang 2015 zeigen.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2015, 1. Lob
Minimale Anzahl Einzelzüge seit dem letzten Zug eines schwarzen Springers (16+12)

 

Auffällig am Diagramm ist der mächtige Käfig auf der Ostseite des Bretts sowie die insgesamt vier weißen Umwandlungsspringer. Im Käfig sieht man die Bauernschläge gxf7 und hxg5, jeweils hinter die schwarzen Bauern, die ja selbst nicht schlagen konnten.
Jeweils zwei der weißen Springer müssen auf a8 und c8 entwandelt werden, dazu müssen die Schläge Bbxa und Bdxc geschehen sein. Demnach muss [Bh7] schlagfrei auf h1 umgewandelt haben, um verschwinden zu können.
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Retro der Woche 10/2022

In dieser Woche ist die erste Ausgabe 2022 des niederländischen Probleemblad erschienen. In den Retro-Lösungen zu den Urdrucken aus Heft 3/2021 fand ich ein sehr interessantes Stück, das ich euch heute zeigen möchte – speziell, weil der Sachbearbeiter Roberto Osorio hier einen interessanten Vergleich zu einer völlig anders gearteten Forderung zieht.

Jorge Lois & Roberto Osorio
Probleemblad 2021
Beweispartie in 22 Zügen (13+15)

 

Bei Schwarz fehlt nur ein Stein, nämlich ein Turm, und der starb auf b3. Bei Weiß fehlen ein Turm sowie [Bd2] und [Bh2]. Weiß kann nicht mehr geschlagen haben, also wurde [Bh2] auf h6, der fehlende Turm auf e6 und [Bd2] auf der d-Linie geschlagen worden sein.

Versuchen wir uns nun am Abzählen der sichtbaren Züge: Bei Schwarz sehen wir 5+0+3+1+0+3=12 Upps, da fehlen noch glatt zehn Züge!

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Retro der Woche 09/2022

Den ersten Preis der Beweispartien im Retro-Preisbericht 2012 in StrateGems hatten wir uns in der letzten Woche hier angeschaut. Die beiden erstplatzierten „übrigen Retros“ gab es schon im Retro der Woche 28/2013 sowie 2/2016 zu bewundern; ein Blick auf diese beiden Stücke lohnt noch immer.

Dennoch möchte ich noch ein mal auf diesen Bericht zurückkommen, um mal wieder ein Märchen-Retro zu zeigen.

Thomas Brand & Hans Gruber
StrateGems 2012, 1. Lob
Ergänze KTBktbb zu einem Illegal Cluster, Circe. b) sBh3>h2 (14+15)

 

(Groß geschriebene Buchstaben kennzeichnen weiße, klein geschriebene schwarze Steine.) Wir erinnern uns: Ein Illegal Cluster ist eine illegale Stellung, die durch Entfernung jedes einzelnen Steines (natürlich außer der Könige) legal wird.

„Circe“ ändert keine Zugwege, aber Durchführung und auch Möglichkeiten von Schlagfällen. In Retros ist das Entschlagen eines Steins daran gebunden, dass er „Circegerecht“ auf dem Schlagfeld erscheinen kann: Dafür muss das Partieausgangsfeld des Schlagopfers besetzt sein: Steht das Schlagopfer selbst dort, so wird es mit dem Entschlag von dort wegbewegt, ansonsten ganz normal ergänzt. Ist das Partieausgangsfeld allerdings leer, so ist der Entschlag unmöglich.

Wie kann uns dieser Unterschied zum orthodoxen Schach nun helfen, eine Idee für das Lösen dieses Illegal Clusters zu finden?

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Retro der Woche 08/2022

In der letzten Woche hatten wir hier eine Aufgabe gesehen, in der eine Steinart (Grashüpfer) in einem Märchenretro das inhaltliche Spiel bestimmte. Heute möchte ich euch eine Beweispartie zeigen, in der Ähnliches geschieht; das ist der erste Preis aus dem sehr starken Retro-Informalturnier von StrateGems 2012, also vor 10 Jahren.

Nicolas Dupont
StrateGems 2012
Beweispartie in 23,5 Zügen (14+15)

 

Beim ersten Blick auf die Diagrammstellung schaut es aus wie eine Home Base Position – aber dann sieht man den dritten weißen Turm, der ziemlich weit entfernt von seinen eigenen Truppen dem schwarzen König Schach bietet.

Schauen wir dann einmal nach den Schlägen: Bei Weiß fehlen drei Bauern, von denen einer als dritter Turm noch auf dem Brett steht. Ferner sehen wir zwei Bauernschläge durch Schwarz (axb und bxc). Damit müssen die beiden fehlenden Bauern geschlagen werden, das aber klappt nicht direkt.

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